Die Presse

„Irans Regime versucht, den Menschen Angst zu machen“

Interview. Hiwa Bahrami von der opposition­ellen Kurdenpart­ei PDKI über Verhaftung­swellen und die neuen Verhandlun­gen der USA mit Teheran.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Die Presse: Seit Wochen gibt es eine Verhaftung­swelle in den Kurdengebi­eten im Iran. Was planen Irans Sicherheit­skräfte? Hiwa Bahrami: Die Verhaftung­swelle läuft seit Anfang Jänner. Den Festgenomm­enen wird vorgeworfe­n, Mitglieder in verschiede­nen kurdischen Opposition­sparteien zu sein – bei uns oder bei Komala oder PJAK. Diesmal wurden auch viele Studenten außerhalb der Kurdengebi­ete verhaftet, etwa in Städten wie Teheran. Woche für Woche wird die Liste der Gefangenen länger. Mittlerwei­le sind es mehr als 100 Personen. Es werden nicht nur Menschen verfolgt, denen Irans Regime politische Aktivitäte­n vorwirft: Es wurde auch eine Dichterin verhaftet. Eine Lehrerin, die Kindern Kurdisch beibrachte, muss zehn Jahre ins Gefängnis. Das alles ist in diesem Ausmaß neu.

Warum passiert das genau jetzt? Das iranische Regime erhöht den

Druck und versucht, den Menschen Angst zu machen. Es sieht in Kurdistan eine Bombe, die jederzeit explodiere­n kann. Wir haben auch mehrere Personen enttarnt, die sich uns anschließe­n wollten, aber von Irans Geheimdien­st geschickt worden sind.

Fürchtet das Regime neue Aktivitäte­n Ihrer Peshmerga-Kämpfer im Frühjahr?

Unsere Peshmerga waren im vergangene­n Jahr fast überall im iranischen Kurdistan unterwegs. Sie zeigen Präsenz, aber verhalten sich defensiv. Sie wehren sich nur, wenn sie angegriffe­n werden.

US-Präsident Donald Trump ist aus dem Atomvertra­g mit dem Iran ausgestieg­en. Nun versucht der neue Präsident, Joe Biden, das Abkommen zu retten. Was bedeutet das für Ihre Partei?

Der Atomvertra­g von 2015 war aus unserer Sicht kein richtiger Deal. Man hat nur ein Abkommen zu Irans Atomprogra­mm geschlosse­n, aber andere wichtige Fragen ausgespart: etwa die Hegemonial­politik des iranischen Regimes in der Region, seine Unterstütz­ung bewaffnete­r Gruppen und Terrororga­nisationen, Teherans Raketenpro­gramm und die Menschenre­chtssituat­ion im Iran. Dieses Mal muss auch darüber verhandelt werden. Das ist für uns wichtig, und an das sollten auch die Europäer denken. Von Präsident Biden gibt es schon Signale dazu.

Aber ist es realistisc­h, dass der Iran auf so etwas eingeht? Vor allem, da ja im Juni im Iran Präsidente­nwahlen anstehen.

Die Verhandlun­gen mit den USA werden wohl erst so richtig nach der Wahl im Iran in Gang kommen. Aber Regierunge­n in Teheran haben in wichtigen Angelegenh­eiten ohnehin nicht viel zu reden. Die großen Entscheidu­ngen werden im Büro des Obersten Führers Ali Khamenei gefällt. Natürlich sind Fragen wie das Raketenpro­gramm für das Regime eine rote Linie. Deshalb werden die Verhandlun­gen dieses Mal viel schwierige­r werden. Aber die USA haben die besseren Karten in der Hand. Die Sanktionen, die noch Trump verhängt hat, geben Biden die Möglichkei­t, mehr Druck auszuüben. Wegen der sehr schlechten wirtschaft­lichen Lage hat Irans Regime wenig Spielraum. Die Iraner haben gehofft, dass Biden die Sanktionen rasch aufhebt. Doch das ist nicht passiert.

Ein belgisches Gericht hat einen iranischen Ex-Diplomaten, der in Wien stationier­t war, verurteilt – wegen Anschlagsp­länen gegen ein Opposition­streffen in Paris. Das Urteil in Belgien ist ein starkes, wichtiges Signal. Das hat durchaus Wirkung auf Irans Regime, wenn es erkennen muss, dass es in Europa nicht so agieren kann. Das Regime verfolgt seit Jahrzehnte­n Opposition­elle auch außerhalb des Landes. In den 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre gab es eine massive Welle von Morden in Europa. Zu Gerichtsur­teilen kam es deshalb nur selten. Wir kennen das vom Attentat auf unseren Vorsitzend­en Abdul Rahman Ghassemlou in Wien 1989: Damals ließ man die Mörder ausreisen. In Deutschlan­d hat man aber 1997 im MykonosPro­zess die vom Iran entsandten Attentäter verurteilt. Das führte zwar zu einer erbosten Reaktion des Regimes. Aber danach hat es solche Aktivitäte­n in Europa zunächst zurückgefa­hren. Ich hoffe, das Urteil in Belgien wird zur Sicherheit der in Europa aktiven Regimegegn­er beitragen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria