Die Presse

Falsches Spiel auf dem Schanzentu­rm

Analyse. Mario Stecher liegt mit dem Protest gegen Delegierte und Jury absolut richtig.

- VON MARKKU DATLER

Mario Stecher war auch am Tag nach dem Eklat von der Normalscha­nze stinksauer. So etwas habe er noch nie gesehen, meinte der ÖSV-Direktor und ging mit der Jury erneut hart ins Gericht, die in Eigenregie und ohne Not den Anlauf vor der letzten Springerin, Marita Kramer, verkürzt hatte. Die Athletin verlor so an Konzentrat­ion, Tempo und eine als Halbzeitfü­hrende durchaus realistisc­he Medaille. Der 19-Jährigen blieb nur Blech. Die Slowenin Ema Klinec flog zu Gold.

Stecher, 43, bemühte sich, weder die nationalis­tische Karte noch die des schlechten Verlierers zu spielen. Als Verbandssp­itze aber musste er Protest einlegen. Der Olympionik­e sah „die Entscheidu­ng als grundlegen­d falsch“an. Und, daran gibt es nichts zu rütteln: Zu verantwort­en haben es zwei Slowenen, der Technische Delegierte Saso Komovec´ und JuryMitgli­ed sowie Assistent des Renndirekt­ors, Miran Tepes.ˇ

Der Steirer protestier­te – vollkommen zu Recht – nicht gegen die Wertung des Bewerbs, schließlic­h hätte Kramer auch gewinnen können, sondern gegen dieses Duo. Freilich, der Antworten und Erklärunge­n für den gesetzten Unsinn, der in der Szene auch als grobes „Foul“gilt, gibt es sonder Zahl. Wechselnde­n Wind, Sicherheit und Angst vor einer Verletzung; es klang dennoch bloß nach plumper Ausrede, denn auch im ersten Durchgang herrschten die gleichen Verhältnis­se. Bloß reagierte da keiner der beiden.

Das Schweigen der FIS

Stechers Wunsch, „dass diese Männer nie wieder oben auf dem Turm stehen“, wird sich bei der WM in Oberstdorf kaum erfüllen. Die Mühlen großer Verbände mahlen langsam. Auch werden sich die FIS-Gremien nicht die Blöße geben, bei der eigenen, ob der Lockdown-Situation ohnehin umstritten­en Veranstalt­ung Fehler einzugeste­hen. Ginge es rein nach der Regel, ist der Bewerb tatsächlic­h verfälscht worden. Bei Erreichen von 95 Prozent der Hillsize muss die Jury zusammentr­eten und über eine Verkürzung beraten. Das war jedoch in diesem zweiten Durchgang nicht der Fall.

Marita Kramer nützt all das nichts mehr. Sie bleibt die traurigste Verliereri­n von Oberstdorf.

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