Das radikale Lockdown-Modell
Neuseeland. Ein Wiener erzählt, wie sich die Stadt Auckland mit Disziplin ein normales Leben erkämpft.
Auckland/Wien. Viele Bewohner Aucklands sind derzeit sauer. Seit Sonntag befindet sich Neuseelands größte Stadt samt Umland mit knapp zwei Millionen Einwohnern erneut im Lockdown für vorerst eine Woche. Sauer sind sie aber nicht so sehr auf die Regierung, welche die Schließung von Schulen, Restaurants und Geschäften anordnete, sondern vielmehr auf jene Personen, die sich nicht an die Corona-Maßnahmen gehalten und damit für die Verbreitung des Virus und den neuerlichen Lockdown gesorgt haben.
„Die Neuseeländer verstehen, warum es jetzt wieder so streng wird“, erzählt der Wiener Patrick Öffl, der zur Zeit mitten im Lockdown in Auckland steckt. „Aber sie haben kein Verständnis dafür, warum Einzelne die Regeln verletzen“, sagt der 32-Jährige. Er ist seit November in Auckland, um an der Vorbereitung des renommierten America’s Cup mitzuarbeiten. Die Segelregatta hätte an diesem Wochenende starten sollen, der Auftakt musste aber aufgrund des Lockdowns verschoben werden.
Alle benutzen eine App
„Wir benutzen alle eine App“, erzählt Öffl, der als Produktionsleiter für eine Wiener Firma tätig ist, die rund um das älteste Segelrennen der Welt die TV-Bilder liefert. Mit dieser Handy-App könne man mit „null Aufwand“sein digitales Corona-Tagebuch führen. Nicht nur im Innenbereich seien überall Schilder mit QR-Codes angebracht, auch im Freien wie etwa in Parks könne man jederzeit „einchecken“und seinen Aufenthalt bekannt geben.
In Neuseelands bisher sehr erfolgreichem Pandemie-Management spielen die Corona-App, die strengen, aber kurzen regionalen Maßnahmen wie eben jener Lockdown für Auckland sowie die konsequente Kontaktnachverfolgung eine wesentliche Rolle. Das zeigt auch der jüngste Fall, der „M“genannt wird und der Auslöser für die derzeitige Misere ist und das Leben in relativer Normalität, zu dem Neuseeland zurückgekehrt war, wieder unterbricht. „M“wird einem Cluster in Auckland zugerechnet, der auf insgesamt 15 Personen in vier Familien angewachsen ist. Alle derzeit in ganz Neuseeland aktiven Coronafälle gehören diesem Cluster an.
Rasche Kontaktverfolgung
Der Ärger über das Fehlverhalten Einzelner ist groß: Einige Mitglieder dieser vier Familien haben sich nach erfolgten Coronatests nicht an die vorgesehene Selbstisolation gehalten. Sie gingen zur Arbeit – eine Person in einem Supermarkt, eine weitere arbeitete in einem Schnellimbiss. Zudem dürfte bei der Angabe von Kontakten den Behörden gegenüber geschummelt worden sein. Und auch „M“, ein 21 Jahre alter Student, ging nach dem Test ins Fitnesscenter, in den Supermarkt, zu Vorlesungen und in ein Fastfood-Lokal. Dann bekam er das positive Ergebnis.
Doch dann setzte sofort die Arbeit der Behörden ein: Knapp 2000 Personen, mit denen „M“in Kontakt gekommen sein könnte, wurden zum Coronatest beordert oder meldeten sich selbst. Ihre Selbstisolation wird durch die Polizei kontrolliert. Premierministerin Jacinda Ardern rief die Bevölkerung dazu auf, Regelbrecher zurechtzuweisen und wenn nötig der Polizei zu melden.
Nach Einreise in Quarantäne
Wie streng es Neuseeland mit Corona-Bestimmungen nimmt, bekam Patrick Öffl gleich nach der Einreise zu spüren: Nachdem das Flugzeug gelandet war, wurden alle Passagiere direkt in ein Quarantäne-Hotel der Regierung gebracht. „Dort musste man zwei Wochen völlig abgeriegelt verbringen. Es gab keine Chance, das Hotelgelände zu verlassen.“Drei Mal täglich wurde Essen vor die Tür gestellt. Danach wurde Öffl „entlassen“: „in eine freie Welt, ohne Restriktionen, ohne Corona“. Der derzeitige Lockdown wird nur als kurze Unterbrechung gesehen.