Carlsen kann nicht siegen
Er hat sie erfunden, er hat sie populär gemacht, aber er konnte bisher nicht gewinnen. Weltmeister Magnus Carlsen musste sich auf seiner Champions Chess Tour wieder geschlagen geben. Diesmal unterlag er Wesley So im Finale. Im November hat sie also begonnen, die „Champions League“des Schach. Die Besten der Welt treffen sich einmal pro Monat zu einem Internet-Schnellschach-Turnier. Nach zehn Wettkämpfen wird abgerechnet. Nach den ersten drei Turnieren führt der zweifache Sieger So vor Teimour Radjabov, der ein Turnier gewann, und Weltmeister Carlsen. Wir analysieren nun die Partie von Levon Aronian gegen Ding Liren.
Weiß: Aronian – Schwarz: Ding Liren Internet, [B 86]
1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 cxd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 a6 6. Lc4. Im Fall der häufigsten Fortsetzungen 6. Le2 und 6. Le3 hat Schwarz die Auswahl zwischen 6. . . . e5 oder 6. . . . e6 mit jeweils völlig verschiedenen Stellungstypen. Der Lc4 hingegen verunmöglicht 6. . . . e5 mehr oder weniger, weil sich die Wirkung des Läufers auf die dann schwachen Felder d5 und f7 zu stark erhöhen würde.
6. . . . e6 7. Le3 b5 8. Lb3 Le7. Zu riskant wäre der Gewinn des Zentrumsbauern e4 durch 8. . . . b4. Nach 9. Sa4 Sxe4 erlangt Weiß großen Entwicklungsvorsprung und in einigen Varianten auch gefährlichen Angriff. Beispielsweise 10. 0–0 Le7 11. Sb6 Dxb6 12. Sxe6 Sc5 13. Lxc5 dxc5 14. Sxg7+ Kf8 15. Dd5 mit Doppelangriff auf f7 und a8.
9. a3. Wird sehr selten gespielt. Als in der Praxis sehr gefährlich hat sich 9. f4 0–0 10. e5 dxe5 11. fxe5 Sfd7 12. 0–0 herausgestellt. Objektiv gesehen kann die schwarze Stellung nach 12. . . . Sxe5 13. Dh5 Sbc6 14. Sxc6 Sxc6 15. Tf3 zwar tadellos verteidigt werden, aber einfach ist das nicht. 9. . . . 0–0 10. h4. Eine neue Idee, um den weißen Angriff am Königsflügel in Schwung zu bringen. Das bekannte 10. 0–0 Lb7 11. f3 ist nicht sonderlich gefährlich für Schwarz.
10. . . . Lb7 11. h5 h6. Nicht gut spielbar war 11. . . . Sxe4. Der Bauerngewinn kostet zu viel Zeit. Nach 12. Sxe4 Lxe4 13. Dg4 Lb7 14. 0–0–0 droht vor allem 15. . . . Sxe6. 12. f3 Sc6 13. De2 Sa5 14. g4 Tc8. 14. . . . Sxb3 war nicht wirklich besser, hätte die schwarze Verteidigung aber sehr erleichtert.
15. g5. Ein typischer Versuch der Linienöffnung, die Schwarz natürlich vermeiden will. 15. . . . hxg5 16. h6 g6. Der König steht hinter dem gegnerischen h-Bauern relativ sicher. 17. h7+ Kh8.
18. Lxe6. Die beste Chance. Schwarz drohte vor allem e5, wonach der Sd4 in Schwierigkeiten gekommen wäre. 18. . . . fxe6 19. Sxe6 Dd7 20. Sxf8 Lxf8 21.
0–0–0 Txc3. Ein interessantes positionelles Qualitätsopfer, das die Sicherheit der weißen Königsstellung stark in Mitleidenschaft zieht. Alternativ war auch 21. . . . Lg7 nebst Sc4 nicht schlecht. 22. bxc3 De6. Die besseren Chancen bot 22. . . . Sc4. Beide Könige stehen unsicher, und die Materialverteilung von drei Leichtfiguren gegen zwei Türme ist höchst ungewöhnlich. 23. Lxg5 Sh5 24. Txh5. Dass beide Seiten nicht am Material hängen, haben sie nun eindrucksvoll bewiesen. Auch dieses Qualitätsopfer stellt die Sicherheit der gegnerischen Königsstellung auf den Prüfstand.
24. . . . gxh5 25. e5 Kxh7. Danach gerät Schwarz in Schwierigkeiten. Die richtige Verteidigung bestand in 25. . . . Lc8, weil nach 26. Lf6+ Kxh7 27. Dd3+ nun 27. . . . Df5 möglich war. 26. Dd3+ Dg6 27. exd6 Lxd6 28. Dxd6 Dxg5+ 29. f4. Der schwarze König steht nun ziemlich schutzlos. 29. . . . Dg7 30. Dd3+. Rascher gewinnt 30. De6 mit der Drohung Td7. 30. . . . Lc6 31. Td8 Dg1+ 32. Kb2 Sc4+ 33. Ka2. Schwarz gehen die Schachgebote aus und 33. . . . Dg6 scheitert an 34. Th8+ Kxh8 35. Dxg6. 30. . . . Kh6 31. Dd6+ Kh7 32. Dd8. Weiß vergibt erneut die Chance zu 32. De6.
32. . . . Sc6. 32. . . . Sb3+ war noch eine gefährliche Möglichkeit, der Partie im letzten Moment eine Wendung zu geben. Weiß darf den Springer nicht nehmen, weil 33. cxb3 Dxc3+ 34. Kb1 Dxb3+ bei der richtigen Verteidigung 35. Kc1 zu Dauerschach führt, während 35. Ka1 Dxa3 36. Kb1 Le4+ sogar verlieren würde. Allerdings hätte Weiß anstatt den Springer zu nehmen, mit 33. Kb1 gewinnen können. 33. De8. Droht Td7 und Dxh5. 1-0.
Egon Brestian, Gerhard Hofer