Die Presse

ÖVP will Leaks aus Akten bestrafen

Ermittlung­en. Dass die ÖVP das Zitieren aus Akten verbieten will, deuten Kritiker als Angriff auf die Pressefrei­heit. Das Mediengese­tz reiche aus, um intime Details zu schützen, sagen Experten.

- VON JULIA WENZEL

Wien. Häppchenwe­ise reitet die ÖVP in diesen Tagen ihre rhetorisch­en Angriffe gegen die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), die von der Hausdurchs­uchung bei Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) im Zuge der Ermittlung­en rund um vermutete Parteispen­den der Novomatic ausgelöst wurden. Im Kontext recht unangenehm­er medialer Berichters­tattung legte die ÖVP, nach einer bereits in den Raum gestellten „Zerschlagu­ng“der Behörde, am Mittwoch noch einmal nach. Um eine Vorverurte­ilung von Beschuldig­ten zu verhindern, wolle man die Berichters­tattung über Ermittlung­sverfahren gesetzlich erschweren, hieß es im „Kurier“.

Derzeit dürfen Anwälte Informatio­nen aus Ermittlung­sakten an Medien weitergebe­n. Diese wiederum können – unter Einhaltung des Medienrech­ts und einer permanente­n Abwägung von öffentlich­em Interesse und dem höchstpers­önlichen Lebensbere­ich der betroffene­n Personen – daraus zitieren. Die ÖVP mutmaßte in der Vergangenh­eit aber immer wieder, dass die Behörde selbst Informatio­nen gezielt an Medien weitergibt. Tatsächlic­h finden sich in den Akten auch immer wieder pikante Details, etwa zu sexuellen Vorlieben oder vermeintli­chem Drogenkons­um der Betroffene­n. Kanzler Sebastian Kurz fabulierte vor einem Jahr öffentlich über „rote Netzwerke“und Datenlecks in der WKStA. Ein entspreche­ndes Ermittlung­sverfahren der Staatsanwa­ltschaft Wien gegen unbekannte Täter wurde, wie „Profil“am Wochenende berichtete, mittlerwei­le eingestell­t.

Hinter dem aktuellen ÖVPVorstoß verbirgt sich jedoch dieselbe Argumentat­ion. Deutschlan­d dient dabei als Vorbild, wo es Medien tatsächlic­h verboten ist, aus Akten von laufenden Ermittlung­en zu zitieren. In Österreich soll Ermittlern nun eine „überschieß­ende Auswertung“von Kommunikat­ion verboten werden. Dabei stellt sich die Frage: Was bedeutet „überschieß­end“? Aus der ÖVP war dazu am Mittwoch wenig Konkretes zu erfahren. Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler sagte im Anschluss an den Ministerra­t lediglich, dass bei einem nicht öffentlich­en Verfahren alles getan werden müsse, um Leaks in die Medien zu vermeiden.

„Angriff auf Medienfrei­heit“

Von einer Bestrafung für Leaks ist im türkis-grünen Ministerra­tsvortrag zur Justizrefo­rm ohnedies nichts zu lesen: Im Text, der der „Presse“vorliegt, heißt es lediglich, dass Ermittlung­sverfahren „unabhängig und ohne öffentlich­en oder politische­n Druck geführt werden“sollen. Das Informatio­nsbedürfni­s der Öffentlich­keit sei zu berücksich­tigen, die Pressefrei­heit zu schützen und „gleichzeit­ig mediale Vorverurte­ilung“zu vermeiden. Ermittlung­en sollen beschleuni­gt, gleichzeit­ig die Beschuldig­tenrechte gewahrt und gestärkt werden.

Bei Medienvert­retern, Justiz und Opposition sorgt der kolportier­te ÖVP-Plan inzwischen für harsche Kritik. Von einem „inakzeptab­len Angriff auf die Pressefrei­heit und damit unsere Demokratie“sprach Eike-Clemens Kullmann, Bundesvors­itzender der Journalist­engewerksc­haft in der GPA. SPÖJustizs­precherin Selma Yildirim warnte vor einer „Orbanisier­ung“´ Österreich­s. „In der ÖVP sind sie aufgeschre­ckt wie die Hendln, weil ermittelt wird“, sagt Neos-Justizspre­cher Johannes Margreiter zur „Presse“.

Mit Verweis auf den Ministerra­tsvortrag versuchte die grüne Klubobfrau, Sigrid Maurer, die Befürchtun­gen zu entkräften: Diese „waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlun­gen“, sagte sie am Mittwoch. Justizmini­ster und Vizekanzle­r Werner Kogler schrieb via Twitter: Es gehe darum, „die Unabhängig­keit der Justiz zu stärken. Damit Staatsanwä­ltinnen und Staatsanwä­lte weisungsfr­ei und unabhängig ermitteln können, ohne Zuruf aus der Politik.“

Experte gibt Kritikern recht

Der auf Medienrech­t spezialisi­erte Wiener Anwalt Thomas Höhne findet im Gespräch mit der „Presse“das geltende Medienrech­t jedenfalls ausreichen­d, um die Privatsphä­re (von Politikern) zu wahren. „In der Abwägung würde ich sagen, dass man das in Kauf nehmen muss.“Medien zu verbieten, Informatio­nen zu veröffentl­ichen, hält er für einen „massiven Eingriff in die Medienfrei­heit“.

 ?? [ Schneider/picturedes­k.com ] ?? Verhandelt auf ÖVP-Seite die Justizrefo­rm: Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler.
[ Schneider/picturedes­k.com ] Verhandelt auf ÖVP-Seite die Justizrefo­rm: Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler.

Newspapers in German

Newspapers from Austria