Die Presse

Der Bomber vom Millerntor

Guido Burgstalle­r blieb für Schalke eine ganze Saison ohne Torerfolg. Mittlerwei­le blüht der Kärntner, 31, im Trikot des FC St. Pauli wieder auf. Über ein bemerkensw­ertes Comeback.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Dass Guido Burgstalle­r nochmals die Frage nach einer möglichen Rückkehr ins Nationalte­am gestellt bekommen würde, war vor einigen Wochen noch über die Maße unrealisti­sch. Gegenüber „Sport Bild“beantworte­te der Kärntner die Frage dieser Tage so: „Den Rücktritt aus der Nationalma­nnschaft habe ich mir genau überlegt. Einen Rückzieher wird es nicht geben.“Tatsächlic­h wäre Burgstalle­r für ÖFB–Teamchef Franco Foda zum Start ins Länderspie­ljahr Ende März wohl eine seriöse Option, weil der 31-Jährige aktuell der treffsiche­rste heimische Stürmer im Ausland ist.

Für den FC St. Pauli, dem Kultklub vom Hamburger Kiez, hat Burgstalle­r in elf Einsätzen acht Mal getroffen. Seitdem „Burgi“am 16. Jänner in der Startelf aufgelaufe­n ist, nimmt die Torserie kein Ende: Mittlerwei­le sind es sieben Spiele am Stück, in denen der Kärntner erfolgreic­h war. Burgstalle­r ist in der zweiten deutschen Bundesliga derzeit in aller Munde, muss für Medien Rede und Antwort stehen, seinen unheimlich­en Erfolgslau­f erklären.

Erzielen Stürmer Tore am Fließband, hört man immerzu die gleichen Antworten, Burgstalle­r ist dahingehen­d keine Ausnahme. Er spüre das Vertrauen des Vereins und des Trainers Timo Schultz, natürlich auch jenes der Mitspieler, die den Österreich­er im Angriffsdr­ittel kräftig mit Pässen füttern. „Das tut unheimlich gut. Ich habe wieder Spaß am Fußball.“

Bei Schalke ausgemuste­rt

Diesen Spaß hatte der 25-fache Nationalsp­ieler zwischenze­itlich verloren gehabt. Nach dreieinhal­b Jahren bei Schalke 04 wurde Burgstalle­r im September 2020 vom damaligen Trainer David Wagner aussortier­t, nachdem er in der gesamten Vorsaison in 21 Bundesliga­partien nicht getroffen hatte.

Das war ebenfalls eine bemerkensw­erte Serie, im negativen Sinn. Retrospekt­iv sagt Burgstalle­r: „Auf der einen Seite weiß man: Das Toreschieß­en habe ich in mir.

Anderersei­ts macht man sich natürlich Gedanken. Die letzten Monate auf Schalke waren eine ganz schwierige Zeit, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass so etwas passieren kann.“

Schalkes Talfahrt nahm auch nach Burgstalle­rs Abgang kein Ende, nein, sie verschärft­e sich sogar weiter. Mit neun Punkten aus 22 Spielen und nur 15 geschossen­en Toren taumelt Königsblau derzeit dem sicher scheinende­n Abstieg entgegen. Der Blick von Hamburg nach Gelsenkirc­hen schmerzt, der einstige Schalker Fanlieblin­g „leidet darunter“, wie er selbst betont.

Burgstalle­r ist ein Paradebeis­piel dafür, wie schnellleb­ig das Fußballges­chäft ist. Anfang des Jahres nicht einmal mehr eine Randnotiz wert, strahlt er jetzt als Bomber vom Millerntor, wo St. Pauli seine Heimspiele austrägt.

Hamburg „bebt“

Für gewöhnlich würde besagtes Millerntor am Montagaben­d (20.30 Uhr, live Sky) Kopf stehen, wenn St. Pauli im Stadtderby den HSV empfängt. Auch ohne Fans elektrisie­rt dieses Spiel aber die ganze Stadt, und der Underdog (Tabellen-Elfter) spekuliert gegen den finanzkräf­tigeren Spitzenrei­ter mit einer Überraschu­ng. Die Formkurve macht Mut: Während St. Pauli von den jüngsten sieben Spielen sechs gewonnen hat, ist der HSV seit drei Partien sieglos.

Die Kiez-Kicker setzen ihre Hoffnungen vor allem auf Burgstalle­r, der abseits des Rasens nicht gern im Mittelpunk­t steht. „Ja, ich fühle mich derzeit wohl, aber ich brauche Vorlagen und meine Mitspieler. Wir machen das als Mannschaft richtig gut“, bekräftigt der Routinier, der einst von Rapid via Cardiff in Wales den Sprung nach Deutschlan­d schaffte – und alle Facetten des Geschäfts kennt, auch die unangenehm­en Seiten. „Man ist schnell einmal für alle der Held – und ein paar Spiele oder Monate später ist man als Stürmer der Depp.“

Man ist schnell einmal für alle der Held. Und ein paar Spiele oder Monate später der Depp.

Guido Burgstalle­r, St. Paulis Torgarant

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[ Imago ] Setzt Guido Burgstalle­r zum Schuss an, trifft er derzeit auffällig häufig – in den jüngsten sieben Spielen acht Mal.

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