Einigung auf U-Ausschuss-Reform
Exklusiv. Seit vielen Jahren wird über den Ausbau der Kontrollrechte in der Stadt Wien diskutiert. Nun gibt es eine Übereinkunft aller Parteien bei Grundpfeilern.
Wien. Er zählt zu den schärfsten Waffen, die der Opposition in Wien zur Verfügung stehen: der Untersuchungsausschuss, der Missstände in der Bundeshauptstadt untersucht und auch die politische Verantwortung klären soll. Im Vergleich mit einem U-Ausschuss auf Bundesebene ist er auf Wiener Ebene allerdings recht zahnlos – was nun geändert wird. Denn die Rechte der Opposition werden massiv ausgeweitet. „Die Presse“hat exklusiv die ersten vereinbarten Punkte.
Opposition darf Akten einsehen
Es ist ein zentraler Pfeiler der Reform: Für die Aktenlieferung an die U-Kommission ist derzeit ein Mehrheitsbeschluss nötig. Theoretisch können die Regierungsparteien die Lieferung von brisanten Akten verhindern. Das wird geändert. Es werde ein eigenes Verfahrensrecht inklusive Beweisbeschlüssen als Minderheitenrecht kommen, so ÖVP-Verhandler Patrick Gasselich. Stephan Auer-Stüger, der für die SPÖ die Reform der U-Kommission verhandelt, bestätigt: Hier gebe es bereits einen Konsens aller Parteien, meint er zur „Presse“. Falls die Mehrheitsfraktion der Meinung ist, dass angeforderte Akten nicht notwendig oder nicht zulässig sind, kann sie sich an ein Schiedsgremium wenden, das neu eingeführt und nicht politisch besetzt sein wird.
Opposition darf Zeugen laden
Wie die Aktenlieferungen sorgen Zeugenladungen immer wieder für heftige Diskussionen in U-Ausschüssen zwischen Opposition und den Regierungsparteien. Das wird nach dem Vorbild der Aktenlieferungen geändert. Nach der Reform kann die Opposition alle gewünschten Akten anfordern. Falls die Mehrheitsfraktion in einem Fall anderer Meinung ist, kann sie ein neues Schiedsgremium anrufen, das letztendlich entscheidet.
Was die Kommission untersucht
Grundsätzlich beschäftigt sich eine Wiener U-Kommission mit der Aufklärung von Misswirtschaft und Systemversagen im Bereich der Stadt Wien. Im Rahmen der Sitzungen sollen auch Verbesserungsmöglichkeiten für künftige Projekte aufgezeigt und die politische Verantwortung geklärt werden. Beispielsweise beschäftigten sich U-Kommissionen bisher mit dem Chaos beim Bau des Milliardenprojekts Spital Nord (nun: Klinik Floridsdorf ), Missständen im Bereich der Psychiatrie der Stadt und der politisch heiklen
Finanzierung von parteinahen Wiener Vereinen. Gasselich über die Reformen: „Das Ziel ist eine weitgehende und sinnvolle Angleichung der Wiener Regelungen an die modernen Regelungen des Nationalrats.“Dort sei seit Jahren eine offene und transparente Aufklärung möglich, während man in Wien stark von den Regierungsfraktionen abhängig ist. Der grüne Klubchef, David Ellensohn, der die Einigung ebenfalls bestätigt, beschreibt die Situation so: „Wien war einmal Vorbild bei den Kontrollrechten für die Opposition, ist es aber nicht mehr. Deshalb gibt es hier einen dringenden Handlungsbedarf.“
Wer darf Kommission einberufen?
Um eine U-Kommission einzuberufen, müssen derzeit ein Drittel der 100 Mandatare im Gemeinderat zustimmen. Dieses Quorum wird mit der Reform auf ein Viertel gesenkt. Hier sei man sich einig, so Gasselich und Auer-Stüger. War die FPÖ in der vergangenen Legislaturperiode mit 34 Mandaten stark genug, um eine U-Kommission einzuberufen, müssten sich (derzeit) mindestens zwei Parteien zusammenschließen um eine U-Kommission zu starten. Zu zweit wäre das derzeit nur durch eine Kooperation von ÖVP und Grünen möglich. FPÖ-Verhandler Maximilian Krauss bestätigt ebenfalls die Einigung, will aber noch einen Schritt weiter gehen. Er möchte, dass jede Partei einen U-Ausschuss pro Legislaturperiode einberufen kann – unabhängig von den Mandaten. Das lehnt die SPÖ allerdings ab.
Mehr Zeit für Untersuchungen
Die Frist für die U-Kommission (sie darf maximal ein Jahr dauern) beginnt nicht mit der ersten Sitzung zu laufen, sondern bereits mit der Einsetzung im Gemeinderat. Beim Spital Nord sagten zahlreiche Kandidaten ab – bis die Kommission tagen konnte, verstrich wertvolle Zeit für die Aufklärung. Das soll nicht mehr passieren. Die Auswahl des Vorsitzes soll schneller geregelt werden, so Gasselich. „Die Uhr beginnt künftig erst mit der ersten Sitzung zu laufen“, so Auer-Stüger. Und: Die Verlängerung einer U-Kommission um drei Monate soll ermöglicht werden, dazu soll die Mehrheitsfraktion eine U-Kommission nicht mehr allein beenden können.