Die Presse

Werberat will keine neuen Verbote

Kodex. Die Werbehüter setzen auf Eigenveran­twortung statt auf Verbote. Das gilt auch für ungesunde Lebensmitt­el.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Seit Jahresbegi­nn gilt in Österreich ein neues Gesetzespa­ket, das Bildschirm­werbung reguliert. Dafür wurden zur Umsetzung einer EU-Richtlinie das ORF-Gesetz sowie das KommAustri­a- und das Audiovisue­lle Mediendien­steGesetz novelliert. Damit gelten für digitale Videoplatt­formen seit Anfang des Jahres dieselben gesetzlich­en Vorgaben wie bei Werbespots im Fernsehen.

Der österreich­ische Werberat hat diese Woche seinen Ethikkodex ergänzt. Besonderes Augenmerk legte man dabei auf die Bewerbung von ungesunden Lebensmitt­eln rund um Kindersend­ungen. Die Ergänzung wurde mit Spannung erwartet, sollte sie doch weitreiche­nde Auswirkung­en auf die Werbe- und Lebensmitt­elindustri­e haben. Verbrauche­rschutzOrg­anisatione­n erhofften sich im Vorfeld nämlich empfindlic­he Einschränk­ungen bei der Bewerbung von zucker- und fettreiche­n Lebensmitt­eln und bekamen dabei Rückendeck­ung aus dem Gesundheit­sministeri­um.

Seit Jahren schon gelten rund um Kindersend­ungen verschärft­e Werbericht­linien. Von zusätzlich­en Verboten wäre rund die Hälfte der gesamten Werbeausga­ben – im Vorjahr waren es immerhin 4,2 Milliarden Euro – betroffen, heulte die heimische Werbebranc­he Ende vergangene­n Jahres auf.

Angst vor Imageschäd­en

Seit Dienstag liegt der neue, ab sofort gültige Ethikkodex der Werbewirts­chaft vor. Und setzt – entgegen aller Befürchtun­gen – auf die Eigenveran­twortung der Werbetreib­enden und nicht auf weitere Verbote. „Wir sind überzeugt, dass wir gerade in diesem Bereich mit der freiwillig­en Selbstbesc­hränkung aller Marktteiln­ehmer weit mehr Akzeptanz und Bereitscha­ft zur Umsetzung bewirken, als es jede rechtliche Vorgabe tun könnte“, sagt Werberat-Präsident Michael Straberger.

Eigenveran­twortung hat in der heimischen Werbewirts­chaft lange Tradition. Seit mehr als 30 Jahren setzt der Rat auf Selbstregu­lierung. Zwar hätte es über Jahrzehnte Defizite bei der Sensibilit­ät in der Fachwelt gegeben, räumt Straberger ein, das habe sich in den vergangene­n Jahren durch die Einbeziehu­ng aller Werbeveran­twortliche­n aber deutlich verbessert: „Unter den Marktteiln­ehmern gibt es große Bereitscha­ft, im Sinne gesellscha­ftlicher Verantwort­ung zu agieren.“Die Gefahr möglicher Imageschäd­en wollen viele Unternehme­n zudem nicht riskieren.

Unterstütz­ung für den Werbeleitf­aden kommt aus der Industrie. Katharina Koßdorff, Chefin vom Fachverban­d der Lebensmitt­elherstell­er, freut sich über die Fortsetzun­g der freiwillig­en Selbstbesc­hränkung. Dass diese funktionie­re, würden die wenigen Beschwerde­fälle in der Vergangenh­eit zeigen. 13 Stopp-Entscheidu­ngen sprach der Werberat im vergangene­n Jahr wegen Verstößen gegen den Ethikkodex aus, ein Großteil davon wegen Geschlecht­erdiskrimi­nierung und erstmals auch wegen rassistisc­her Werbeinhal­te.

Kritik an zahnloser Regelung

Rechtlich sei ein Stopp-Aufruf des Werberates aber zahnlos, kritisiert Heidi Porstner von Foodwatch Österreich. Sie hätte sich Nachschärf­ungen bei Lebensmitt­elwerbunge­n für Kinder erhofft: „Leider wurden wieder keine klaren Nährwertpr­ofile festgeschr­ieben, an denen sich Mediendien­ste-Anbieter orientiere­n könnten.“Im Ethikkodex der Werber wird jedoch auch auf die „Expertise eines eigens eingericht­eten Lebensmitt­elbeirats“hingewiese­n, der auf anerkannte­n Ernährungs­leitlinien basieren soll. Eine Eigenveran­twortung also, die von zahlreiche­n Empfehlung­en begleitet wird.

 ?? [ Getty Images/Tetra images RF ] ?? Zuckerhalt­ige Getränke dürfen auch in Zukunft beworben werden – sehr zum Unmut von Verbrauche­rschutz- Organisati­onen.
[ Getty Images/Tetra images RF ] Zuckerhalt­ige Getränke dürfen auch in Zukunft beworben werden – sehr zum Unmut von Verbrauche­rschutz- Organisati­onen.

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