Nächste Runde im Streit um Betriebspensionen
Casinos Austria. Die Kürzung von Betriebspensionen empört die Betroffenen – und könnte Beispielswirkung für andere Unternehmen haben. Aber kann das überhaupt rechtens sein? Darüber soll nun die Finanzmarktaufsicht Klarheit schaffen.
wien. Die Hunderten Pensionisten der Casinos Austria (Casag), denen der Glücksspielkonzern im Vorjahr die Kürzung ihrer Betriebspensionen um 30 Prozent angekündigt und ab Juli auch umgesetzt hat, geben nicht auf. Ihr Kampf geht an mehreren Fronten in die nächste Runde. Und dabei geht es um viel Geld – ein Pensionist verliert im Schnitt einen hohen fünfstelligen Eurobetrag. Verfahren laufen dazu in Wien, Vorarlberg und Kärnten, wo am Freitag weiterverhandelt wird.
Einen wesentlichen Schritt macht nun der Wiener Arbeitsrechtsspezialist Roland Gerlach, der rund 200 Casag-Pensionisten vertritt. Er nimmt die Valida-Pensionskasse und in einem weiteren Schritt die Finanzmarktaufsicht (FMA) – als Aufsichtsorgan der Pensionskassen – zu einer Klarstellung in die Pflicht.
„Der Ausgang des Verfahrens ist richtungsweisend für alle Betriebspensionen in Österreich“, sagt Gerlach zur „Presse“. Denn viele Unternehmen seien durch die Coronakrise stark unter Druck geraten, manche seien schon vorher nicht sehr gut dagestanden. Diese würden ebenso eine Kürzung der Firmenpensionen in Erwägung ziehen. Das könne man als Generalangriff auf die zweite Säule der Altersversorgung (neben der staatlichen und der privaten Vorsorge) sehen.
Kann Kürzung rechtens sein?
Derzeit haben rund 950.000 Menschen in Österreich einen Anspruch auf eine Firmenpension. Die acht betrieblichen Vorsorgekassen haben 2019 – aus diesem Jahr stammen die letzten verfügbaren Daten – insgesamt ein Vermögen von 13,304 Milliarden Euro verwaltet, wobei darin auch der große Brocken der „Abfertigung neu“enthalten ist.
Kern der Auseinandersetzung bei der Casag ist die Frage, ob die Kürzung rechtens ist. Ja, sagt der Konzern und begründet dies mit der schwierigen Situation auf den Kapitalmärkten, der Nullzinspolitik, der höheren Lebenserwartung und vor allem der von der Coronapandemie verursachten schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Dazu wurde bereits ein rigoroser Sparkurs mit einem Stellenabbau eingeleitet. Die Zusatzpensionen werden großteils aus der sogenannten Cagnotte finanziert, den Trinkgeldern, die es jetzt wegen der Schließung der Spielbanken nicht gibt.
Nein, sagt hingegen Gerlach, weil ein Eingriff in das bei der Pensionskasse komplett eingezahlte Deckungskapital ebenso wenig statthaft sei wie ein Eingriff in die einst direkt aus dem Unterstützungsfonds zugesagten und ausgezahlten Pensionen.
Das Betriebspensionssystem der Casag ist äußerst komplex, weshalb ein Blick in die Vergangenheit lohnt. Es gibt mehrere „Arten“von Pensionen, die zudem aus verschiedenen Quellen (u. a. Eintritts- und Trinkgelder sowie direkte Unterstützung) gespeist werden.
Zwei unterschiedliche Systeme
Im Wesentlichen gibt es zwei große Gruppen von Pensionisten: Mitarbeiter, die vor 1952 geboren wurden, erhielten eine direkte Zusage aus der sogenannten Unterstützungseinrichtung. Diese war ursprünglich als Hilfe für Kriegswitwen und -waisen gedacht. Auf diese Gruppe zielt die eine Musterklage von Gerlach, aber auch das Verfahren in Vorarlberg.
Dort, am Landesgericht Feldkirch, gab es vor Kurzem schon ein erstinstanzliches Urteil: Nicht die Casag, sondern die Unterstützungseinrichtung sei zu klagen gewesen, heißt es darin. Das Verfahren geht nun zum Oberlandesgericht Innsbruck, und von dort, so ist Gerlach sicher, zum OGH. Deshalb wurde das Verfahren über Gerlachs entsprechende Musterklage unterbrochen, bis in Vorarlberg eine Entscheidung gefallen ist. Das wurde bei der ersten Tagsatzung am Wiener Handelsgericht am 16. Februar festgelegt.
Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um jene Mitarbeiter, die nach 1952 geboren sind. Für sie hat die Casag das komplette Deckungskapital ausfinanziert und an die Valida-Pensionskasse übertragen. Das sind im Schnitt 250.000 Euro pro Berechtigtem. Bei einem angenommenen Tod mit 85 Jahren und einer Verzinsung von 5,5 Prozent entspricht das einer monatlichen Auszahlung von rund 1350 Euro. Die Casag will in diese bestehenden Vereinbarungen eingreifen.
Das gehe schon gar nicht, argumentiert Gerlach und beruft sich auf eine aktuelle Stellungnahme der FMA vom Dezember 2020 an die VBV-Pensionskasse. Dabei ging es um einen ähnlich gelagerten Fall – Pensionskürzungen bei einem anderen österreichischen Großunternehmen. In dem der „Presse“vorliegenden Schreiben heißt es: „Jedenfalls unzulässig ist aus aufsichtsrechtlicher Sicht der FMA hingegen eine Kürzung der Deckungsrückstellung.“
Die FMA schreibt aber auch, dass „die abschließende rechtliche Beurteilung der Frage der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit den dafür zuständigen Zivilgerichten“obliegt. Noch komplizierter wird die Sache freilich dadurch, dass Valida und VBV über ihre Anwälte auf Nachfrage Gerlachs haben wissen lassen, dass die Situation bei der Casag eine andere, nämlich außergewöhnlich, sei. Die Begründung dazu sei allerdings unzureichend geblieben.
Fragen an die FMA
Das will Rechtsanwalt Gerlach nun genau wissen. Anfang März wird er die Valida und die VBV um Aufklärung bitten, auf welcher Grundlage sie die Kürzung der Pensionsauszahlungen ab Juli 2020 vornimmt. In einem zweiten Schritt ist geplant, an die FMA heranzutreten: „Wir wollen eine detaillierte Erklärung, ob auch aus Sicht der FMA bei der Casag etwas anders ist als bei anderen Unternehmen.“
Gerlach geht davon aus, dass er noch vor dem Sommer Antworten bekommen wird. Seine zweite diesbezügliche Musterklage ist nun drei Monate ruhend gestellt. „Es stellt sich die Frage, ob die FMA diesbezüglich auch einen Feststellungsbescheid erlassen könnte.“
Aber unabhängig davon, wie die Stellungnahmen ausfallen: „Ich halte die Musterklagen aufrecht“, betont der Anwalt. Denn im Hinblick auf alle Betriebspensionen müsse es ein Interesse aller Beteiligten – Unternehmen, Pensionskassen und Anspruchsberechtigte – an einer endgültigen Klärung geben. Für die Pensionskassen sollte eine Lösung von essenziellem wirtschaftlichen Interesse sein, weil ihr Geschäftsmodell davon unmittelbar betroffen sei.