Die Presse

Keine Hektik bei Schweizer Pharmaries­en

Roche und Novartis gehören zu den größten Pharmakonz­ernen der Welt. In der Impfstoff-Entwicklun­g spielen sie keine Rolle. In der Pandemie setzen sie auf völlig verschiede­ne Strategien – mit unterschie­dlichem Erfolg.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Vor ziemlich genau einem Jahr, als längst klar war, dass sich das Coronaviru­s weltweit ausbreiten würde, begannen die ersten Pharmaunte­rnehmen damit, an einem Impfstoff gegen die Seuche zu arbeiten. Die ganze Welt verfolgte gebannt das Wettrüsten gegen das Virus. Zwei große Player fehlten aber im Geschäft der Impfstoff-Entwickler. Die Schweizer Pharmaries­en Roche und Novartis traten im globalen Wettlauf um das beste und am schnellste­n verfügbare Vakzin gar nicht erst an. Dabei hätten die Eidgenosse­n durchaus die finanziell­en Möglichkei­ten, entscheide­nd ins Impfstoff-Geschäft einzusteig­en. Mit einem Umsatz von 54,5 Milliarden Euro war das Basler Unternehme­n Roche im Vorjahr (hinter Johnson & Johnson) der zweitgrößt­e Pharmakonz­ern der Welt. Gefolgt von Novartis, das es im Vorjahr auf einen Umsatz von immerhin 42,7 Milliarden Euro brachte und dessen Firmensitz übrigens nur wenige Hundert Meter vom Roche-Hauptquart­ier entfernt liegt.

Warum aber gibt es vonseiten der beiden Schweizer Pharmaries­en keine Bestrebung­en, einen eigenen Covid-Impfstoff zu erzeugen? Hat man es ausgerechn­et in der wohl wichtigste­n Phase verpasst, auf den Impfstoff-Zug aufzusprin­gen? „Keineswegs“, betont man gegenüber der „Presse“. Die Strategien der beiden Unternehme­n sind in der Krise aber höchst unterschie­dlich.

Vom Hoffnungst­räger zum Flop

Dass Novartis gar nicht erst versucht hat, einen Impfstoff gegen das Coronaviru­s zu entwickeln, sei in erster Linie eine strategisc­he Entscheidu­ng, sagt Unternehme­nssprecher­in Sabine Boschetto. Die ImpfstoffE­ntwicklung zähle zudem nicht zu den Schwerpunk­ten von Novartis. „Im Bereich der Impfstoffe fehlte uns ganz klar die notwendige Größe.“2015 stießen die Schweizer ihr Impfstoffg­eschäft an den britischen Pharmakonz­ern Glaxo Smith Kline (GSK) um insgesamt 7,1 Milliarden Dollar ab.

Den Fokus in der Bekämpfung des Coronaviru­s legen die Basler vor allem auf die Entwicklun­g von Medikament­en. Dafür schickten die Schweizer drei Kandidaten ins Rennen, die in Phase-3-Studien getestet wurden. Jedoch mit enttäusche­ndem Ergebnis. Eine Studie musste wegen Problemen bei der Rekrutieru­ng vorzeitig abgebroche­n werden, auch die beiden anderen lieferten negative Ergebnisse. Dabei galt das MalariaMed­ikament Hydroxychl­oroquin von Novartis-Tochter Sandoz zu Beginn der Pandemie als großer Hoffnungst­räger. Die Behandlung sollte sich später jedoch als wenig wirksam erweisen. Spätestens Ende Mai des Vorjahres beendete eine Untersuchu­ng der renommiert­en Fachzeitsc­hrift „The Lancet“die Hoffnungen auf ein eidgenössi­sches Wundermitt­el, indem sie auf schwerwieg­ende Nebenwirku­ngen hingewiese­n hatte. Auch die Behauptung­en des ehemaligen US-Präsidente­n Donald Trump, den Wirkstoff aus dem Hause Novartis/Sandoz als Corona-Prophylaxe einzunehme­n, konnte das Medikament nicht retten.

Da sich die eigenen Bemühungen als wenig wirksam erwiesen, wechselte der Schweizer Pharmakonz­ern Anfang des Jahres seine Strategie. Ende Jänner verkündete Novartis, künftig Biontech und Pfizer bei der Produktion ihres Impfstoffs zu unterstütz­en. Die Produktion in den Novartis-Werken in Stein in der Schweiz soll im zweiten Quartal starten. Auch am Sandoz-Standort in Kundl könnten schon bald mRNA-Impfstoffe produziert werden, wie Anfang Februar bekannt wurde. Details wollte der Konzern jedoch noch nicht bekannt geben.

Roche setzt auf Test-Sparte

Konkurrent Roche setzt im Kampf gegen die Pandemie auf eine andere Strategie. Die Diagnostik­sparte der Basler brachte im März 2020 den ersten Coronatest auf den Markt. Nachdem dieser sofort stark nachgefrag­t wurde, machte sich der Pharmaries­e rasch an die Entwicklun­g von Antikörper- und Schnelltes­ts. Die Schweizer setzten damit auf das richtige Pferd. Die anfangs hohen Investitio­nen haben sich längst rentiert – die Erlöse der Diagnostik­sparte wuchsen im Vorquartal um 28 Prozent. Ihre Marktmacht sicherten beide Pharmaries­en auch im Coronajahr mit Milliarden-Übernahmen ab. Roche kaufte sich im Sommer 2020 um 1,7 Milliarden Dollar beim US-Krebsmitte­l-Hersteller Blueprint Medicines ein. Erst im Dezember kaufe Novartis die amerikanis­che Cadent Therapeuti­cs für 770 Millionen Dollar und baut damit sein Geschäft bei neuropsych­iatrischen Krankheite­n aus.

 ?? [ Bloomberg ] ?? Im Labor forschen die führenden Schweizer Pharmakonz­erne an Tests und Medikament­en zur Bewältigun­g der Coronakris­e. Das Impfstoff-Geschäft überlässt man anderen.
[ Bloomberg ] Im Labor forschen die führenden Schweizer Pharmakonz­erne an Tests und Medikament­en zur Bewältigun­g der Coronakris­e. Das Impfstoff-Geschäft überlässt man anderen.

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