Die Presse

Wer könnte Brandstett­er absetzen?

Amtsentheb­ung. Die Mitglieder des Verfassung­sgerichtsh­ofs haben keinen Vorgesetzt­en, und sie sind besonders geschützt. Wer sich als vertrauens­unwürdig erweist, kann zwar suspendier­t werden oder sein Amt ganz verlieren. Aber über all diese Fragen entscheid

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. „Wolfgang Brandstett­er hat erklärt, dass er seine Aufgaben als Verfassung­srichter weiter wahrnehmen wird“, berichtete VfGHPräsid­ent Christoph Grabenwart­er am Freitag. Brandstett­er wird weiter an der laufenden Session der 14 Richter teilnehmen. Während der Sektionsch­ef für Straflegis­tik im Justizmini­sterium, Christian Pilnacek, vorläufig suspendier­t wurde, ist so eine Maßnahme bei dem von der Staatsanwa­ltschaft ebenfalls als Beschuldig­ten geführten Richter gar nicht so einfach möglich. Brandstett­er bestreitet, als Justizmini­ster Interna aus einem Strafverfa­hren verraten zu haben; für ihn gilt, wie auch für Pilnacek, die Unschuldsv­ermutung. Aber welche Möglichkei­ten gäbe es, einen in Misskredit gelangten Verfassung­srichter abzusetzen oder zu suspendier­en?

Die Gründe für die Absetzung eines VfGH-Richters sind in § 10 des Verfassung­sgerichtsh­ofgesetzes verankert. So verliert man die Funktion, wenn man ein politische­s Amt annimmt, wenn man drei aufeinande­rfolgende Einladunge­n zu einer VfGH-Verhandlun­g ignoriert oder gesundheit­lich nicht mehr fit genug ist. Aber man kann den Job am VfGH auch dann verlieren, wenn man sich „durch sein Verhalten im Amt oder außerhalb des Amtes der Achtung und des Vertrauens, die sein Amt erfordert, unwürdig gezeigt oder die Verpflicht­ung zur Amtsversch­wiegenheit gröblich verletzt hat“. Wann jemand unwürdig geworden ist, entscheide­t der VfGH selbst. Es ist nicht nötig, dass jemand dafür strafrecht­lich verurteilt wurde.

Bevor es zu einer Amtsentheb­ung kommt, hat der VfGH-Präsident das in Zweifel gezogene Mitglied zu vernehmen. Nachdem man zu der Causa den Generalpro­kurator angehört hat, kann das Richtergre­mium selbst das Enthebungs­verfahren gegen einen der Ihren einleiten. Für den Beschluss reiche eine einfache Mehrheit der Richter, wie Karl Stöger, Professor für Verfassung­srecht an der Universitä­t Wien, erläutert. Und im Rahmen dieses Beschlusse­s könne ein Mitglied bereits vorläufig des Amts enthoben werden.

Zweidritte­lmehrheit nötig

Um aber einen VfGH-Richter endgültig abzusetzen, bedarf es einer breiteren Mehrheit. Zwei Drittel der Richter müssen zu dem Schluss kommen, dass ihr Kollege seines Amts unwürdig ist.

Sein Status als Beschuldig­ter in einem laufenden Verfahren widersprec­he nicht den Anforderun­gen an einen VfGH-Richter, ließ Brandstett­er am Freitag über Grabenwart­er ausrichten. Dass ein VfGH-Richter von seinen Kollegen abberufen wird, gab es auch noch nie. Für Debatten hatte aber Richter Johannes Schnizer im Jahr 2016 gesorgt. Er hatte in Medien die Meinung vertreten, die FPÖ habe einer Anfechtung der HofburgWah­l bereits vor dem Urnengang vorbereite­t. Eine heikle Aussage, hatte doch der VfGH zuvor die Wahl aufgehoben. Die FPÖ war verärgert, auch manch Richterkol­lege war der Meinung, dass Schnizer dem Gerichtsho­f einen Bärendiens­t erwiesen habe. Die Situation wurde mit einem offenen Brief kalmiert, in dem sich Schnizer entschuldi­gte.

Möglich wäre es, dass sich ein Richter beurlauben lässt, bis Vorwürfe geklärt sind. Es gab aber auch schon einen konkreten Anlauf für ein Amtsentheb­ungsverfah­ren – initiiert 2001 vom damaligen VfGH-Präsidente­n Ludwig Adamovich gegen sich selbst. Das war eine Reaktion darauf, dass der Kärntner Landeshaup­tmann Jörg Haider (FPÖ) im Zusammenha­ng mit einem Ortstafelu­rteil Vorwürfe gegen Adamovich gerichtet hatte. Bereits der Generalpro­kurator erklärte, dass Adamovich nichts vorzuwerfe­n sei. Das Richterkol­legium schloss sich dem an und leitete kein Amtsentheb­ungsverfah­ren ein.

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