Gegenwind für UN-Chef Guterres
Vereinte Nationen. Generalsekretär Guterres strebt eine zweite Amtszeit an. Viele Erwartungen hat er nicht erfüllt. Eine junge Mitarbeiterin will die Organisation mit ihrer Kandidatur aufrütteln.
New York/Wien. Lang war Antonio´ Guterres allen Fragen nach seiner beruflichen Zukunft ausgewichen. Würde er eine zweite Amtsperiode als UN-Generalsekretär anstreben? Anfang Jänner sickerte aus UNKreisen dann durch, dass der Mann an der Spitze der Weltorganisation fünf weitere Jahre im Amt bleiben wolle. Vor wenigen Tagen hat ihn sein Heimatland Portugal offiziell für eine zweite Runde nominiert; die erste endet im Dezember. Kaum jemand zweifelt daran, dass der 71-Jährige wiedergewählt wird. Und doch ist der Schritt so umstritten wie selten in der Geschichte der Vereinten Nationen.
Seit Kurzem erst hat dieser Aufruhr gegen das diplomatische Weiter-so auch ein Gesicht: Arora Akanksha, 34 Jahre alt und erst seit etwa vier Jahren als Auditorin für die UNO tätig, hat angekündigt,
Guterres herausfordern zu wollen. Die Kampfansage der Kanadierin mit indischen Wurzeln ist ein ungeheuerlicher Vorgang in der UNO: Nie zuvor musste sich ein Amtsinhaber für eine zweite Amtszeit offiziell einem Kontrahenten stellen. Und erst einmal überhaupt wurde einem Generalsekretär eine zweite Amtsperiode verwehrt: Der Ägypter Boutros Boutros-Ghali scheiterte 1996 am Widerstand der Clinton-Regierung.
Allgemeine Unzufriedenheit
Freilich: Kein Land hat bisher seine Unterstützung für Arora Akanksha ausgesprochen, seitdem sie am 17. Februar formell ihre Bewerbung eingereicht hat. Aber ihre Initiative zeigt, wie sehr es in der 193-Staaten-Organisation brodelt. „Ich bin mir sicher, sie hat keine Chance und sie weiß das“, zitierte die „New York Times“den früheren Top-UNBeamten Edward Mortimer. Aber:
„Es ist ein tapferer Weg, die Unzufriedenheit zu zeigen, die zweifellos von ziemlich vielen ihrer Kollegen geteilt wird.“
Die Auswahl des Generalsekretärs steht dabei beispielhaft für ein System, das vor allem junge UNMitarbeiter als längst überholt ansehen. Über Jahrzehnte wurde die Besetzung des Top-Postens hinter verschlossenen Türen de facto zwischen den fünf Veto-Mächten des Sicherheitsrats, den ehemaligen Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, ausgehandelt. Ein älterer Mann folgte auf den nächsten. Noch nie ist eine Frau an die Spitze der Organisation berufen worden.
Die Wahl vor vier Jahren, aus der Guterres als Sieger hervorging, hatte der Kritik mit einem transparenteren Verfahren und einer Reihe hochrangiger weiblicher Kandidaten entgegenwirken sollen. Doch die Missbilligung ließ sich damit nur zeitweise besänftigen, trotz aller Bemühungen des Portugiesen, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu setzen und eine UN-Reform voranzutreiben. Inzwischen fordern selbst wohlmeinende Beobachter eine Trendwende. „Die UN müssen einen weiblichen Generalsekretär jetzt wählen, nicht später“, schrieb das Onlineportal Passblue. „Keine zweite Amtszeit für Guterres: Es ist Zeit für eine Generalsekretärin“, forderte die NGO Code Blue.
Die Unzufriedenheit hängt auch mit Guterres selbst und seiner Leistung während der ersten Amtszeit zusammen. Der ehemalige sozialistische Premier Portugals und frühere UN-Flüchtlingskommissar war als Nachfolger des glücklosen Ban Ki-moon ins Amt gewählt und mit viel Vorschusslorbeeren bedacht worden. Endlich werde die UNO wieder zu einer gewichtigen Stimme, lautete die Hoffnung nach dem Abtritt des stillen, wenig charismatischen Südkoreaners Ban.
Lieber unstrittige Themen
Doch Guterres erwies sich schnell als weniger forsch, als von vielen erwartet. Im sich verschärfenden Wettbewerb konkurrierender Großmächte und vor dem Hintergrund einer Trump-Regierung, die den Vereinten Nationen den Rücken kehrte, kam ihm oft nicht mehr als die Rolle einer Randfigur zu. Große Visionen? Fehlanzeige.
Während Guterres sich auf die technischen Aspekte seines Jobs konzentrierte und größtenteils unstrittige Themen wie Klimawandel und die Nachhaltigkeitsziele in den Fokus rückte, warfen ihm Beobachter Zögerlichkeit bei Menschenrechts-Themen vor, die einen Konflikt mit mächtigen Mitgliedstaaten provoziert hätten. Beispiel: das Vorgehen gegen die Uiguren in China oder den Mord am saudischen Kritiker Jamal Khashoggi. Erst während der Coronapandemie trat der UN-Chef wieder stärker ins Rampenlicht und geißelte unter anderem den „Impfnationalismus“der reichen Staaten.
Seine Herausforderin Arora Akanksha hofft, mit ihrer Kandidatur die UN aufzurütteln. „Wir erfüllen unsere Aufgabe und unser Versprechen nicht“, schrieb sie in ihrer Bewerbung. „Wir lassen jene im Stich, denen wir dienen sollten.“