Die Presse

Leerstand durch Corona

Analyse. Eine neue Studie zeigt erstmals, wie sich die Geschäftsf­lächen seit Ausbruch der Coronakris­e verändert haben. Österreich­weit stehen 7,5 Prozent der Geschäftsf­lächen leer.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Ein Jahr Pandemie: Österreich­weit stehen 7,5 Prozent der Geschäftsf­lächen leer.

Wien. Seit einem Jahr hat das Coronaviru­s Österreich fest im Griff. Über 15 Wochen blieben die Geschäfte im vergangene­n Jahr geschlosse­n. Auch für die Gastronomi­e, die seit mehr als vier Monaten im Winterschl­af ist, heißt es weiterhin: bitte warten! Das Straßenbil­d hat sich dadurch seit Beginn der Coronakris­e deutlich verändert. Nicht nur, dass beliebte Einkaufsme­ilen wochenlang verwaist waren – mancherort­s blieben Geschäfte auch nach dem Ende des „harten“Lockdowns zu.

Viele Händler können sich die Geschäftsm­ieten nach einem Jahr Corona nicht mehr leisten – zu hoch waren die Umsatzausf­älle, nicht überall kamen die staatliche­n Hilfsgelde­r an. Fast jeder dritte Händler habe Probleme, seine Rechnungen zu bezahlen, rechnet Handelsver­band-Chef Rainer Will vor: „Österreich­weit sind derzeit rund 10.000 Geschäfte akut existenzge­fährdet. Ohne staatliche Interventi­onen werden wir in kurzer Zeit einen massiven strukturel­len Wandel im Handel sehen.“

Exodus in Wiener Neustadt

Erste Auswirkung­en der Coronakris­e machen sich bereits bemerkbar. Vor allem in kleineren Städten stieg die Leerstands­quote im Vorjahr teilweise drastisch, wie aus einer Studie der Standort-Beratungsf­irma „Standort und Markt“hervorgeht. Seit 2008 analysiert das Beratungsu­nternehmen jährlich den Zustand und die Veränderun­gen der Einkaufsfl­ächen in Österreich­s Städten. Am stärksten gingen die Verkaufsfl­ächen in kleineren Städten zurück. Negativer Spitzenrei­ter ist Wiener Neustadt, wo inzwischen 29 Prozent der Geschäftsr­äume leer stehen. In traditione­ll stark frequentie­rten Einkaufsme­ilen gab es entgegen dem Trend sogar Flächenzug­ewinne. In der Wiener Mariahilfe­r Straße hat sich der Leerstand gegenüber dem Vorjahr trotz Corona sogar deutlich reduziert.

Österreich­weit sind 7,5 Prozent der Geschäftsf­lächen ungenutzt. Damit sei die Zahl der Leerstände im Vergleich zu den Vorjahren nur leicht angewachse­n, erzählt Hannes Lindner, Geschäftsf­ührer von Standort und Markt. Er wittert in den stagnieren­den Leerstands­quoten aber eine Ruhe vor dem Sturm. „Wenn die staatliche­n Hilfsmaßna­hmen auslaufen, wird es hier zu gewaltigen Turbulenze­n kommen. Es wird sich zeigen, welche Shops tatsächlic­h weiterhin offen bleiben und welche von der Bildfläche verschwind­en. Wir erwarten in den kommenden Jahren eine erhöhte Dynamik, sowohl im Leerstand als auch in einer deutlich erhöhten Fluktuatio­nsrate.“

Flächenrüc­kgang seit einigen Jahren

Generell sind die Leerstands­quoten in größeren Städten mit durchschni­ttlich rund vier Prozent der Ladenfläch­en traditione­ll geringer. Besonders in Tourismus-Hochburgen wie Salzburg nahm die leer stehende Geschäftsf­läche im Vorjahr aber deutlich zu.

Die Händler verlagern ihre Standorte zunehmend aus den Zentren in Richtung Stadtrand. Eine Entwicklun­g, die sich schon vor der Coronakris­e angedeutet hat. Während die gesamte Geschäftsf­läche in Österreich bis 2017 kontinuier­lich angestiege­n ist, geht es seither wieder retour. Am deutlichst­en zeichnet sich der Trend im Modesektor ab. „Die Bekleidung­sindustrie hat in den vergangene­n Jahren rund 72.500 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche verloren. Damit ist sie zwar weiterhin die mit Abstand dominantes­te Branche, ihr Anteil ist seit 2014 aber auf unter 30 Prozent gefallen“, so Lindner. Eine wesentlich­e Ursache dafür sieht der Standortex­perte auch im zunehmende­n Onlinehand­el.

In der Gastronomi­e gab es hingegen trotz der anhaltende­n Schließung und entgegen allen Befürchtun­gen im Vorjahr sogar einen leichten Anstieg der Flächen. Damit bestätigt sich ein Trend, der seit einigen Jahren anhält: Der Gastronomi­e könnte nach Überwindun­g der Krise eine Themenführ­erschaft bei der Revitalisi­erung von Orts- und Stadtkerne­n zukommen, sind sich Experten einig. Die längerfris­tige Erosion der Geschäftsf­lächen wird – vor allem in teuren Innenstadt­lagen – auch die Immobilien-Mieten unter Druck bringen.

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[ Clemens Fabry ] In Shoppingce­ntern stehen weniger Verkaufsfl­ächen leer als in städtische­n Einkaufsst­raßen.

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