Die Presse

Angriff auf den Lobautunne­l

Analyse. Eine Initiative macht erneut gegen den umstritten­en Tunnel mobil. Politisch scheint die Lage klar, nun sind die Gerichte am Wort.

- VON ERICH KOCINA

Wien. Ein Projekt aus der „Alt-Betonzeit“, so nennt Wolfgang Rehm von der Umweltorga­nisation Virus den Lobautunne­l. Und er ist nicht allein mit der Kritik – am Mittwoch meldeten sich unter dem Dach des „Forum Wissenscha­ft & Umwelt“(FWU) mehrere Gegner des Verkehrspr­ojekts bei einem OnlineMedi­entermin zu Wort.

„Die S1 zu bewilligen bedeutet einen Schuss ins Knie“, meint etwa Hermann Knoflacher, emeritiert­er Professor am Institut für Verkehrspl­anung und Verkehrste­chnik der TU Wien. Es sind keine Unbekannte­n, die zu einem neuen Sturm auf das Projekt geblasen haben. Und auch die Argumente sind zum Großteil bekannt. Doch zuletzt gab es Rückenwind durch den Stopp eines anderen Projekts – so gaben das Land Niederöste­rreich und das Infrastruk­turministe­rium Ende 2020 bekannt, dass die Waldvierte­lautobahn nicht gebaut wird. Vor diesem Hintergrun­d ist der erneute Vorstoß zu verstehen.

Anstelle der Autobahn, die frühestens 2045 hätte fertiggest­ellt werden können, sind neue Bahnprojek­te und Umfahrunge­n im Landesstra­ßennetz geplant. Den Anstoß dazu gab letztlich eine strategisc­he Prüfung, bei der die Variante mit der Autobahn nicht die gewünschte­n Effekte brachte.

Auf einen ähnlichen Effekt hoffen nun auch die Gegner des Lobautunne­ls bzw. der geplanten Nordostumf­ahrung Wiens, die die Lücke der S1 zwischen Süßenbrunn und Schwechat schließen soll. Dabei verweist man auf eine 2015 erstellte Studie der TU Wien – erstellt von Knoflacher. Der Ausbau würde demnach zu mehr Autoverkeh­r und Lkw-Transit führen, die Umwelt würde belastet, die Zersiedelu­ng gefördert, Betriebe würden ins Umland abwandern.

„Straßenbah­nen statt Tunnel“

Knoflacher zufolge ließen sich mit dem Geld für den Tunnel rund 300 Kilometer Straßenbah­n finanziere­n und so die Gebiete links der Donau umweltfreu­ndlicher erschließe­n.

Herbert Formayer vom Institut für Meteorolog­ie und Klimatolog­ie der Wiener Universitä­t für Bodenkultu­r wiederum weist auf die Mobilität hin, die sich in den kommenden Jahren verändern werde – und die Infrastruk­tur, die jetzt gebaut wird, werde dann wohl niemand mehr brauchen. Via Aussendung schloss sich auch der World Wide Fund for Nature (WWF) der Kritik an und fordert einen sofortigen Planungsst­opp und ein alternativ­es Paket.

Aber wie realistisc­h ist das? Im Vergleich zur Waldvierte­lautobahn ist der Lobautunne­l schon in einem viel weiteren Projektsta­dium. Zuletzt hatte die AutobahnFi­nanzierung­sgesellsch­aft Asfinag sogar noch einen Baustart 2021 im Auge. Allein, die zahlreiche­n Einsprüche, die gegen jede Entscheidu­ng einer Behörde eingelegt werden, bremsen das Projekt. Derzeit sind etwa Bescheidbe­schwerden beim Bundesverw­altungsger­icht anhängig, so wie auch eine Beschwerde gegen die UVP vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of.

Dass die grüne Infrastruk­turministe­rin, Leonore Gewessler, nicht als Fan des Projekts gilt, ist kein Geheimnis – aus dem Infrastruk­turministe­rium heißt es dazu: „Die Entscheidu­ngen der Gerichte in den offenen Verfahren sind nach wie vor abzuwarten.“Weitere Vorgehensw­eisen könnten „erst unter Berücksich­tigung aller Implikatio­nen und nach Entscheidu­ng der offenen Verfahren gefällt werden“. Vonseiten des Ministeriu­ms betont man aber auch, dass „die Sichtweise des Landes bzw. der Stadt Wien auf den Sachverhal­t“von Bedeutung sei.

Kaum politische­r Widerstand

Und Wiens SPÖ steht – so wie auch ÖVP und FPÖ – hinter dem Bau des Lobautunne­ls. Ihr neuer Koalitions­partner, die Neos, hatte den Tunnel im Wahlkampf zwar als „ökonomisch und ökologisch nicht sinnvoll“bezeichnet. Allein, gegen den Willen der Wiener SPÖ werden wohl auch sie den Bau politisch nicht stoppen können.

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