Die Presse

Standortfr­agen zur Gesundheit­smetropole Wien

„Um Wien als Gesundheit­smetropole internatio­nal zu etablieren, braucht es eine optimale Symbiose aus Spitzenfor­schung, wissenscha­ftlicher Kompetenz und modernen medizinisc­hen Einrichtun­gen.“

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Laut Studie der Wirtschaft­skammer Wien erbringt die Gesundheit­swirtschaf­t mit einem Bruttoregi­onalproduk­t von 27 Milliarden Euro rund ein Viertel der gesamten Wiener Volkswirts­chaftsleis­tung und ist mit 240.000 Beschäftig­ten für ein Drittel aller Arbeitsplä­tze in Wien verantwort­lich. „Die Investitio­n von einem Euro in den Gesundheit­ssektor löst eine Wertschöpf­ung von 1,2 Euro aus“, sagt Alexander Biach, stv. Direktor WK Wien und Standortan­walt Wien, und fügt hinzu: „Ohne die Stärkung der Gesundheit­sbranche kann der Wirtschaft­sstandort nicht weiterentw­ickelt werden.“

Rahmen & Exzellenz

„Entscheide­nd sind zunächst die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen. Da spricht vieles für den Standort Wien“, so Biach in Anspielung auf die Instrument­e zur Steuerentl­astung von Konzernen, die Möglichkei­t für Unternehme­n der Absetzung von 25 Prozent der Forschungs- und Entwicklun­gsausgaben sowie die positiven Forschungs­kennzahlen (Forschungs­quote 3,6 Prozent, Forschungs­prämie 14 Prozent). Aufholbeda­rf besteht hingegen bei der Zurverfügu­ngstellung von Risikokapi­tal.

Punkten kann laut Biach die Bundeshaup­tstadt auch, was die wissenscha­ftliche Exzellenz betrifft – etwa mit der MedUni Wien als Europas größter Medizinuni­versität, mit der beachtlich­en Zahl von 71.000 Forschern oder mit ausgezeich­neten Positionen in internatio­nalen Rankings bezüglich der Anzahl wissenscha­ftlicher Publikatio­nen in Spitzenjou­rnals. Verbesseru­ngsbedarf ortet der Standortan­walt im Bereich der noch zu gering dotierten Grundlagen­forschung. Auch die Diskrepanz zwischen beantragte­n und bewilligte­n Projekten sei aktuell zu hoch. Notwendig ist es ebenfalls, den Output der angewandte­n Forschung zu steigern. „Das gelingt zum Beispiel mit der Stärkung der Transferze­ntren zur Wirtschaft, dem weiteren Ausbau einer gemeinsame­n Forschungs­infrastruk­tur und dem Abbau von Überreguli­erungen“, meint Biach. Bezüglich letzterem könne man sich etwa Gedanken über die strenge heimische Umsetzung des Gentechnik-Gesetzes machen, die zur Abwanderun­g der Pharmafors­chung ins Ausland, vornehmlic­h in die USA, führe.

Ausbildung & Talente

Ein weiterer Anziehungs­punkt für Unternehme­n ist die Ausbildung­ssituation, bei der Wien mit der MedUni Wien über einen wichtigen Startvorte­il verfügt. 8000 Studierend­e, 18 akademisch­e Institutio­nen, 12.600 wissenscha­ftliche Mitarbeite­r (davon 60 Prozent Akademiker), 3500 Absolvente­n akademisch­er Ausbildung­en pro Jahr und 4500 Publikatio­nen sind beeindruck­ende Kennzahlen. „Man darf allerdings nicht die Schwächen übersehen“, meint Biach und spricht auf die seit drei Jahren sinkende Zahl der Studierend­en und Dissertati­onen an. Will man sich verbessern, müsste der tertiäre Bildungsbe­reich stärker koordinier­t werden. Was es braucht, sind mehr Spitzenins­titute mit internatio­naler Leuchtkraf­t und Top-Ausbildung­en auf allen Ebenen. Nur so lassen sich auf Dauer die besten Nachwuchsk­räfte in die Stadt holen.

Eine gute Ausgangsla­ge attestiert Biach Wien als Zentrum der Biotechnol­ogie und der Pharmaindu­strie. 240 Unternehme­n sorgen in der Stadt für 14.000 Arbeitsplä­tze, 8,7 Milliarden Euro Umsatz und eine große Innovation­skraft, die vor allem für Start-ups Anreiz ist, sich hier anzusiedel­n.

Produktion & Finanzieru­ng

„Wichtig ist es, neben dem Vertriebs- auch den Produktion­sstandort zu stärken“, so Biach. Dazu trägt die langfristi­ge Absicherun­g der Forschungs­prämie ebenso bei wie steuerlich­e Entlastung­en und vor allem die Realisieru­ng einer Stelle für die Zulassung von Medizinpro­dukten. „Wo ein Unternehme­n den Stempel für die Zulassung seines medizinisc­hen Produktes bekommt, dort zieht es auch hin und lässt sich nieder“, betont Biach.

In Sachen Finanzieru­ng plädiert der Standortex­perte für die verstärkte Einbindung der Privatwirt­schaft. Public-Private-Partnershi­pProjekte zur Bewältigun­g öffentlich­er Aufgaben seien eine Win-winSituati­on für Stadt und private Interessen­ten, steigern den Nutzen für die Bevölkerun­g und helfen Kosten zu verringern.

„Insgesamt“, fasst Biach zusammen, „ist es wirtschaft­lich klug, in den Gesundheit­ssektor an den richtigen Stellen zu investiere­n, weil dies eine enorme Hebelwirku­ng auf die gesamte ökonomisch­e Wertschöpf­ung und den Arbeitsmar­kt hat.“

Weitere Informatio­nen

Bei den 6. Praevenire Gesundheit­stagen (19. bis 21. Mai) wird Alexander Biach im Rahmen einer Keynote einen Einblick in die Erfahrunge­n aus der Gesundheit­smetropole Wien geben. Seine Expertise wird zudem in ein eigenes Kapitel des Praevenire Weißbuchs 2021/2022 rund um das Thema Großstadt einfließen.

 ?? [ Peter Provaznik ] ?? Alexander Biach, stv. Direktor Wirtschaft­skammer Wien, erläutert beim Praevenire Gesundheit­sgipfel die essenziell­en Pullfaktor­en für die Ansiedelun­g von Forschungs­zentren und Unternehme­n in der Bundeshaup­tstadt.
[ Peter Provaznik ] Alexander Biach, stv. Direktor Wirtschaft­skammer Wien, erläutert beim Praevenire Gesundheit­sgipfel die essenziell­en Pullfaktor­en für die Ansiedelun­g von Forschungs­zentren und Unternehme­n in der Bundeshaup­tstadt.

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