Werberat will keine neuen Verbote
Kodex. Die Werbehüter setzen auf Eigenverantwortung statt auf Verbote. Das gilt auch für ungesunde Lebensmittel.
Wien. Seit Jahresbeginn gilt in Österreich ein neues Gesetzespaket, das Bildschirmwerbung reguliert. Dafür wurden zur Umsetzung einer EU-Richtlinie das ORF-Gesetz sowie das KommAustria- und das Audiovisuelle MediendiensteGesetz novelliert. Damit gelten für digitale Videoplattformen seit Anfang des Jahres dieselben gesetzlichen Vorgaben wie bei Werbespots im Fernsehen.
Der österreichische Werberat hat diese Woche seinen Ethikkodex ergänzt. Besonderes Augenmerk legte man dabei auf die Bewerbung von ungesunden Lebensmitteln rund um Kindersendungen. Die Ergänzung wurde mit Spannung erwartet, sollte sie doch weitreichende Auswirkungen auf die Werbe- und Lebensmittelindustrie haben. VerbraucherschutzOrganisationen erhofften sich im Vorfeld nämlich empfindliche Einschränkungen bei der Bewerbung von zucker- und fettreichen Lebensmitteln und bekamen dabei Rückendeckung aus dem Gesundheitsministerium.
Seit Jahren schon gelten rund um Kindersendungen verschärfte Werberichtlinien. Von zusätzlichen Verboten wäre rund die Hälfte der gesamten Werbeausgaben – im Vorjahr waren es immerhin 4,2 Milliarden Euro – betroffen, heulte die heimische Werbebranche Ende vergangenen Jahres auf.
Angst vor Imageschäden
Seit Dienstag liegt der neue, ab sofort gültige Ethikkodex der Werbewirtschaft vor. Und setzt – entgegen aller Befürchtungen – auf die Eigenverantwortung der Werbetreibenden und nicht auf weitere Verbote. „Wir sind überzeugt, dass wir gerade in diesem Bereich mit der freiwilligen Selbstbeschränkung aller Marktteilnehmer weit mehr Akzeptanz und Bereitschaft zur Umsetzung bewirken, als es jede rechtliche Vorgabe tun könnte“, sagt Werberat-Präsident Michael Straberger.
Eigenverantwortung hat in der heimischen Werbewirtschaft lange Tradition. Seit mehr als 30 Jahren setzt der Rat auf Selbstregulierung. Zwar hätte es über Jahrzehnte Defizite bei der Sensibilität in der Fachwelt gegeben, räumt Straberger ein, das habe sich in den vergangenen Jahren durch die Einbeziehung aller Werbeverantwortlichen aber deutlich verbessert: „Unter den Marktteilnehmern gibt es große Bereitschaft, im Sinne gesellschaftlicher Verantwortung zu agieren.“Die Gefahr möglicher Imageschäden wollen viele Unternehmen zudem nicht riskieren.
Unterstützung für den Werbeleitfaden kommt aus der Industrie. Katharina Koßdorff, Chefin vom Fachverband der Lebensmittelhersteller, freut sich über die Fortsetzung der freiwilligen Selbstbeschränkung. Dass diese funktioniere, würden die wenigen Beschwerdefälle in der Vergangenheit zeigen. 13 Stopp-Entscheidungen sprach der Werberat im vergangenen Jahr wegen Verstößen gegen den Ethikkodex aus, ein Großteil davon wegen Geschlechterdiskriminierung und erstmals auch wegen rassistischer Werbeinhalte.
Kritik an zahnloser Regelung
Rechtlich sei ein Stopp-Aufruf des Werberates aber zahnlos, kritisiert Heidi Porstner von Foodwatch Österreich. Sie hätte sich Nachschärfungen bei Lebensmittelwerbungen für Kinder erhofft: „Leider wurden wieder keine klaren Nährwertprofile festgeschrieben, an denen sich Mediendienste-Anbieter orientieren könnten.“Im Ethikkodex der Werber wird jedoch auch auf die „Expertise eines eigens eingerichteten Lebensmittelbeirats“hingewiesen, der auf anerkannten Ernährungsleitlinien basieren soll. Eine Eigenverantwortung also, die von zahlreichen Empfehlungen begleitet wird.