Die Presse

Betriebe sind mit Politik unzufriede­n

Die Wirtschaft­spolitik bekommt im Umgang mit der Coronapand­emie von Unternehme­rn schlechte Noten. Mehr als die Hälfte der Mittelstän­dler wollen künftig auf Staatshilf­e verzichten.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Kaum zu glauben, aber es gibt sie – Unternehme­n, an denen Corona spurlos vorbeizieh­t. Jeder siebente mittelstän­dische Betrieb gibt an, keine Auswirkung der Pandemie wahrzunehm­en. Sieben Prozent verzeichne­n sogar mehr Umsatz. Doch die überwiegen­de Mehrheit kämpft mit Absatzrück­gängen, nachlassen­der Nachfrage, Stornierun­g von Aufträgen und einer stockenden Lieferkett­e. Das geht aus einer Studie der Unternehme­nsberatung EY unter mittelstän­dischen Unternehme­n mit 30 bis zu 2000 Mitarbeite­rn hervor.

Ein Jahr nach den ersten Beschränku­ngsmaßnahm­en macht sich Frust unter den Unternehme­rn breit. Sie zeigen sich von der Wirtschaft­spolitik im Umgang mit der hoch ansteckend­en Lungenkran­kheit nicht überzeugt. 69 Prozent der Mittelstän­dler bewerten die Covid-19- Politik in Österreich als „befriedige­nd“oder schlechter. Ein „sehr gut“erhält das hiesige Krisenmana­gement nur von vier Prozent der Befragten. Zwar ist die Stimmung besser als noch während der Jahre 2015 bis 2017, jedoch erhält die nationale Standortpo­litik immer weniger Zustimmung.

Unzufriede­nheit wächst

Eine ähnliches Bild ergibt sich auch in Deutschlan­d. Fast die Hälfte der deutschen Ökonomen zeigt sich mit der Berliner Corona-Wirtschaft­spolitik „eher unzufriede­n“oder „sehr unzufriede­n“. Das geht aus einer Ifo-Umfrage von 177 Volkswirte­n an deutschen Universitä­ten hervor. In vielerlei Hinsicht ist die heimische Politik den deutschen Maßnahmen gefolgt. In Deutschlan­d sei die Politik zu langsam und reagiereg unflexibel, beklagten die Ökon omen. Zudem kritisiert­en sie, dass es keine Öffnungspe­rspektiveg gebe. Diese wird in Ös terreich gerade entwickelt.

Doch die Rückkehr zum Status quo reicht nicht aus. Entscheidu­ngsträger und Politiker müssten sich mit anhaltende­m Krisenverl­auf auf strukturer­neuernde Maß

nahmen konzentrie­ren, fordert Johannes Schneider von EY. „Grundsätzl­ich stehen der Politik, aber auch Unternehme­n zwei Typen von Instrument­arien zur Krisenbewä­ltigung zur Verfügung: strukturer­haltende Maßnahmen wie die Kurzarbeit einerseits und strukturer­neuernde Maßnahmen wie beispielsw­eise die Investitio­nsprämie anderersei­ts.“In einer sich verändernd­en Welt würden bestehende Strukturen an Relevanz verlieren, erklärt Schneider.

Die bisherigen Hilfsmaßna­h

men fördern jedoch nicht gerade die Neuausrich­tung eines Unternehme­ns. Das Geschäft über Wasser zu halten und Fachkräfte zu sichern stand im Vordergrun­d. So haben fast drei Viertel der mittelstän­dischen Betriebe im vergangene­n Jahr staatliche Unterstütz­ungsleistu­ngen in Anspruch genommen – allen voran Kurzarbeit.

Dennoch konnten nicht alle Entlassung­en verhindert werden: 16 Prozent der KMU mussten Mitarbeite­r abbauen. „Die Coronapand­emie hat Schlag auf Schlag die heimische KMU-Landschaft durchgerüt­telt, und viele sind leider auf der Strecke geblieben“, sagt Erich Lehner von EY. „Nur wenige konnten aus den letzten Monaten Profit ziehen.“

Dass die Umsatzentw­icklung bis zum Halbjahr 2021 positiv ausfallen wird, glauben nur acht Prozent. Hingegen rechnet fast jeder Zweite mit niedrigere­n Umsätzen als ursprüngli­ch geplant. Im Durchschni­tt wird erwartet, dass die Absätze um zehn Prozent niedriger ausfallen werden als kalkuliert.

Immo-Branche kaum betroffen

Pikant ist, dass 58 Prozent der Unternehme­n aus dem ImmobilenS­ektor Staatshilf­e beanspruch­t haben. Bisher ist diese Branche jedoch am wenigsten von der Pandemie betroffen. Jeder neunte Immobilien-Betrieb erwartet sogar eine Umsatzstei­gerung. Im Durchschni­tt rechnet die Branche mit einem Umsatzrück­gang von lediglich einem Prozent. Ganz anders sieht es beim Tourismus aus. Hier soll sich das Geschäft um 33 Prozent verschlech­tern. In diesem Sektor wollen auch die meisten Unternehme­n (67 Prozent) in den kommenden Monaten weiterhin Staatshilf­e beantragen.

Über alle Branchen hinweg gaben allerdings mehr als die Hälfte der Mittelstän­dler an, auf weitere Hilfeleist­ungen zu verzichten. Selbst im Handel planen nur rund ein Drittel, Unterstütz­ung zu beantragen.

Zeigt sich damit ein wenig Optimismus? Jeder Zweite geht davon aus, dass sich das eigene Unternehme­n innerhalb eines Jahres von der Krise erholt haben wird. Ein Fünftel meint sogar, das in sechs Monaten zu schaffen.

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