Lärm und hohes Alter als Hauptursachen
Vermindertes Hörvermögen kann verschiedene Gründe haben. Entsprechend unterschiedlich sind die Behandlungsmöglichkeiten. Wichtig ist in jedem Fall, mit Maßnahmen nicht zu lang zu zögern.
Sehen und Hören sind die wohl wichtigsten Sinne des Menschen. Umso erstaunlicher, dass die Zahl der Menschen mit Hörschädigungen beachtlich ist: In Österreich sind rund 20 Prozent der Bevölkerung von Hörminderungen betroffen. „Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Schallleitungsschwerhörigkeit und Schallempfindungsschwerhörigkeit“, erklärt Birgit Erlacher, Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde bei den Barmherzigen Brüdern, Wien. „Bei Ersterer kann das Geräusch nicht ungehindert durch das Außen- und Mittelohr zum Innenohr übertragen werden. Der Ton kommt gedämpft oder gar nicht an, das führt zu einer Hörminderung. Bei Zweiterer kommen die Tonschwingungen zwar im Mittelohr an, können dort aber nicht weiterverarbeitet und an das Gehirn übertragen werden.“
Vielfältige Ursachen
Die Ursachen können ganz unterschiedlich sein. „Die häufigsten Ursachen für eine Schallleitungsschwerhörigkeit sind eine Blockierung des äußeren Gehörganges, Infektionen, Flüssigkeit im Mittelohr, Verletzungen des Trommelfells oder Defekte an der Gehörknöchelchenkette. Gründe für eine Schallempfindungsschwerhörigkeit können neben der Altersschwerhörigkeit auch ein Hörsturz sein, zu viel Umgebungslärm, Infektionen des Innenohrs und angeborene Schwerhörigkeit“, sagt Wolfgang Gstöttner, Vorstand der HNO-Abteilung der Med-Uni Wien.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Hörstörungen zu diagnostizieren. Bei der Otoskopie schaut der Arzt schlicht in den Gehörgang und kann so rasch feststellen, ob Fremdkörper, Ohrenschmalz oder eine Infektion des Trommelfells die Ursachen sind. Mit der Tonschwellenaudiometrie können Schwere und Art der Hörminderung ermittelt werden. In einer schalldichten Kammer werden dem Patienten Töne vorgespielt. Bei der Tympanometrie werden Reflexe und Funktion des Mittelohrs geprüft.
Unterschiedlich sind auch die Therapien. Bei Schallempfindungsschwerhörigkeit werden meist Hörgeräte oder ein Cochlea-Implantat, ein elektronisches Gerät, das, chirurgisch eingepflanzt, direkt den Hörnerv stimuliert, eingesetzt. Das Um und Auf des Gelingens einer Therapie ist aber, möglichst schnell etwas gegen Hörminderungen zu tun. „Je schneller eine Diagnose gestellt und eine Therapie angewandt wird, desto eher hat man die Chance, sein Gehör einigermaßen zu erhalten. Das gilt vor allem für Babys und Kleinkinder, denen man, sofern es möglich ist, so schnell wie möglich ein Cochlea-Implantat einsetzen sollte, ebenso wie für die Altersschwerhörigkeit, damit man sich an das Hörgerät oder Implantat gewöhnen kann.
Hören wird verlernt
Denn gerade bei der Altersschwerhörigkeit kann es vorkommen, dass auch das beste Hörgerät nichts mehr hilft, wenn man zu lang gewartet hat, weil das Gehirn die Tonschwingungen dann nicht mehr in sinnvolle Worte umsetzen kann“, rät Erlacher zu einer möglichst schnellen Therapie.
Kaum jemand wird der Altersschwerhörigkeit entgehen. Etwa ab dem 50. Lebensjahr kommt es aufgrund des natürlichen Alterungsprozesses zum Abbau und Verschleiß der Hörnerven und Sinneszellen, wobei es individuell große Unterschiede gibt. Betroffene können häufig erst die hohen, im späteren Stadium auch die tiefen Töne nicht mehr hören – es fehlen in einem Satz einzelne Laute. Altersschwerhörigkeit ist in unseren Breiten die häufigste Hörminderung, was auch damit zusammenhängt, dass die Menschen immer älter werden. Dennoch gibt es auch hier große individuelle Unterschiede.
Abgesehen von genetisch bedingten Schäden lassen sich Hörstörungen zwar nicht völlig vermeiden, aber doch hintanhalten. „Einer der größten Faktoren für spätere Hörschäden ist der allgegenwärtige Lärm. Selbst normale Gesprächslautstärke kann – wenn man ihr täglich ununterbrochen ausgesetzt ist – zu einer Hörbeeinträchtigung führen, ganz zu schweigen von Dauerbeschallung mit lauter Musik. Nicht unwesentlich ist auch die Lebensweise, wenn sie zu schlechten Blutwerten führt. Und bei etwaigen Mittelohrentzündungen rate ich in jedem Fall zu Antibiotika, denn eine verschleppte Entzündung in diesem Bereich kann ebenfalls zu einer Hörminderung führen“, erklärt Gstöttner.
Vorsicht mit Wattestäbchen
Ebenso gefährlich und oft falsch verstandene Hygiene ist der Einsatz von Wattestäbchen. Sie sollten in keinem Fall in den Gehörgang geführt werden, da das zu Verletzungen des Außenohrs, des Trommelfells oder der dahinterliegenden Knöchelchen führen kann.
Vollkommene Gehörlosigkeit ist heute in erster Linie genetisch bedingt. „Hier liegt vermutlich die Zukunft in einer genetischen Therapie. In den USA wird zurzeit daran geforscht, Gendefekte mit körpereigenen Genen zu behandeln. Paradoxerweise geht das am besten mit Viren, die man zu Beispiel über das Cochlea-Implantat in den Körper einschleust. Aber das ist noch Zukunftsmusik“, meint Gstöttner.