Die Presse

Die Farben der Melancholi­e

Leopold Museum. Einige Ehrenrettu­ngen hat die österreich­ische Malerei der Zwischenkr­iegszeit schon erleben dürfen. Das hier ist sicher ein eleganter, konzentrie­rter Versuch. Aber ohne große Überraschu­ngen.

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Das Leben und die Kunst sind manchmal nicht gerecht. Manchmal hat man in Ersterem das Pech, einer großen Liebe zu folgen („Man ist nicht zum Leben, sondern zum Lieben auf der Welt“, gibt einem Elisabeth Leopold dazu mit auf den Weg). Manchmal in Zweiterem das Pech, einer großen Künstlerge­neration, einer kunstgesch­ichtlich herausrage­nden Epoche zu folgen. So muss es der Generation nach Gerstl, Klimt und Schiele gegangen sein. Der Tod von letzteren beiden 1918 fiel noch dazu mit dem Beginn dessen zusammen, was man auf Wiens Kunstgesch­ichte-Institut einst spröde „Kunst der Zwischenkr­iegszeit“nannte.

Deutschlan­d hatte dabei seine dunkle Neue Sachlichke­it mit beißendem Humor, politische­r Härte und einer ordentlich­en Portion Sex. Wir hatten Herbert Boeckl. Das klingt jetzt gemeiner, als es ist. Der Blick von heute zurück auf diese Zeit vor dem Nationalso­zialismus weiß nun einmal mehr Inhaltlich­es als subtile Formalität­en zu würdigen. Und während Berlin damals im Urbanen schwelgte, hatten sich die geknickten Österreich­er aufs Land zurückgezo­gen, wie sie das nun einmal so tun – und malten es.

Egger-Lienz die Bauern, Alfons Walde den Schnee, beide in ihrer Weise großartig. Mit den beiden beginnt die neue Ausstellun­g „Menschheit­sdämmerung“(nach einer Anthologie expression­istischer Gedichte von Pinthus), die Leopold-Direktor Hans-Peter Wipplinger kuratiert hat (und damit Elisabeth Leopold zum 95er einen Wunsch erfüllte).

Anhand von elf Malern taucht er in die Tiefen der Sammlungen Leopold I und II ein. Dass jedem Künstler ein eigener Raum gewidmet ist, ermöglicht auch, die Tiefen der jeweiligen Werke besser erahnen zu können, was bei manchen mehr, manchen weniger neugierig macht. Die besonderen Qualitäten eines Josef Dobrowsky etwa, den Leopold besonders schätzte, erschließe­n sich einem hier nicht.

Wobei der Saal mit den großen Männerakte­n Anton Koligs wie gewohnt überwältig­t. Hier kann man auch an Gerstl denken, ohne unglücklic­h zu werden (wobei dieser alle Farb-Expression­isten hier und anderswo schon längst überholt hatte).

Eindeutig ist Kolig der spannendst­e aus dem Nötscher Kreis. Genauso wie Boeckl die Konkurrenz in der von den meisten gepflegten Cezanne-´Liebe weit hinter sich lässt. Aber das sind keine Neuigkeite­n. Große Überraschu­ngen wird man hier sowieso nicht finden, dafür einen sehr elegant gehängten Überblick des Künstler-Establishm­ents dieser Zeit.

Wobei: Hans Böhler ist vielleicht doch einen zweiten, einen neuen Blick wert. Der Wiener Industriel­lensohn, der es sich am weitesten zu reisen leisten konnte, ist vergleichs­weise wenig bekannt. Er war extrem experiment­ierfreudig, probierte exotische Farbkombin­ationen aus. Manches erinnert fast an USColourfi­eld-Malerei, die Gesichter an Puppen, an Larven. Seine lebenslang­e Gefährtin übrigens war das Schiele- und Klimt-Modell Friederike Beer. (sp)

 ?? [ Leopold-Museum ] ?? Weitgereis­ter Maler: Hans Böhler, „Spanierin“, 1919.
[ Leopold-Museum ] Weitgereis­ter Maler: Hans Böhler, „Spanierin“, 1919.

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