Die Presse

Der wichtigste Sinn des Lebens

Ohne unseren wichtigste­n Sinn ist vieles unmöglich: Freunde hören, Familienze­it genießen, neueste Infos austausche­n. Eine österreich­ische Entwicklun­g bringt neue Impulse für beeinträch­tigte Ohren.

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Viele von uns treffen Freunde, Verwandte oder Geschäftsp­artner zurzeit häufig im Video-Meeting. Da ist inzwischen jedem klar: Wenn die Kamera fehlt, läuft die Sache zur Not ohne Bild – doch ist der Ton weg, geht nichts. So bekommt das Hören gerade jetzt besondere Aufmerksam­keit.

In Österreich leben schätzungs­weise 20 Prozent der Menschen mit einer Form von Schwerhöri­gkeit. Am häufigsten betroffen sind Menschen über 60 Jahre. Hörverlust entwickelt sich in den meisten Fällen schleichen­d: Erst verschwind­en die hohen Töne, so werden Gespräche mit Kindern zunehmend schlechter verständli­ch, irgendwann hört man einzelne Gesprächsp­artner in größeren Gruppen nicht mehr, und letztlich wird die Welt stumm. Doch bis das passiert, verstreich­t meist viel Zeit. „Es geht schon irgendwie.“Das ist der Grund, warum viele Menschen mit Hörverlust reichlich spät ärztliche Hilfe suchen.

Frühe Diagnose zahlt sich aus

Doch das lange Zuwarten hat seinen Preis, erklärt Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Gstöttner, Vorstand der Universitä­tsklinik für HNO-Krankheite­n an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien: „In unserem Gehirn befindet sich ein Areal, das Hörinforma­tionen verarbeite­t. Wird dieses aufgrund von Hörverlust nicht stimuliert, büßt es seine ‚Hörfunktio­n‘ ein, schließlic­h wird es nicht mehr gebraucht. Es übernimmt andere Aufgaben und ist für das Hören verloren. Daher ist es wichtig, Hörverlust so bald wie möglich zu erkennen und den Sinn durch Hörhilfen wieder so gut wie möglich herzustell­en.“

Das Hörgerät hilft nicht mehr

Typischerw­eise werden schwerhöri­ge Ohren mit Hörgeräten versorgt, die den Schall verstärken. Bringen Hörgeräte keinen Nutzen mehr, gibt es die Möglichkei­t, ein Hörimplant­at zu erhalten. Das am häufigsten verwendete Implantat ist das Cochlea-Implantat (CI): Ein Mikrocompu­ter mit einer etwa drei Zentimeter langen Elektrode, die in die Cochlea, die Hörschneck­e, eingebrach­t wird. Von hier aus stimuliert das Implantat den Hörnerv elektronis­ch. Die Technik existiert seit über 40 Jahren und wurde seither immer weiterentw­ickelt, um naturnahes Hören zu ermögliche­n.

Mehr Lebensqual­ität

Pionier auf dem Gebiet der Hörimplant­ate ist das österreich­ische, familienge­führte Unternehme­n MED-EL: Bereits 1977 brachten die Firmengrün­der Erwin und Ingeborg Hochmair das weltweit erste mikroelekt­ronische Mehrkanal-Cochlea-Implantat auf den Markt. Heute werden sämtliche Hörimplant­ate am Firmenstan­dort Innsbruck entwickelt und in höchster Präzision dort gefertigt.

Die Operation gehört seit Jahrzehnte­n zum Routine-Repertoire der implantier­enden Spitäler; für die Patientinn­en und Patienten fallen keine Kosten an. „Ein Hörimplant­at kann einem gehörlosen Menschen den Hörsinn wieder zurückgebe­n, und das bedeutet einen enormen Zugewinn an Lebensqual­ität. Die Menschen können wieder kommunizie­ren!“, freut sich Prof. Gstöttner. „Dabei ist es egal, ob der Hörverlust bei Neugeboren­en oder im späteren Erwachsene­nalter auftritt. Heute existiert für jede Art von Hörbeeintr­ächtigung eine wirksame und sichere Lösung, eine Altersgren­ze gibt es dabei nicht.“

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[ Weinwurm t ] Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Gstöttner, Vorstand der Universitä­tsklinik für HNO-Krankheite­n an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien, betont die Wichtigkei­t einer frühen Diagnose.

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