Ein Stadl voller Intrigen
Posten. Nach 15 Jahren an der Spitze der Österreich Werbung muss Petra Stolba gehen. Warum? Gravierend Negatives hört man über sie nicht. Aber die neue Ausschreibung spricht Bände.
ECONOMIST
„Kordikonomy“:
Die Österreich Werbung sucht eine neue Spitze.
In Österreich ist die Tourismusbranche ganz offensichtlich eine Schlangengrube. Ein Rundruf der „Presse“in den vergangenen Tagen zeigt das recht deutlich: Alle sind entsetzt – aber zitieren will sich niemand lassen. Sicher ist sicher. Die Meldung von neulich hat jedenfalls wie der berühmte Blitz eingeschlagen: Petra Stolba, seit 2006 Chefin der Österreich Werbung, wird nach drei Funktionsperioden im Herbst gehen. Es sei „Zeit, den Staffelstab weiterzureichen“, teilte sie vor wenigen Tagen mit. Und: Sie habe Tourismusministerin Elisabeth Köstinger bereits darüber informiert. Nun ja, das nennt man wohl einen eleganten Abgang. Denn der Abschied ist keinesfalls so freiwillig, wie Stolba gutmütig glauben macht. Und also musste Köstinger davon natürlich nicht extra informiert werden.
Köstingers Ministerium muss den Posten ausschreiben, weil Stolbas Funktionsperiode abläuft – so sieht es das Stellenbesetzungsgesetz vor. Zweimal wurde Stolbas Vertrag nach jeweils fünf Jahren Tätigkeit verlängert. Anfang Februar wurde der Posten neuerlich ausgeschrieben. Doch der langjährigen ÖW-Chefin wurde diesmal nahegelegt, dass eine nochmalige Bewerbung ihrerseits nicht erwünscht sei. Von wem? Vom Ministerium? Ein Sprecher dementiert energisch, doch das Gerücht hält sich hartnäckig. In der Branche herrscht Bestürzung. Ein Touristiker bringt es auf den Punkt: „Das heurige und das nächste Jahr werden für den Tourismus Wiederaufbaujahre sein“, sagt er, „warum wechselt man das Boot mitten im Wasserfall?“
Ja, warum? Gut, der Chefsessel in der Österreich Werbung ist ein denkbar undankbarer. Da macht man sich nicht unbedingt Freunde. Das liegt schon einmal an den strukturellen Gegebenheiten: Österreichs Tourismus ist föderalistisch organisiert. So ziemlich jede Gemeinde hat ihr Tourismusbüro, gleichsam als verlängerten Arm des Bürgermeisters. Es gibt Landestourismusverbände, es gibt Landeshauptleute. Da reden also viele mit. Und jeder weiß es natürlich besser. Die Österreich Werbung als bundesweite Organisation für Tourismusmarketing ist da quasi als gemeinsame Plattform darübergestülpt. Als Deckel eines Druckkochtopfs, in dem es gewaltig brodelt.
Gemeinsame Strategiebesprechungen waren so etwas wie ein Kindergeburtstag – vorausgesetzt, dass ein solcher als höchst nervenaufreibend und turbulent empfunden wird. Teilnehmer berichten von Eifersüchteleien („Welcher Berg kommt in der Werbekampagne vor?“) und Machtspielen. „Petra Stolba saß da vornehmlich Männern gegenüber, die in ihrer eigenen Wahrnehmung SechzehnEnder waren“, erzählt einer. Und er ergänzt: „Die sind oft sehr untergriffig mit ihr umgegangen. In jedem Privatunternehmen hätte das die Complianceabteilung auf den Plan gerufen.“
Doch die Österreich Werbung ist kein Privatunternehmen. 25 Prozent des Jahresbudgets von rund 32 Millionen Euro werden von der Wirtschaftskammer finanziert. 75 Prozent vom zuständigen Ministerium. Das war viele Jahre lang das Wirtschaftsministerium, mittlerweile ist es das Ministerium von Elisabeth Köstinger. Veränderungen gab es aber auch bei den ÖWFinanciers: Bis 2001 waren das auch die Bundesländer, die wollten aber dann nicht mehr. Man sieht also ganz gut: Streit hat rund um die ÖW bereits so etwas wie Tradition. Man denke nur an die Aufregung um die Pinguine, mit denen im Ausland für Österreich geworben worden ist. Das freilich ereignete sich unter Stolbas Vorgänger Arthur Oberascher.
Und Petra Stolba? Da fällt niemandem wirklich Handfestes ein, das man ihr zum Vorwurf machen könnte. „Sie war immer eine wichtige strategische Partnerin der Landesorganisationen“, sagt Petra Nocker-Schwarzenbacher. Die Eigentümerin eines Hotels in St. Johann im Pongau ist übrigens die Einzige, die sich zitieren lässt. Aber sie hat auch nicht mehr sonderlich viel zu verlieren: NockerSchwarzenbacher wurde 2020 ähnlich plötzlich und unerwartet als Obfrau der Sparte Tourismus in der Wirtschaftskammer abgelöst.
Egal. Namensvetterin Petra Stolba muss sich jetzt, da sie geht, kaum Kritik gefallen lassen. Allenfalls, dass der Draht zu den Tourismusbetrieben ausbaufähig gewesen sei, die Digitalisierung ebenfalls. Die Österreich Werbung selbst scheint sie nicht so schlecht geführt zu haben: Vor Jahren hatte der Rechnungshof die ÖW unter die Lupe genommen, 2011 folgte der Follow-up-Bericht. Darin wurde konstatiert, dass von seinerzeit 13 Empfehlungen elf umgesetzt worden seien, die restlichen zwei teilweise. Und auch ein neues Strategiekonzept, das Stolba unlängst für die ÖW präsentierte, wurde von Wirtschaftskammer und Ministerium wohlwollend aufgenommen. Es sieht eine geänderte Kommunikationsstrategie und forcierte Digitalisierung vor.
War es vielleicht so, dass Stolba mehr oder weniger als Schuldige für das Coronadesaster herhalten muss, wie ein Branchenkollege mutmaßt? Man weiß es nicht. Stolba will mit der „Presse“nicht reden. Und ein Köstinger-Sprecher betont, dass die Zusammenarbeit mit Stolba „exzellent“gewesen sei. Ein Mysterium.
Probleme zwischen Köstinger und Stolba hat tatsächlich keiner der Branchenvertreter beobachtet. Im Gegenteil, eigentlich. Köstinger hat die frühere ÖW-Sprecherin Ulrike RauchKeschmann in das Ministerium geholt und sie zur Sektionschefin für Tourismus und Regionalpolitik gemacht. Das sahen viele Beobachter damals als Beweis für einen guten Draht zwischen Ministerium und ÖW. Doch Stolba gehörte auch nach dieser Rochade nie zum „inner circle“der Tourismusministerin. Diese habe andere Einflüsterer, wird erzählt. Nämlich WKO-Vizepräsidentin Martha Schultz, die auch im Präsidium der ÖW sitzt, Seilbahn-Chef Franz Hörl und Sacher-Chef Matthias Winkler – dessen Schwiegermutter, Elisabeth Gürtler, ebenfalls im ÖW-Präsidium vertreten ist.
Aber ist das fehlende enge Verhältnis zur Tourismusministerin eine ausreichende Erklärung dafür, dass Stolba an der ÖW-Spitze nicht mehr erwünscht ist? Oder ist es vielmehr so, wie einige mutmaßen, dass Köstinger oder die WKO bloß „frischen Wind“in der Österreich Werbung wolle? Jemand Jüngeren, der der mittlerweile türkisen ÖVP besser zu Gesicht steht?
Der Text der bis 8. März laufenden Ausschreibung ist jedenfalls einigermaßen seltsam. Da wird per 1. November 2021 ein Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin der international agierenden Österreich Werbung gesucht. Punkt eins der Anforderungen lautet: „Matura und abgeschlossene wirtschaftliche oder touristische Ausbildung“. Matura? Das ist nicht unbedingt „State of the Art“bei Ausschreibungen. In der Branche (und wohl nicht nur dort) wundert man sich. Auch über die Formulierung: „Mehrjährige Führungserfahrung im Tourismus, an internationalen Standorten von Vorteil“. Ist die Ausschreibung gar auf eine bestimmte Person zugeschnitten?
Das wäre nicht sonderlich überraschend. Immerhin ist der Job der ÖW-Geschäftsführung ein durchaus attraktiver. Laut jüngsten Erhebungen des Rechnungshofs ist er mit einem Salär von rund 250.000 Euro pro Jahr dotiert. Und, ganz ehrlich: Die Besetzung der ÖW-Spitze war immer schon eine politische. 2006 – damals war Martin Bartenstein ÖVP-Wirtschaftsminister – berichteten Medien online über die Bestellung von Petra Stolba.
Oops. Da war das Hearing der anderen Kandidaten noch voll im Gange.