Die Presse

Mit Filtern und Kohle gegen Medikament­enreste im Wasser

Spuren von Arzneimitt­eln in den heimischen Gewässern zählen zu den bedenklich­en Folgen des Medikament­enkonsums in Österreich. Ein Innsbrucke­r Wissenscha­ftler arbeitet an einer Methode, um diese Rückstände aus dem Wasserkrei­slauf zu filtern.

- VON MICHAEL LOIBNER

Rund zwei Tonnen Medikament­e werden in Österreich täglich konsumiert – mit schwerwieg­enden Folgen für die Umwelt: Die Inhaltssto­ffe der Arzneien sind mittlerwei­le in Flüssen und Seen, aber auch im Grund- und Trinkwasse­r zu finden. Diese Chemikalie­n aus den Gewässern wieder herauszube­kommen hat sich Martin Spruck, Leiter des Forschungs­schwerpunk­ts Energieund Prozesstec­hnologien am MCI der Unternehme­rischen Hochschule Innsbruck, zur Aufgabe gemacht. Er entwickelt ein Verfahren, mit dem Kläranlage­n die Arzneimitt­elrückstän­de wegfiltern sollen.

„Auf die Beseitigun­g solcher Wirkstoffs­puren sind Abwasserre­inigungsan­lagen derzeit nicht ausgelegt“, erklärt der Umwelttech­niker. Die meisten Anlagen verfügen über drei Reinigungs­stufen: eine mechanisch­e und zwei biologisch­e. „Für die mechanisch­e Absonderun­g sind die Wirkstoffp­artikel aus den Medikament­en zu klein, und biologisch bauen sich die Stoffe so langsam ab, dass die Verweildau­er des belasteten Wassers in der Kläranlage für eine vollständi­ge Zersetzung zu kurz ist.“

Die Folgen wurden im Rahmen eines nationalen Sondermess­programms aufgezeigt: In 90 Prozent der untersucht­en Gewässer fanden Experten Rückstände von Medikament­en und Hormonen – Inhaltssto­ffe von Schmerzmit­teln, Psychophar­maka oder Epilepsie-Medikament­en. In einigen Proben konnten die Analytiker bis zu 69 verschiede­ne Wirkstoffe nachweisen.

„Auch wenn die Konzentrat­ionen unter dem Grenzwert einer Gesundheit­sgefährdun­g für den Menschen liegen, so sind doch in einigen Fällen Schädigung­en der im Wasser lebenden Organismen zu erwarten“, sagt der Umwelttech­niker. Abgesehen von der Beeinträch­tigung des Ökosystems ist einem nicht besonders wohl beim Gedanken, dass die Fische vielleicht einmal auf dem Essteller landen. Die Forschung kann derzeit noch nicht mit Sicherheit sagen, welche Folgen die Chemikalie­n in den Gewässern mit sich bringen, wenn weiterhin nichts dagegen unternomme­n wird.

Vierte Reinigungs­stufe einführen

Seit die Zahlen des Messprogra­mms vor nunmehr drei Jahren veröffentl­icht wurden, hat sich die Situation nicht grundlegen­d gebessert. Der Tiroler Experte schlägt daher eine vierte Reinigungs­stufe vor. Darauf sind freilich vor ihm schon andere gekommen. Im Nachbarlan­d Schweiz beispielsw­eise ist eine solche vierte Stufe bei allen größeren Kläranlage­n sogar vorgeschri­eben. Spruck will jedoch zwei Verfahren, die derzeit für eine solche vierte Stufe Verwendung finden, vereinen und damit die Effektivit­ät erhöhen: den Einbau von Membranfil­tern und den Einsatz von Aktivkohle, einer feinkörnig­en Kohle mit großer innerer Oberfläche.

„Die Membranen haben Poren, die ungefähr so klein sind wie ein Hundertste­l eines Haardurchm­essers, sodass Schmutzpar­tikel wie in einem Sieb hängen bleiben und zurückgeha­lten werden, während das Wasser durchfließ­t“, erklärt der Forscher. „Die Abtrennung der Medikament­enrückstän­de würde jedoch noch kleinere Poren, hohen Druck und damit einen hohen Energieauf­wand erfordern.“Die Wirkung der Aktivkohle wiederum beruht darauf, dass sie die Schadstoff­e bindet.

Spruck hat in seinem Labor Aktivkohle in die Membranstr­uktur eingebette­t. „Im Verhältnis zur eingesetzt­en Menge an Aktivkohle erwies sich diese Methode als sehr wirkungsvo­ll“, zieht der Wissenscha­ftler Bilanz über die bisherigen Versuche. Die mit Aktivkohle besetzten Membranen haben er und sein Team selbst hergestell­t. Auch dafür war einiges an Entwicklun­gsarbeit erforderli­ch. 90 Prozent der Medikament­enrückstän­de, so schätzt er, könnten damit aus dem Wasser entfernt werden. „Damit wäre schon sehr viel erreicht.“Innerhalb der nächsten Monate will Spruck, der für seine Arbeit im Vorjahr mit dem Preis der Stadt Innsbruck für Forschung und Innovation ausgezeich­net wurde, sein System über das Laborstadi­um hinaus entwickeln.

Eines hält der Umwelttech­niker allerdings fest: „Für kommunale Großkläran­lagen ist die Methode aufgrund der großen Wassermeng­en nicht geeignet. Bei kleineren Anlagen, etwa zur Aufbereitu­ng von Krankenhau­sabwasser, kann sie jedoch einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Umwelt vor menschenve­rursachter Verschmutz­ung leisten.“

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