Universitäten bauen, die in der Welt Aufsehen erregen
Gast beitrag. Die Novelle zum Universität sorganisationsg es etz bietet Chancen für ein eigenständiges österreichisches Universitäts system.
Universitäten haben eine hohe Verantwortung bei der Weiterentwicklung der Gesellschaft, sie sind „Zentren gesellschaftlicher Vergewisserung“. Es ist daher von großer Bedeutung, wie sie organisiert sind und welcher Philosophie diese Organisiertheit folgt.
Das Ausrichten auf den wirtschaftlichen Erfolg hat an Universitäten in den letzten Jahren zur Auslagerung all dessen geführt, was die Wissenschaft mit der Gesellschaft verbindet. Der Globalisierung wurden bei den Inhalten der unterschiedlichen Wissenschaften Themenbereiche geopfert, die international keine Anschlussfähigkeit hatten. Regionale Themen der Gesellschaft sind damit verloren gegangen.
Ein Passus in der Novelle zum Universitätsorganisationsgesetz 2002, deren Begutachtungsfrist gerade zu Ende gegangen ist, fällt auf, weil er erstmals die Möglichkeit einer Organisation für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Universitäten schafft. Damit ergibt sich die Chance, ein eigenständiges österreichisches Universitätssystem zu kreieren, das die Möglichkeiten, die durch den Digitalisierungsboom entstehen, inhaltlich neu befüllen könnte; eine „Vernetzungsphilosophie“würde damit die bisherige Philosophie des Wettbewerbs „alle gegen alle“in Form des New-Public-Managements ersetzen.
Ein Ende von „alle gegen alle“
Voraussetzung für ein Gelingen dieses neuen Ansatzes wäre allerdings die Zunahme von Offenheit, Modularität und Subsidiarität im Sinne resilienter Systeme. Damit könnten die Universitäten ihren Platz zwischen Staat und Markt nicht nur neu definieren, sondern zum innovativen Ideengeber für beide werden und gleichzeitig ihre wichtige Rolle für die Gesellschaft ausüben.
Die Gestaltung der Idee der Universität als gesellschaftspolitisches Zentrum – diese Position wird gerade in den vergangenen Monaten krisenbedingt wieder stärker wahrnehmbar – hieße aus dem Schatten des Nachahmens nicht passender internationaler Modelle herauszukommen und ein eigenes starkes Universitätssystem zu entwickeln.
Dazu bedarf es der kritischen Auseinandersetzung mit der bisherigen Entwicklung: Muss Österreich seine größte Universität, die Universität Wien, wirklich ähnlichen Universitäten in Europa als reine „Forschungsuniversität“nachbauen? Dafür gibt es bereits eine höchst erfolgreiche Forschungseinrichtung – nämlich das IST Austria. Darüber hinaus versucht man diesen „Nachbau“auf der Grundlage des alten
Beschleunigungsgesetzes – mehr Geld und mehr Personen – zu bewerkstelligen.
Dabei lässt man weitestgehend außer Acht, dass sich aufgrund der Digitalisierung längst das neue Beschleunigungsgesetz der „kombinatorischen Innovation“durchgesetzt hat. Dieser Zugang scheint gerade für kleinere Staaten höchst aktuell zu sein: die Schaffung eines neuen Ökosystems der Transparenz und Flexibilität für alle relevanten Bereiche in der Forschung, in der Lehre und im Austausch mit der Gesellschaft, das zu einer „kombinatorischen Intelligenz“führen kann.
Wille zur Zusammenarbeit
Es wäre daher weitaus sinnvoller, das sehr ausdifferenzierte österreichische Universitätssystem in seiner Ausdiffenziertheit weiter auszubauen, es aber gleichzeitig besser zu vernetzen: von der weltweit erfolgreichen Montanuniversität über die Universität für Bodenkultur bis hin zu den Kunstuniversitäten. Österreich sollte versuchen, Universitäten auf- und weiterzubauen, die international Aufsehen erregen. Dazu bedürfte es allerdings des Willens der Zusammenarbeit aller Universitäten, die schließlich einen gemeinsamen Finanzier haben: Zwölf Milliarden Euro sind sie momentan der österreichischen Gesellschaft wert, die in Zukunft von den einzelnen Universitäten hin zur Förderung der Netzwerke verschoben werden müssten. Dazu brauchten sie auch eigene, selbst organisierte Governance-Strukturen.
Solche Kooperationsstrukturen bestehen bereits auf universitärer Ebene, wie das Beispiel BioTechMed, eine gemeinsame Einrichtung der drei Grazer Universitäten (leider ohne Kunstuniversität), zeigt. Es bestehen auch schon inhaltliche Kooperationsstrukturen auf der Ebene von einzelnen Forschern oder Forschungsgruppen. Diese basieren allerdings vornehmlich auf persönlichen Kontakten und darauf aufgebauten Netzwerken („individualisierte Vernetzung). Wissenschaftler legen ihre jeweiligen Ressourcen zusammen, weil sie sich davon einen höheren Nutzen bzw. mehr Outcome versprechen.
Über diese Netzwerke hinaus bedürfte es aber der dringenden Einbindung der Gesellschaft durch das Einbeziehen oder Fördern von Commons („Wissensallmende“). Wie bei der „klassischen Allmende“im bäuerlichen Bereich zur Nutzung gemeinsamen Grund und Bodens zielen diese Commons darauf ab, dass Wissen von möglichst vielen Leuten genutzt wird: Je mehr Menschen Wissen nutzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus Wissen Innovationen, neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln und dass neues Wissen aus existierendem entsteht. Dieses Modell geht davon aus, dass eine breite Vernetzung mit der Gesellschaft Forschungsfragen und Lösungsansätze generiert, die durch die Verengung auf die „reine Forschung“nicht erzielt werden können. Gleichzeitig wäre damit eine Einbindung der Gesellschaft auf „Augenhöhe“gewährleistet, die alle Versuche im Rahmen der Third Mission nicht zustande bringen. Hier dominieren die „wissenden Experten“, die eine gewisse Zahl von Bürgern als Unterstützung ihrer Forschung benötigen.
Kontakt mit der Gesellschaft
Das Einbinden der Gesellschaft durch die Wissenschaften und die Künste an den Kunstuniversitäten könnte helfen, Unverständnis oder gar Feindseligkeit gegenüber medizinischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu verhindern. Diese entsteht nämlich durch das Unvermögen, im ständigen Kontakt mit der Gesellschaft Vertrauen zu generieren. Das mag in einer „Forschungsuniversität“als lästige Zeitverschwendung betrachtet werden, demokratiepolitisch aber zu den wichtigsten Aufgaben einer Universität zählen.
Eine neue, umfassende – vielleicht sogar virtuelle – „Institution Universität“, ausgestattet mit einer Satzung, die ökonomische, soziale, ökologische und demokratische Ziele explizit als gleichberechtigt formulierte, könnte zum Mittelpunkt der Gesellschaft werden: als Wissensproduzent im selbstbewussten Selbstverständnis eines gesellschaftlichen Auftrags und ihrer Verantwortung für diese Gesellschaft.
Hintergrund: Mit der größten Novelle des Universitätsgesetzes (UG) seit Inkrafttreten 2002 soll an zahlreichen Details des Regelwerks gedreht werden – das betrifft alle zentralen Bereiche von Studien- über Organisations- bis zum Personalrecht.