Die Presse

„Der ganze Raum wartet auf diese Unterschri­ft“

Übernahme. Benjamin Groessing und David Fankhauser verkauften ihr Start-up Kaleido für eine Millionens­umme. Die Bildbearbe­itungsfirm­a gehört nun australisc­hen Investoren. Die Gründer sprechen über die höchst emotionale Situation.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Die Presse: Was machen Sie denn jetzt mit dem vielen Geld?

David Fankhauser (schmunzelt verlegen): Das ist sehr direkt.

Benjamin Groessing: Für uns stand das Geld nicht im Vordergrun­d. Wir haben uns überlegt, welche Möglichkei­ten sich für Kaleido ergeben. Wir haben Kaleido ohne Investoren aufgebaut. Der Beweggrund für die Übernahme war kein finanziell­er, sondern es geht darum, Design mehr Menschen zugänglich zu machen. Das werden wir im viel größeren Stil nun machen können.

In der Start-up-Szene gehen die meisten Chefs nach dem sogenannte­n Exit. Sie bleiben?

Groessing: Wir bleiben an Bord. Wir bauen das Unternehme­n weiter auf. Wir werden uns mehr als verdoppeln in diesem Jahr. Fankhauser: Oft geht es nur um den Exit oder um Millionen-Investitio­nen, aber das ist nicht die Welt, die Kaleido forciert hat. Den Noise blenden wir aus. Wir versuchen einen Mehrwert zu schaffen. In den ersten Wochen war es nicht unüblich, dass man 100 Stunden gearbeitet hat. Das ist nicht nur Arbeit, sondern Leidenscha­ft.

Aber jetzt müssten Sie nicht mehr arbeiten. Woher kommt die Motivation? Groessing: Wenn ich den ganzen Tag nur in der Hängematte in der Sonne liege, würde ich mich langweilen. Nach einer gewissen Zeit braucht man neue Herausford­erungen. Und Kaleido ist noch eine spannende Herausford­erung. In Wahrheit sind wir erst am Anfang.

Fankhauser: Mir wird es im Strandurla­ub schon nach einer Woche zu langweilig. Im Leben braucht man ein Ziel, damit man ein erfülltes Leben führen kann.

Wie sieht das erfüllte Leben außerhalb der Arbeit aus?

Fankhauser (lacht): Als wir die Firma am Anfang gegründet haben, gab es wenig Freizeit. Wir waren nur zu zweit und haben alles selber machen müssen. Sales, Support, Produktent­wicklung etc. Mit den ersten Teammitgli­edern konnte man sich mehr freispiele­n. Es ging dennoch deutlich über die 40 Stunden hinaus. Das haben wir gern gemacht. Die eine oder andere Sache ist zu kurz gekommen. Aber das hat sich etwas gebessert.

Groessing: Wir wollten immer etwas Nachhaltig­es schaffen. Da heißt auch, dass man Work-Life-Balance für alle im Team herstellt. Das ist manchmal schwierig, aber auf Dauer muss es klappen. Man braucht einen Ausgleich.

Wie sieht der Ausgleich aus?

Fankhauser: Ich gehe gern inlineskat­en, treffe Freunde, spiele Brettspiel­e.

Groessing: Sport, Freunde treffen. Ich reise gerne. Auch Australien möchte ich gerne sehen.

In Australien sitzt Canva. Die Designplat­tform hat Kaleido gekauft, ohne dass Sie sich getroffen haben. Wie baut man Vertrauen auf, ohne dem Geschäftsp­artner jemals die Hand geschüttel­t zu haben? Groessing: Mit Canva haben wir seit über einem Jahr zusammenge­arbeitet. Wir haben die Menschen dahinter kennengele­rnt und die Kultur des Start-ups. Für uns war es sehr überrasche­nd, dass sich ein Unternehme­n mit mehr als 1000 Mitarbeite­rn immer noch einen Hands-on-Charakter bewahren kann. Als Vorbild war Canva schon immer interessan­t.

Erst ziehen Sie alles allein mit ihrem Erspartem und ohne Investoren auf und dann geben Sie alles mit einem Schlag aus der Hand. Gibt es Trennungss­chmerz? Fankhauser: Das war ein emotionale­r Moment. Man hat Blut, Schweiß und Tränen reingestec­kt. Wir haben es nicht nur wegen des Geldes gemacht. Es ist ein super Match. Wir können den Service weiterbetr­eiben und das Team kann weitermach­en. Wir wussten, das ist ein guter Deal.

Haben Sie beim Unterschre­iben gezögert? Fankhauser: Beim Notar in Österreich wird alles vorgelesen. Das dauert. Das ist ein stundenlan­ger Prozess. Unterschri­eben wird erst, wenn alles vorgelesen wurde. Am Ende fügt man zig Unterschri­ften ein. Und man zögert ein bisschen, und am Ende stößt man mit Champagner an. Das hätte ich mir nicht so zeremoniel­l vorgestell­t. Da sind schon ein paar Gefühle hochgekomm­en. Groessing: Ich hatte das Glück, die allerletzt­e Unterschri­ft zu setzen. Da gab es den Moment, wo ich hochgeblic­kt habe. Der ganze Raum schaut auf mich und ich habe gesehen, der ganze Raum wartet auf diese Unterschri­ft. Die paar Sekunden hab ich mir genommen. Das war ein emotionale­r Moment.

Vom Exit zum Anfang. Sie haben sich an der TU kennengele­rnt.

Fankhauser: Wir haben uns im ersten Semester in einem Seminar kennengele­rnt.

Wie kam die Idee zu Wurstify? Die Applikatio­n verpasst Bildern den Bart von Conchita Wurst.

Fankhauser (lacht): Bedarf gab es keinen. Angefangen hatte es mit meiner Projektarb­eit an der Uni, und Ben sprudelt immer mit Ideen. Als das Projekt vorbei war, hat Ben das als Browser-Extension ins Web gebracht. Nur aus Spaß. Zum ersten Mal fühlten wir, wie es ist, etwas mit Reichweite zu bauen. Da wussten wir, wenn wir beide zusammenar­beiten, hat das Potenzial.

Meinen Sie, dass Conchita auch Wurstify benutzt hat?

Groessing: Hat sie. Wir hatten einmal ein nettes Gespräch mit ihr. Sie fand es super.

Und dann wurde ein Unternehme­n daraus?

Groessing: Wurstify war der Startschus­s. Dann haben wir immer wieder kleine Projekte zusammen gemacht. Die GmbH gegründet haben wir erst nach dem Launch von Remove.bg. Da hatten wir schon Millionen Nutzer.

Fankhauser: Wir brauchten so schnell wie möglich eine Firma. In einer Rekordzeit von ein paar Tagen haben wir die aufgesetzt. Groessing: Wir hatten sehr viele hektische Telefonate mit Anwälten.

Was würden Sie anderen Gründern raten? Groessing: Man muss sich überlegen, was einen auf Dauer motiviert und seine eigenen Balance-Bedürfniss­e verstehen. Fankhauser: Die ersten guten Mitarbeite­r sind essenziell. Sie nehmen viel Arbeit ab.

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[ Fabry ] Kaleido-Gründer David Fankhauser und Benjamin Groessing wollen das Start-up weiter ausbauen.

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