Das kleine Wiener Handball-Wunder
Hintergrund. Die Fivers Margareten könnten ihre Reise in der European League heute in Toulouse mit dem Aufstieg krönen.
Toulouse/Wien. Für die Handballer der Fivers Margareten entscheidet sich heute Abend, ob die wundersame Reise im Europacup eine weitere Fortsetzung findet. Beim Auswärtsspiel gegen den französischen Topklub Fenix Toulouse genügt den Wienern im letzten von zehn Gruppenspielen eine Niederlage mit vier Toren Differenz für den Aufstieg ins EuropeanLeague-Achtelfinale. Nach dem sensationellen 37:32-Erfolg im Hinspiel könnte sich die Mannschaft von Trainer Peter Eckl sogar eine Niederlage mit fünf Toren Differenz leisten, sollte Toulouse nicht mehr als 37 Tore werfen.
Dass der Außenseiter aus dem fünften Wiener Gemeindebezirk in der Sechsergruppe gegen teilweise weitaus höher eingestufte Gegner tatsächlich die Chance auf den für das Achtelfinale nötigen vierten Platz hat, ist an sich schon eine gewaltige Leistung. Manager Thomas Menzl spricht von „einem Märchen, das wir vollenden wollen. Davon haben wir zu Beginn der European League nicht einmal zu träumen gewagt“. Im Vergleich zur Konkurrenz aus Polen (Wisla Plock), Russland (Tschechow), Spanien (Leon),´ Nordmazedonien (Metalurg Skopje) und eben Frankreich (Toulouse) stellt Österreichs Vertreter keine Profimannschaft, sondern eine schlagkräftige Truppe aus Lehrern, Controllern oder Studenten.
Lehrer gegen Vollprofis
Theoretisch hätte für die Fivers in der European League – unter der Champions League die zweithöchste Spielklasse im europäischen Vereinshandball – nicht wirklich Zählbares herausschauen dürfen. Während der 60 Minuten auf dem Feld zeigte sich ein anderes Bild: Zwei Siege und zwei Unentschieden stehen auf der Habenseite, es hätte sogar noch mehr sein können. Wie das möglich ist? Menzl sieht im Gespräch mit der „Presse“durchaus Vorteile bei seiner Mannschaft, die nicht bunt zusammengewürfelt, sondern über Jahre gewachsen ist. Sie verzichtet gänzlich auf Legionäre, und mit der Ausnahme von Torhüter-Routinier Wolfgang Filzwieser (Anfänge in St. Pölten) entspringen alle Kaderspieler der eigenen Schmiede (Handballcity Margareten).
Die Akteure haben Systeme und Spielidee verinnerlicht, die Wiener sind ohne Übertreibung wohl die eingeschworenste aller Mannschaften in der European League. Menzl: „Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.“
Wer glaubt, dass die internationalen Auftritte der Fivers einen Geldregen über Margareten zur Folge haben, der irrt gewaltig. Um nach überstandener Qualifikation überhaupt an der Gruppenphase teilnehmen zu können, mussten innerhalb von nur zwei Wochen 120.000 Euro aufgetrieben werden. Die treuen Sponsoren zeigten sich trotz Krise großzügig und ermöglichten erst die Trips nach Russland oder Polen. Zum heutigen Spiel nach Toulouse geht es trotzdem via Amsterdam, ein Charterflug hätte 25.000 Euro gekostet. Menzl: „Das kommt leider nicht infrage.“
6000 Euro an Punkteprämien durch die Europäische Handballföderation (für jeden Punkt 1000 Euro) haben die Wiener bislang eingenommen. Diese landen in der Mannschaftskasse, werden in ein künftiges Trainingslager in wärmeren Gefilden investiert. Sollte tatsächlich der Aufstieg ins Achtelfinale gelingen, ist seitens der EHF eine Nenngebühr fällig. Im Fußball wäre all das unvorstellbar.
Dass die Fivers ihre EuropeanLeague-Heimspiele in der Hollgasse spielen dürfen, ist Corona und einem Paradoxon „geschuldet“. Normalerweise schreibt die EHF in der Gruppenphase Hallen mit einer Kapazität von 3000 Zuschauern vor. Weil Fans quer durch Europa derzeit kaum oder gar nicht erlaubt sind, hat der europäische Verband von den üblichen Richtlinien abgesehen. Sonst ist die Hallenproblematik ein altbekanntes Problem, das 2024 in Wien gelöst sein sollte: Denn dann bekommt die Bundeshauptstadt eine neue Ballsporthalle.