Der Bomber vom Millerntor
Guido Burgstaller blieb für Schalke eine ganze Saison ohne Torerfolg. Mittlerweile blüht der Kärntner, 31, im Trikot des FC St. Pauli wieder auf. Über ein bemerkenswertes Comeback.
Dass Guido Burgstaller nochmals die Frage nach einer möglichen Rückkehr ins Nationalteam gestellt bekommen würde, war vor einigen Wochen noch über die Maße unrealistisch. Gegenüber „Sport Bild“beantwortete der Kärntner die Frage dieser Tage so: „Den Rücktritt aus der Nationalmannschaft habe ich mir genau überlegt. Einen Rückzieher wird es nicht geben.“Tatsächlich wäre Burgstaller für ÖFB–Teamchef Franco Foda zum Start ins Länderspieljahr Ende März wohl eine seriöse Option, weil der 31-Jährige aktuell der treffsicherste heimische Stürmer im Ausland ist.
Für den FC St. Pauli, dem Kultklub vom Hamburger Kiez, hat Burgstaller in elf Einsätzen acht Mal getroffen. Seitdem „Burgi“am 16. Jänner in der Startelf aufgelaufen ist, nimmt die Torserie kein Ende: Mittlerweile sind es sieben Spiele am Stück, in denen der Kärntner erfolgreich war. Burgstaller ist in der zweiten deutschen Bundesliga derzeit in aller Munde, muss für Medien Rede und Antwort stehen, seinen unheimlichen Erfolgslauf erklären.
Erzielen Stürmer Tore am Fließband, hört man immerzu die gleichen Antworten, Burgstaller ist dahingehend keine Ausnahme. Er spüre das Vertrauen des Vereins und des Trainers Timo Schultz, natürlich auch jenes der Mitspieler, die den Österreicher im Angriffsdrittel kräftig mit Pässen füttern. „Das tut unheimlich gut. Ich habe wieder Spaß am Fußball.“
Bei Schalke ausgemustert
Diesen Spaß hatte der 25-fache Nationalspieler zwischenzeitlich verloren gehabt. Nach dreieinhalb Jahren bei Schalke 04 wurde Burgstaller im September 2020 vom damaligen Trainer David Wagner aussortiert, nachdem er in der gesamten Vorsaison in 21 Bundesligapartien nicht getroffen hatte.
Das war ebenfalls eine bemerkenswerte Serie, im negativen Sinn. Retrospektiv sagt Burgstaller: „Auf der einen Seite weiß man: Das Toreschießen habe ich in mir.
Andererseits macht man sich natürlich Gedanken. Die letzten Monate auf Schalke waren eine ganz schwierige Zeit, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass so etwas passieren kann.“
Schalkes Talfahrt nahm auch nach Burgstallers Abgang kein Ende, nein, sie verschärfte sich sogar weiter. Mit neun Punkten aus 22 Spielen und nur 15 geschossenen Toren taumelt Königsblau derzeit dem sicher scheinenden Abstieg entgegen. Der Blick von Hamburg nach Gelsenkirchen schmerzt, der einstige Schalker Fanliebling „leidet darunter“, wie er selbst betont.
Burgstaller ist ein Paradebeispiel dafür, wie schnelllebig das Fußballgeschäft ist. Anfang des Jahres nicht einmal mehr eine Randnotiz wert, strahlt er jetzt als Bomber vom Millerntor, wo St. Pauli seine Heimspiele austrägt.
Hamburg „bebt“
Für gewöhnlich würde besagtes Millerntor am Montagabend (20.30 Uhr, live Sky) Kopf stehen, wenn St. Pauli im Stadtderby den HSV empfängt. Auch ohne Fans elektrisiert dieses Spiel aber die ganze Stadt, und der Underdog (Tabellen-Elfter) spekuliert gegen den finanzkräftigeren Spitzenreiter mit einer Überraschung. Die Formkurve macht Mut: Während St. Pauli von den jüngsten sieben Spielen sechs gewonnen hat, ist der HSV seit drei Partien sieglos.
Die Kiez-Kicker setzen ihre Hoffnungen vor allem auf Burgstaller, der abseits des Rasens nicht gern im Mittelpunkt steht. „Ja, ich fühle mich derzeit wohl, aber ich brauche Vorlagen und meine Mitspieler. Wir machen das als Mannschaft richtig gut“, bekräftigt der Routinier, der einst von Rapid via Cardiff in Wales den Sprung nach Deutschland schaffte – und alle Facetten des Geschäfts kennt, auch die unangenehmen Seiten. „Man ist schnell einmal für alle der Held – und ein paar Spiele oder Monate später ist man als Stürmer der Depp.“
Man ist schnell einmal für alle der Held. Und ein paar Spiele oder Monate später der Depp.
Guido Burgstaller, St. Paulis Torgarant