Keine Hektik bei Schweizer Pharmariesen
Roche und Novartis gehören zu den größten Pharmakonzernen der Welt. In der Impfstoff-Entwicklung spielen sie keine Rolle. In der Pandemie setzen sie auf völlig verschiedene Strategien – mit unterschiedlichem Erfolg.
Vor ziemlich genau einem Jahr, als längst klar war, dass sich das Coronavirus weltweit ausbreiten würde, begannen die ersten Pharmaunternehmen damit, an einem Impfstoff gegen die Seuche zu arbeiten. Die ganze Welt verfolgte gebannt das Wettrüsten gegen das Virus. Zwei große Player fehlten aber im Geschäft der Impfstoff-Entwickler. Die Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis traten im globalen Wettlauf um das beste und am schnellsten verfügbare Vakzin gar nicht erst an. Dabei hätten die Eidgenossen durchaus die finanziellen Möglichkeiten, entscheidend ins Impfstoff-Geschäft einzusteigen. Mit einem Umsatz von 54,5 Milliarden Euro war das Basler Unternehmen Roche im Vorjahr (hinter Johnson & Johnson) der zweitgrößte Pharmakonzern der Welt. Gefolgt von Novartis, das es im Vorjahr auf einen Umsatz von immerhin 42,7 Milliarden Euro brachte und dessen Firmensitz übrigens nur wenige Hundert Meter vom Roche-Hauptquartier entfernt liegt.
Warum aber gibt es vonseiten der beiden Schweizer Pharmariesen keine Bestrebungen, einen eigenen Covid-Impfstoff zu erzeugen? Hat man es ausgerechnet in der wohl wichtigsten Phase verpasst, auf den Impfstoff-Zug aufzuspringen? „Keineswegs“, betont man gegenüber der „Presse“. Die Strategien der beiden Unternehmen sind in der Krise aber höchst unterschiedlich.
Vom Hoffnungsträger zum Flop
Dass Novartis gar nicht erst versucht hat, einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln, sei in erster Linie eine strategische Entscheidung, sagt Unternehmenssprecherin Sabine Boschetto. Die ImpfstoffEntwicklung zähle zudem nicht zu den Schwerpunkten von Novartis. „Im Bereich der Impfstoffe fehlte uns ganz klar die notwendige Größe.“2015 stießen die Schweizer ihr Impfstoffgeschäft an den britischen Pharmakonzern Glaxo Smith Kline (GSK) um insgesamt 7,1 Milliarden Dollar ab.
Den Fokus in der Bekämpfung des Coronavirus legen die Basler vor allem auf die Entwicklung von Medikamenten. Dafür schickten die Schweizer drei Kandidaten ins Rennen, die in Phase-3-Studien getestet wurden. Jedoch mit enttäuschendem Ergebnis. Eine Studie musste wegen Problemen bei der Rekrutierung vorzeitig abgebrochen werden, auch die beiden anderen lieferten negative Ergebnisse. Dabei galt das MalariaMedikament Hydroxychloroquin von Novartis-Tochter Sandoz zu Beginn der Pandemie als großer Hoffnungsträger. Die Behandlung sollte sich später jedoch als wenig wirksam erweisen. Spätestens Ende Mai des Vorjahres beendete eine Untersuchung der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“die Hoffnungen auf ein eidgenössisches Wundermittel, indem sie auf schwerwiegende Nebenwirkungen hingewiesen hatte. Auch die Behauptungen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, den Wirkstoff aus dem Hause Novartis/Sandoz als Corona-Prophylaxe einzunehmen, konnte das Medikament nicht retten.
Da sich die eigenen Bemühungen als wenig wirksam erwiesen, wechselte der Schweizer Pharmakonzern Anfang des Jahres seine Strategie. Ende Jänner verkündete Novartis, künftig Biontech und Pfizer bei der Produktion ihres Impfstoffs zu unterstützen. Die Produktion in den Novartis-Werken in Stein in der Schweiz soll im zweiten Quartal starten. Auch am Sandoz-Standort in Kundl könnten schon bald mRNA-Impfstoffe produziert werden, wie Anfang Februar bekannt wurde. Details wollte der Konzern jedoch noch nicht bekannt geben.
Roche setzt auf Test-Sparte
Konkurrent Roche setzt im Kampf gegen die Pandemie auf eine andere Strategie. Die Diagnostiksparte der Basler brachte im März 2020 den ersten Coronatest auf den Markt. Nachdem dieser sofort stark nachgefragt wurde, machte sich der Pharmariese rasch an die Entwicklung von Antikörper- und Schnelltests. Die Schweizer setzten damit auf das richtige Pferd. Die anfangs hohen Investitionen haben sich längst rentiert – die Erlöse der Diagnostiksparte wuchsen im Vorquartal um 28 Prozent. Ihre Marktmacht sicherten beide Pharmariesen auch im Coronajahr mit Milliarden-Übernahmen ab. Roche kaufte sich im Sommer 2020 um 1,7 Milliarden Dollar beim US-Krebsmittel-Hersteller Blueprint Medicines ein. Erst im Dezember kaufe Novartis die amerikanische Cadent Therapeutics für 770 Millionen Dollar und baut damit sein Geschäft bei neuropsychiatrischen Krankheiten aus.