„Ich bin eine Feministin wider Willen“
Elisabeth Leopold. Am heutigen Mittwoch feiert die Witwe von Schiele-Sammler Rudolf Leopold, Vorstandsmitglied des Leopold-Museums, ihren 95. Geburtstag. „Die Presse“besuchte die ehemalige Augenärztin in ihrem Haus in Grinzing.
Die Presse: Danke, dass ich Sie trotz dieser Zeit tatsächlich besuchen darf. Elisabeth Leopold: Sie können sogar ohne Maske sein, ich bin zweimal geimpft. Sonst, Schatzerle, würde ich das Wort Pandemie in unserem Gespräch bitte auslassen. Sie ist sicher für viele bitter, aber vergleichen kann man das nicht mit früheren schlimmen Zeiten. Stehts es einfach durch und lasst euch impfen. So, was kann ich für Sie tun?
Mir meine Neugierde zu Ihrem 95. Geburtstag verzeihen – zu dem Ihnen auch die neue Ausstellung im Leopold-Museum gewidmet wurde (siehe unten).
Ich habe schon zu Ihrem Fotografen gesagt: Heute bin ich nicht mehr interessant. Es war mein Leben, das interessant war. Man hätte mich mitten in diesem Stress erwischen müssen – von der Ordi zu den Kindern, da noch jemanden besuchen, dann nach Hamburg fliegen oder nach London, ein Bild anschauen, eine Ausstellung.
Damals hätten Sie keine Zeit gehabt für dieses Gespräch.
Es war schon toll. Aber reden wir über die Ausstellung. So eine Freude habe ich mit ihr! Sie konnte nur zustande kommen, weil wir die wunderbare Ausstellung der Sammlung Bührle absagen mussten, die wir uns jetzt nicht mehr leisten können mit den Transportkosten – und ein Waffen-Produzent war der Bührle auch, darauf hätten sich dann wieder alle gestürzt. Aber diese Ausstellung jetzt ist ein Teil der Sammlung Leopold, die moderne österreichische Farbmalerei, wie ich sie genannt haben möchte. Man muss schon sagen, dass diese österreichische Kunst von 1918 bis, sagen wir, 1960 ein bisserl unterschätzt ist. Erst jetzt freuen sich die Händler, gehen in die Ausstellung und jubeln – so schön sind diese Bilder!
Das glaube ich, dass die Händler sich über die Aufwertung der Malerei der Zwischenkriegszeit freuen.
Also, die Akte von Kolig sind doch großartig, der hat sogar in Pittsburgh ausgestellt, dem Zentrum der Eisenindustrie samt seiner Millionäre. Die haben Kolig gesammelt! Die österreichischen Künstler waren nicht so unbekannt.
Warum sind sie denn unterschätzt? Man erkennt doch in fast allen eine deutliche Orientierung nach Frankreich.
Natürlich, aber doch nicht nur. Das Problem dieser Kunst war ein politisches: dass der Staat Österreich so verachtet war. Er war politisch zerrissen, die Wirtschaft stand ganz schlecht da. Ich habe ja gelebt in dieser Zeit, meine Eltern waren bitterarm. Aber es war nicht so eine unglückliche Zeit, vor allem war sie frei und es kamen viele Intellektuelle, vor allem aus Deutschland, hierher. Und die Kunst hat so geblüht! Die Salzburger Festspiele wurden gegründet, in Nötsch entstand diese Künstlergemeinschaft mit Kolig als Brennpunkt. Und in Wien war Boeckl – ein sehr bedeutender Künstler, zumindest die ersten 25 Jahre, in denen es sich bei ihm nur um die Farbe drehte, keine Psychologie, kein Weltschmerz vorkommen.
Aber an die Bedeutung von Schiele und Klimt kommen sie doch nicht heran. Natürlich ist Schiele die Grundstütze der Sammlung, er war die erste Entdeckung vom Leopold. Da gab es sicher auch eine gewisse Parallele zu dem sehr empfindsamen Menschen Rudolf Leopold. Ich war 60 Jahre mit ihm verheiratet, ich weiß das.
Und was genau war die Parallele?
Der unbedingte Wahrheitsdrang, das ewige Zweifeln, die Unsicherheit. In gewisser Weise war ich die Starke und er das Seelchen.
In der Ausstellung sind keine Malerinnen vertreten, dabei war Ihnen das oft selbst ein Anliegen.
Die Keramikerinnen hätte man hereinnehmen können, die Broncia Koller. Aber mir waren vor allem die fünf Farbmaler wichtig.
Ich bin darauf gedrillt, auf die Kraft der Kunst und nicht auf das Geschlecht zu schauen. Dass die Frauen sich befreien konnten, ist wunderbar, aber es dauert eben eine gewisse Zeit, 100 Jahre vielleicht, bis sie ihre wirtschaftliche und sexuelle Unterdrückung aufholen können. Ich habe immer gesagt, ich bin Feministin wider Willen.
Wieso wider Willen?
Weil es so viele übertriebene Nocken gibt.
Mussten Sie Ihren Mann noch um Erlaubnis bitten? Oder hat er Sie um Rat gefragt? Schatzerle, das war noch eine andere Zeit. Da zeig’ ich Ihnen jetzt ein Foto . . . Bitte, da stehen wir hier im Hof vor zwei Schieles und einem Waldmüller, er hat die Bilder gern in der Sonne aufgestellt. Er hat seinen Arm um mich gelegt und schaut so lieb auf mich herunter. Nein, gefragt hat er mich nie, er war schon sehr selbstherrlich. Aber wir haben geredet über Kunst. Manchmal habe ich dann sehr gelitten, wenn wir etwas verkaufen mussten, um anderes kaufen zu können.
Wie steht es mit der Sammlung II?
Das sollte endlich geregelt werden. Die Sammlung II ist der Nachlass vom Leopold, die Bilder, die er um die 150 Millionen Euro gekauft hat, die er für den ersten Teil bekommen hat – 350 Millionen hat er dem Staat damals geschenkt, die Sammlung war ja auf 500 Millionen Euro geschätzt worden, das weiß heute nur niemand mehr. Seit 15 Jahren verwendet das Museum jetzt schon die Sammlung II, nicht nur für eigene Ausstellungen, sondern borgt sie auch her. Dabei ist das einzige, was wir dafür wollen, zwei Sitze im Vorstand.
Sind Sie zufrieden mit dem Museum?
Ich bin glücklich, hätte aber immer gern mehr Sammlung gezeigt. Deswegen bin ich so froh um diese Ausstellung. Und im Herbst will ich den Kubin haben!
Sie beschreiben in einem schmalen Buch anhand sieben Stationen von Schieles Weltkarriere auch Ihr Leben – unter anderem, wie Sie als Studentin Ihren Mann am Kahlenberg kennengelernt haben.
Er sagte: „Wenn Sie mit mir kommen, Fräulein, zeige ich Ihnen den Garten meiner Eltern.“Das tat ich – ohne zu wissen, dass ich dort die nächsten 60 Jahre verbringen sollte. Aber der Garten ist immer noch schön.