Leerstand durch Corona
Analyse. Eine neue Studie zeigt erstmals, wie sich die Geschäftsflächen seit Ausbruch der Coronakrise verändert haben. Österreichweit stehen 7,5 Prozent der Geschäftsflächen leer.
Ein Jahr Pandemie: Österreichweit stehen 7,5 Prozent der Geschäftsflächen leer.
Wien. Seit einem Jahr hat das Coronavirus Österreich fest im Griff. Über 15 Wochen blieben die Geschäfte im vergangenen Jahr geschlossen. Auch für die Gastronomie, die seit mehr als vier Monaten im Winterschlaf ist, heißt es weiterhin: bitte warten! Das Straßenbild hat sich dadurch seit Beginn der Coronakrise deutlich verändert. Nicht nur, dass beliebte Einkaufsmeilen wochenlang verwaist waren – mancherorts blieben Geschäfte auch nach dem Ende des „harten“Lockdowns zu.
Viele Händler können sich die Geschäftsmieten nach einem Jahr Corona nicht mehr leisten – zu hoch waren die Umsatzausfälle, nicht überall kamen die staatlichen Hilfsgelder an. Fast jeder dritte Händler habe Probleme, seine Rechnungen zu bezahlen, rechnet Handelsverband-Chef Rainer Will vor: „Österreichweit sind derzeit rund 10.000 Geschäfte akut existenzgefährdet. Ohne staatliche Interventionen werden wir in kurzer Zeit einen massiven strukturellen Wandel im Handel sehen.“
Exodus in Wiener Neustadt
Erste Auswirkungen der Coronakrise machen sich bereits bemerkbar. Vor allem in kleineren Städten stieg die Leerstandsquote im Vorjahr teilweise drastisch, wie aus einer Studie der Standort-Beratungsfirma „Standort und Markt“hervorgeht. Seit 2008 analysiert das Beratungsunternehmen jährlich den Zustand und die Veränderungen der Einkaufsflächen in Österreichs Städten. Am stärksten gingen die Verkaufsflächen in kleineren Städten zurück. Negativer Spitzenreiter ist Wiener Neustadt, wo inzwischen 29 Prozent der Geschäftsräume leer stehen. In traditionell stark frequentierten Einkaufsmeilen gab es entgegen dem Trend sogar Flächenzugewinne. In der Wiener Mariahilfer Straße hat sich der Leerstand gegenüber dem Vorjahr trotz Corona sogar deutlich reduziert.
Österreichweit sind 7,5 Prozent der Geschäftsflächen ungenutzt. Damit sei die Zahl der Leerstände im Vergleich zu den Vorjahren nur leicht angewachsen, erzählt Hannes Lindner, Geschäftsführer von Standort und Markt. Er wittert in den stagnierenden Leerstandsquoten aber eine Ruhe vor dem Sturm. „Wenn die staatlichen Hilfsmaßnahmen auslaufen, wird es hier zu gewaltigen Turbulenzen kommen. Es wird sich zeigen, welche Shops tatsächlich weiterhin offen bleiben und welche von der Bildfläche verschwinden. Wir erwarten in den kommenden Jahren eine erhöhte Dynamik, sowohl im Leerstand als auch in einer deutlich erhöhten Fluktuationsrate.“
Flächenrückgang seit einigen Jahren
Generell sind die Leerstandsquoten in größeren Städten mit durchschnittlich rund vier Prozent der Ladenflächen traditionell geringer. Besonders in Tourismus-Hochburgen wie Salzburg nahm die leer stehende Geschäftsfläche im Vorjahr aber deutlich zu.
Die Händler verlagern ihre Standorte zunehmend aus den Zentren in Richtung Stadtrand. Eine Entwicklung, die sich schon vor der Coronakrise angedeutet hat. Während die gesamte Geschäftsfläche in Österreich bis 2017 kontinuierlich angestiegen ist, geht es seither wieder retour. Am deutlichsten zeichnet sich der Trend im Modesektor ab. „Die Bekleidungsindustrie hat in den vergangenen Jahren rund 72.500 Quadratmeter Verkaufsfläche verloren. Damit ist sie zwar weiterhin die mit Abstand dominanteste Branche, ihr Anteil ist seit 2014 aber auf unter 30 Prozent gefallen“, so Lindner. Eine wesentliche Ursache dafür sieht der Standortexperte auch im zunehmenden Onlinehandel.
In der Gastronomie gab es hingegen trotz der anhaltenden Schließung und entgegen allen Befürchtungen im Vorjahr sogar einen leichten Anstieg der Flächen. Damit bestätigt sich ein Trend, der seit einigen Jahren anhält: Der Gastronomie könnte nach Überwindung der Krise eine Themenführerschaft bei der Revitalisierung von Orts- und Stadtkernen zukommen, sind sich Experten einig. Die längerfristige Erosion der Geschäftsflächen wird – vor allem in teuren Innenstadtlagen – auch die Immobilien-Mieten unter Druck bringen.