Die Presse

Der Richter, der die Amerikaner einen soll

USA. Merrick Garland, Joe Bidens Kandidat für das Justizmini­sterium, steht kurz vor der Bestätigun­g. Er gilt als Spezialist für Inlandster­ror.

- VON ELISABETH POSTL

Wien/Washington. Beinahe wäre Merrick Garland ein Schicksal zuteil geworden, das es in Washington öfter gibt: das Schicksal, unverschul­det als Verlierer auf die Wartebank der Geschichte abgeordnet zu werden. Der Oberste Richter war 2016 Barack Obamas Wunschkand­idat für den Supreme Court gewesen; der damalige Mehrheitsf­ührer im Senat, Mitch McConnell, verweigert­e Obama eine Anhörung des Kandidaten im Senat – unter Verweis auf die republikan­ische Mehrheit dort und in der Hoffnung, einen dezidiert konservati­ven Richter einsetzen zu können.

Knapp ein Jahr später war Donald Trump Präsident, und statt Garland wurde Neil Gorsuch Höchstrich­ter. Das Vorgehen war einmalig in der US-Geschichte, und Garland erlangte eine derart traurige Berühmthei­t, dass Menschen sich auf offener Straße unter Tränen bei ihm entschuldi­gten, wie US-Medien berichtete­n.

Garland soll derlei fürchterli­ch zuwider gewesen sein. Aber für viele US-Amerikaner dürfte es dennoch einer kollektive­n Abbitte gleichkomm­en, dass Trumps demokratis­cher Nachfolger, Joe Biden, Garland als Justizmini­ster vorgeschla­gen hat. In einer Finte der Geschichte will sogar McConnell, der Mann, der ihm den Platz im Höchstgeri­cht aus Machtkalkü­l verwehrte, für Garland als Justizmini­ster stimmen.

So weit könnte es demnächst sein. Am Montag stimmte der Justizauss­chuss im Senat über Garlands Nominierun­g ab, nachdem der Richter über seine Ansichten und Vorhaben befragt worden war. Die Entscheidu­ng fiel 15 zu sieben aus, vier Republikan­er stimmten mit den Demokraten. Nun ist der Senat am Zug.

Fokus auf Kapitol-Sturm

Nach Garlands Anhörung im Ausschuss spotteten politische Beobachter in den USA, McConnell habe wohl gewusst, warum er dem heute 68-Jährigen seine Anhörung im Senat verweigert hatte: Garland gilt nicht nur als Moderater, sondern er ist schlicht ein starker Kandidat. Und einer, der wohl nicht nur mit McConnells Stimme vonseiten der Republikan­er rechnen kann. Auf ein solch einendes Zeichen zählt wohl auch Biden – nach Jahren, in denen Trump das Justizmini­sterium mehr als politische­n Spielball denn unabhängig­e Behörde gesehen haben dürfte.

Tatsächlic­h könnte Garlands Nominierun­g zeitlich treffender nicht sein. Er erlangte in den 1990er-Jahren nationale Anerkennun­g, als er für das Ministeriu­m die Ermittlung­en um das Bombenatte­ntat in Oklahoma City leitete. 168 Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben.

Die Täter waren US-Amerikaner, die rechte Verschwöru­ngstheorie­n aufgesogen hatten. Garland gilt seitdem als Experte für Inlandster­ror, Insofern ist es wenig verwunderl­ich, dass er während seiner Anhörung vergangene Woche die Aufklärung des Sturms auf das Kapitol am 6. Jänner zu einer seiner Prioritäte­n als Minister erklärte. Explizit hob er den Zusammenha­ng zwischen rechtem Extremismu­s und Rassismus hervor – weiße Rassenfana­tiker seien historisch gesehen nach wie vor die größte innere Bedrohung in den USA.

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[ Imago ] Richter Merrick Garland gilt als Zentrist.

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