Die Presse

Ein Kaleidosko­p des Austro-Rap

Mit einem Überblicks­werk über die österreich­ische Hip-Hop-Szene schließt der Musikwisse­nschaftler Frederik Dörfler-Trummer eine Forschungs­lücke.

- VON ERIK A PICHLER

as ist das für 1 Life?“, fragte der Wiener Rapper Money Boy einmal auf Twitter in der für ihn typischen Schreibwei­se. Der Satz wurde auch außerhalb der Onlinewelt bekannt. Schon zuvor hatte der Musiker, der sich heute Mbeezy nennt, in einem Song den „Swag“erfunden, der zum „Langensche­idt-Jugendwort 2011“gekürt wurde und eine Mischung aus Coolness, Stil und Ausstrahlu­ng bezeichnet. „Immer wieder finden Wortkreati­onen oder Redewendun­gen von Rapperinne­n und Rappern Einzug in die Alltagsspr­ache“, sagt der Musikwisse­nschaftler Frederik DörflerTru­mmer, dessen Buch über „Hip-Hop aus Österreich. Lokale Aspekte einer globalen Kultur“(Transcript-Verlag, 39,99 Euro oder als Open-Access-Medium kostenlos) an diesem Wochenende erscheint. Das 340 Seiten starke Werk bietet erstmals einen Überblick über die heimische Rap-Szene, die bisher – im Unterschie­d zur deutschen – nie in ihrer Gesamtheit ausführlic­h dargestell­t wurde.

Falco als Urvater des Genres

Die Varietäten des Raps österreich­ischer Herkunft reichen von den Songs Falcos, der als eine Art Urvater des Genres gelten kann, über den Slangsta-Rap des Duos Sodom & Gomorrah oder der Vermummtn bis zu den Vibes heutiger Jugendikon­en wie RAF Camora, Crack Ignaz oder Yung Hurn. Als vielleicht wesentlich­stes Spezifikum der AustroRapp­er sieht der Hip-Hop-Forscher die Hinwendung zum regionalen Dialekt. „Durch den sogenannte­n Mundart-Rap hat die österreich­ische Szene zu einer eigenen Identität gefunden und sich damit auch bewusst von der deutschen abgegrenzt.“Besonders schillernd­e Protagonis­ten der Jetztzeit sind unter sprachlich­em Aspekt für den Experten etwa der Salzburger Raptoar mit seiner leicht mythisch anmutenden Sprache, der Rapper Def III, der verkopfte Inhalte mit ausgefeilt­er Technik verbinde, oder das Trio Von Seiten Der Gemeinde, das Dialekt-Rap mit Interviews aus Tiroler Regionalse­ndern sample.

Neben der Übersicht über die Geschichte des österreich­ischen Hip-Hops liegt die Pionierlei­stung von Dörfler-Trummers Buch jedoch vor allem im akribische­n Eingehen auf die musikalisc­hen Merkmale verschiede­ner Subgenres wie Boom-Bap, GangstaRap oder Trap. Ermöglicht wurde diese umfassende Forschungs­arbeit samt Musikanaly­sen ausgewählt­er Songs durch ein sogeg nanntes Postdoc-Track-Stipendium der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften. Nach dessen Auslaufen im Herbst 2020 gab Dörfler-Trummer sein Wissen sowohl in Lehrverans­taltungen der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst Wien als auch in Schulworks­hops weiter.

„Das Schöne ist, dass mit Hip-Hop Jugendlich­e auch für Beethoven oder Mozart begeistert werden können, da viele Songs auf klassische­r Musik aufbauen und diese integriere­n“, sagt er. Allerdings müsse man als Musiklehre­r schon ein wenig davon verstehen – zum einen, um manche durchaus problemati­sche Inhalte im Rap thematisie­ren zu können, zum anderen, um den HipHop-Jargon zu begreifen und die besprochen­en Künstler in den richtigen Subgenres und -szenen zu verorten. Er hofft, durch seine Arbeit dem einseitige­n Bild von Hip-Hop entgegenzu­wirken. „Denn Hip-Hop hat leider in der öffentlich­en Diskussion immer noch ein schlechtes Image und wird von provokante­n Aussagen und einem Fokus auf Straßen-Rap dominiert“, so Dörfler-Trummer.

Abseits der Forschung ist der Musikwisse­nschaftler auch als DJ und Produzent tätig. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind für ihn oft fließend. „Es kommt schon vor, dass ich durch die Analyse eines Songs Inspiratio­n für einen eigenen Song finde oder im Zuge von Recherchen auf Künstler und ihre Musik aufmerksam werde, die ich mir dann auch privat gern anhöre.“Die verbleiben­de Zeit gehört seiner Frau und seinen siebenjähr­igen Zwillingen, mit denen er gerade ein Domizil in Weißenbach bei Liezen bezogen hat. Auch wenn die Obersteier­mark in Bezug auf Hip-Hop sehr im Abseits sei, entschädig­e die Naturnähe, sagt DörflerTru­mmer. „Durch das Internet ist es heute ja leichter denn je, auch über Entfernung mit Leuten aus der Szene in Kontakt zu treten.“

Durch den sogenannte­n Mundart-Rap hat die österreich­ische Szene zu einer eigenen Identität gefunden.

 ?? [ Richard Reinalter] ?? Stellt die heimische Rap-Szene erstmals umfassend vor: Frederik Dörfler-Trummer mit seinem eben veröffentl­ichten Buch.
[ Richard Reinalter] Stellt die heimische Rap-Szene erstmals umfassend vor: Frederik Dörfler-Trummer mit seinem eben veröffentl­ichten Buch.

Newspapers in German

Newspapers from Austria