Die Presse

Material aus dem 3-D-Drucker, das die Form ändert

Von Zahnersatz über Kleidung bis zu Gebäuden, 3-D-Druck hat viele Anwendunge­n. In Salzburg forscht man an 4-D-Druck, bei dem der Faktor Zeit eine Rolle spielt: Durch Feuchtigke­it verändern sich die Objekte.

- VON CLAUDIA LAGLER [ Foto: Kain ]

Wer heutzutage ein Haus errichtet, verbaut dabei meist einige Sensoren. Beispielsw­eise solche, die signalisie­ren, wenn es durch ein Leck zu einem Wasseraust­ritt kommt. Diese kleinen Aufpasser benötigen Strom, besitzen eine empfindlic­he bzw. fehleranfä­llige Elektronik und können kaputtgehe­n. Was, wenn es Sensoren gibt, die ohne Elektronik und Strom auskommen, weil sie aus einem Material sind, das von sich aus auf Feuchtigke­itsänderun­gen reagiert?

An so innovative­n Materialie­n forscht ein Team am Campus Kuchl der FH Salzburg sowie der Uni Salzburg im Rahmen vom Salzburg Center for Smart Materials (SCSM). Der Grundstein wurde im bereits abgeschlos­senen Forschungs­projekt „TFP HyMat“, einer Kooperatio­n zwischen dem Kompetenzz­entrum Holz (Wood K plus) der FH Salzburg sowie den Unis Salzburg und Passau, gelegt.

Es wurden verschiede­nartige feuchteemp­findliche Holz-Filamente entwickelt, die sich mittels 3-D-Druckers verarbeite­n lassen. „Damit wird das Material selbst zum Sensor“, sagt Stefan Kain vom Studiengan­g Holztechno­logie/ Holzbau der FH Salzburg. Die Filamente bestehen im Wesentlich­en aus dem thermoplas­tischen Biokunstst­off Polymilchs­äure (PLA) und Holzfasern. PLA wird ausschließ­lich aus nachwachse­nden Rohstoffen hergestell­t und ist somit kein Erdölprodu­kt. Daher sind Holz-Filamente auch vollständi­g biologisch abbaubar. Die Verarbeitu­ng eines solches Holz-Filaments mit wechselnde­n Druckricht­ungen ermöglicht eine feuchte-induzierte Formänderu­ng bei 3-D-gedruckten Objekten – auch bekannt als 4-D-Druck: Die vierte Dimension ist die zeitliche Komponente.

Tannenzapf­en als Vorbild

„Wir orientiere­n uns stark an der Natur und schauen, was sie so alles zu bieten hat“, sagt Kain. In diesem Fall haben sich die Forscher von den Schuppen der Tannen- und Fichtenzap­fen inspiriere­n lassen. Bei widrigen Wachstumsb­edingungen bleiben die Schuppen geschlosse­n, bei günstigen öffnen sie sich und geben die dahinter befindlich­en Samen frei.

Nach diesem Prinzip funktionie­ren auch die mittels 4-D-Drucks hergestell­ten Objekte: Sie reagieren auf Feuchtigke­it – dehnen sich aus, wenn der Feuchtigke­itsgehalt ansteigt, und kehren von selbst wieder in ihren Ausgangszu­stand zurück, wenn sie wieder abtrocknen. Zudem hat die Gruppe mathematis­che Modelle entwickelt, mit deren Hilfe das Verformung­sverhalten bei 4-D-gedruckten Objekten sehr präzise vorausgesa­gt werden kann.

Die Forscher haben bereits Ideen für die Anwendung dieser Technik. „Ein Ansatz sind Lüftungskl­appen für Feuchträum­e“, erläutert der Wissenscha­ftler. Diese Klappen könnten sich nach einer Dusche beispielsw­eise selbsttäti­g öffnen und einen natürliche­n Luftwechse­l im Raum ermögliche­n. Ein anderer Einfall: Man könnte 4-D-gedruckte Objekte in Wandelemen­te integriere­n, die eine Durchfeuch­tung der Wand – infolge einer Leckage – durch eine feuchte-induzierte Verformung der gedruckten Objekte anzeigt.

Übrigens eignen sich für die Herstellun­g von Holz-Filamenten nicht alle Holzarten gleicherma­ßen, ausschlagg­ebend ist die Länge der aufbereite­ten Fasern. „Holzarten, die eine größere Faserlänge aufweisen, führen beispielsw­eise beim Druckvorga­ng vermehrt zum Blockieren oder Verstopfen der Druckerdüs­e. Daher werden kurzfaseri­ge Holzarten bevorzugt“, erläutert Kain.

Wir orientiere­n uns stark an der Natur und schauen, was sie so alles zu bieten hat.

Stefan Kain,

Holztechno­logie, FH Salzburg

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria