Der Frühstart der krisengeplagten SPD
Deutschland. Die Sozialdemokraten legen ihr Programm vor. Sie nehmen im Superwahljahr die Reichen ins Visier und das Klima in Schutz.
Berlin. Die SPD ist der Konkurrenz enteilt. Nicht in den Umfragen. Da schwächelt sie weiter. Aber im Zeitplan. Während Union und Grüne bisher weder Kanzlerkandidaten benannt noch ein Wahlprogramm vorgelegt haben, wurde in der SPD-Zentrale beides abgehakt. Im Sommer 2020 kürten sie SPD-Vizekanzler Olaf Scholz zum Spitzenkandidaten, am Montag wurde das Programm für die Wahl im Herbst vom Vorstand abgenickt (ein Parteitag im Mai muss noch zustimmen). Es gibt einige grüne Farbtupfer auf den knapp 50 Seiten. Das ist kein Zufall. Die Grünen warben zuletzt massenweise SPD-Wähler ab.
Die Sozialdemokraten versuchen sich auch in der Bewältigung eines alten Traumas: Die Einführung von Hartz IV unter Gerhard Schröder spaltet die Partei bis heute. Künftig soll die Grundsicherung „Bürgergeld“heißen und die Vermögensprüfung in den ersten zwei Jahren des Bezugs entfallen. Zwischen CDU/CSU und der SPD kündigt sich eine große Auseinandersetzung an:
Sie kreist um die Frage, wie die Coronaschulden abgetragen werden sollen. Die SPD sieht die Antwort auch in höheren Steuern für Reiche. Sie will die Einkommensteuer ab 250.000 Euro im Jahr um drei Prozent anheben und eine Vermögensteuer von einem Prozent für „sehr hohe Vermögen“. Steuerliche Entlastung schwebt der SPD für niedrige und mittlere Einkommen vor, weiters ein Zwölf-Euro-Mindestlohn, ein Ende des Ehegatten-Splittings und eine abgeschwächte Form des Berliner Mietendeckels. Die
SPD zeichnet auch die vage Vision einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 und fordert Tempolimit 130 auf Autobahnen, genau wie die Grünen.
Die roten Seuchenjahre
Der SPD stecken Seuchenjahre in den Knochen. Auch im übertragenen Sinn. Zweimal in dieser Legislaturperiode tauschte die Partei ihre Chefs aus: zuerst Martin Schulz, dann Andrea Nahles. In den Umfragen zogen die Grünen an der SPD vorbei. Und die Kür von Scholz zum Kanzlerkandidaten verpuffte wirkungslos.
Es gab keinen Scholz-Effekt in den Umfragen, die die Partei bei 15 bis 17 Prozent ausweisen. Der sachlich-nüchterne Vizekanzler ist zwar populär. Aber bisher färbt seine Beliebtheit nicht auf die von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans geführte Partei ab. Zuletzt schaltete die SPD auf Angriff. Scholz schimpfte deftig über den schleppenden Impfstart: Das sei „richtig scheiße gelaufen“. Und er legte der CDU einen Fragenkatalog zur Causa vor. Fast wirkte es, als säße die SPD in der Opposition. Die Angriffe auf CDU und EU fallen in eine Zeit, in der die Zufriedenheit mit dem Corona-Krisenmanagement merklich sinkt.
Scholz träumt von Merkels Erbe. Noch fehlen der SPD die Machtoptionen. Rot-Rot-Grün etwa geht sich in Umfragen rechnerisch nicht aus und vielleicht auch nicht inhaltlich: Die Linkspartei wählte nun ein neues Führungsduo. Neben der eher pragmatischen Susanne Hennig-Wellsow steht Janine Wissler an der Spitze. Sie war bis 2020 Mitglied der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppe Marx 21.
Zukunft und Respekt, Europa – das sind die Schwerpunkte dieses Programms.“SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.