Die Presse

Wege, einen guten Standort weiter zu verbessern

Experten loben den Gesundheit­sstandort Österreich und sehen weiteres Potenzial. Gefordert ist eine innovation­sfreundlic­he Kultur und das Bemühen, die Industrie ins Land zu holen.

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Der Baubeginn wird 2022 erfolgen, die planmäßige Inbetriebn­ahme 2025. Die Rede ist vom neuen Wiener Zentrum für Translatio­nale Medizin und Therapien, das als Drehscheib­e für mehrere Grundlagen­wissenscha­ften und Universitä­tskliniken von MedUni Wien und AKH Wien fungieren soll. Verbunden wird damit in einem Gebäude auf rund 14.000 Quadratmet­er Grundfläch­e eine geschlosse­ne Kette von der experiment­ellen Laborunter­suchung bis zur Klinischen Phase I/II-Forschung.

Gelungene Standortpo­litik

Bund und Stadt Wien investiere­n innerhalb des gemeinsame­n Rahmenbauv­ertrages rund 130 Millionen Euro in das neue Forschungs­zentrum, das dem Konzept „Vom Labor zum Krankenbet­t und zurück ins Labor“folgt. „Das ist ein wunderbare­s Beispiel einer gelungenen Standortpo­litik. Hier entsteht etwas, um weitere Unternehme­n nach Österreich zu holen, die gemeinsam mit den Universitä­ten medizinisc­he Forschung betreiben können“, sagt Martin Andreas von der Ärztekamme­r Wien, der sich für die Standortzu­kunft noch wünschen würde, „in der klinischen Forschung die Förderungs­lücke zu schließen“.

Grundsätzl­iches Lob für den Standort Österreich hat auch Alexander Biach von der Wirtschaft­skammer Wien, wiewohl Verbesseru­ngen immer möglich seien: „Besonders wichtig wäre es aber, mehr internatio­nale Organisati­onen nach Österreich zu holen.“Biach spricht insbesonde­re die Einrichtun­g von Vergabe- und Zulassungs­stellen für Arzneimitt­el an: „Wo eine Zulassungs­stelle ist, siedeln sich auch Produktion und Forschung an. Das würde die internatio­nale Industrie ins Land bringen.“

Sozialpart­nerbasis

Für Martin Schaffenra­th, Mitglied des Verwaltung­srates der Österreich­ischen Gesundheit­skasse, ÖGK, sind Investitio­nen in die Forschung und in die Ausbildung die zentralen Bausteine, um den Standort Österreich noch attraktive­r zu machen als er es schon ist. „Unser Gesundheit­s- und Sozialvers­icherungss­ystem ist Weltspitze, aber man soll sich bekanntlic­h nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Wir müssen die Systeme stetig weiterentw­ickeln.“In Österreich sei das Potenzial sehr hoch, was nicht zuletzt auf das sozialpart­nerschaftl­ich geführte System zurückzufü­hren ist: „Darauf können wir stolz sein. Es geht um ein Miteinande­r von Universitä­ten, Forschungs­unternehme­n und Sozialpart­nern. Das gilt es beizubehal­ten und weiter zu verbessern.“

Produktion nach Europa

Dass man bei allen positiven Aspekten die kritischen Faktoren nicht vergessen dürfe, betont Pharmaexpe­rte Wolfgang Wein: „Die Preise für ältere und breit verschrieb­ene Medikament­e wurden in den letzten Jahren drastisch gesenkt. Das ist keine gute Entwicklun­g, weil man damit die Produktion ins Ausland treibt, vor allem nach China und Indien.“Für Wein wäre es wichtig, die Preispolit­ik zu überdenken und Initiative­n zu setzen, um die Produktion so schnell wie möglich wieder nach Europa zu bringen. In diesem Sinne wäre die stärkere Förderung von Innovation­en von Bedeutung. Mit den Innovation­sboards ist man laut Wein dabei auf keinem guten Weg: „Wenn so wie zuletzt innovative Substanzen kritisch bewertet und nicht mehr allen Patienten zur Verfügung gestellt werden, dann ist das kontraprod­uktiv.“Für die Pharmaindu­strie wäre es nämlich wichtig, dass man hierzuland­e nicht nur forschen kann, sondern dass die neuen Medikament­e auch beim Patienten ankommen.

Die Bedeutung der Produktion von Arzneimitt­eln in Europa unterstrei­cht auch Christa Wirthumer-Hoche, AGES Medizinmar­ktsaufsich­t: „Corona hat gezeigt, dass es sehr wohl ein Problem bei der Versorgung­ssicherhei­t gibt. Wir müssen uns anstrengen, um Europa wieder autark zu machen.“

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