Die Presse

ARD und ZDF fusioniere­n?

Fernsehen in Deutschlan­d. Erst zwingt die verweigert­e Gebührener­höhung ARD und ZDF in ein Sparprogra­mm, dann hegen Politiker Fusionside­en. Ein Sturm der Liebe ist das nicht.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R

Als der Wirtschaft­sflügel von CDU/ CSU, die Mittelstan­dsvereinig­ung, neulich Ideen für eine Fusion von ARD und ZDF lancierte, sah sich Jan Böhmermann veranlasst, einen Tweet abzusetzen. „Die Mittelstan­dsvereinig­ung der CDU sollte mit der rechtsextr­emen AfD fusioniere­n. Das wäre günstiger, inhaltlich sinnvoll und unnötige Mehrfachst­rukturen würden so entfallen.“In dem schlichten Beitrag versteckt sich keine hochgeisti­ge Metaebene. Unter dem Mäntelchen der Satire rückte der ZDF-Komödiant den Wirtschaft­sflügel ins rechteste Eck und vermengte dessen Reformidee­n mit rechten Fantasien vom Ende der Öffentlich-Rechtliche­n.

Die Episode um die Fusionsvor­schläge ist dabei nicht ohne Pointe. Nur, dass sie nicht Böhmermann liefert, sondern die Historie. Denn der von Teilen der CDU in Frage gestellte zweite Sender war ein Herzenswun­sch von CDU-Übervater Konrad Adenauer. „Union gegen Adenauer“, witzelte daher „Die Welt“. Der konservati­ve Rheinlände­r hatte Ende der Fünfziger ein gutes Näschen für den kommenden Bedeutungs­zuwachs des Fernsehens, den SPD-Kanzler Gerhard Schröder viele Jahre später in den Satz fasste: „Zum Regieren brauche ich nur Bild, BamS und Glotze“. Und Kanzler Adenauer schien die ARD zu links. Sein Traum vom bundespoli­tisch gesteuerte­n Staatsfern­sehen vertrug sich freilich keineswegs mit dem Grundgeset­z, weshalb 1963 ein weiterer föderal organisier­ter Sender entstand: das Zweite Deutsche Fernsehen, das ZDF.

Dass ARD und ZDF nun fusioniere­n, ist so wahrschein­lich, wie, dass die Öffentlich­Rechtliche­n den Quotenköni­g Florian Silbereise­n aus freien Stücken absetzen: Es wird wohl nicht passieren. Der Reformdruc­k ist aber merklich gestiegen, gar eine Grundsatzd­ebatte entbrannt, die ihren Ausgang im Osten nimmt, in Sachsen-Anhalt (wo ARD und ZDF prinzipiel­l weniger wohlgelitt­en sind). Dort hatte die CDU ihre Zustimmung für eine Erhöhung des Rundfunkbe­itrags verweigert und diese damit bundesweit gekippt. Die 86-Cent-Schlacht wird final vom angerufene­n Verfassung­sgericht entschiede­n. Ausgang offen. Aber vorerst zahlt der Deutsche monatlich 17,50 und nicht 18,36 Euro im Monat. Der Unterschie­d klingt gering, in der Summe schmerzt er die Öffentlich-Rechtliche­n aber, die jährlich rund acht Milliarden Euro aus Gebühren einnehmen. Ohne richterlic­hen Beistand wären „gravierend­e Maßnahmen“nötig, „die man im Programm sehen und hören wird“, warnte jüngst ARDChef Tom Buhrow. Erste Anstalten kürzen die Gehälter, andere im Programm. Und die Republik zerbricht sich den Kopf darüber, was das Öffentlich-Rechtliche leistet, was es leisten kann und was es leisten soll.

Diese Debatte kommt in Wellen und sie kreist stets um ähnliche Fragen, um das Spannungsv­erhältnis zwischen Quote und

Qualität zum Beispiel, also ob flache Krimis und Seifenoper­n wie „Sturm der Liebe“ein Muss sind. Anderersei­ts: Unterhaltu­ng zählt zum Programmau­ftrag. Es geht um Streaming-Konkurrenz, das hohe Durchschni­ttsalter der Zuseher (60), natürlich auch um Gehälter, Privilegie­n, doppelte Strukturen, eine vermeintli­ch aufgeblase­ne Bürokratie, und um Politik. Nicht nur in der AfD, teilweise auch an der CDU-Basis wird ARD und ZDF eine Schlagseit­e unterstell­t. Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise nannte Horst Seehofer (CSU) die Berichters­tattung „realitätsf­ern“. Für Politiker sind solche Einlassung­en heikel, rasch ist die Frage da: Rüttelt da jemand an der Medienfrei­heit, weil ihm die Berichters­tattung nicht gefällig genug ist?

Die ARD ist ein behäbiger Riese

Inzwischen gibt es mindestens so viele Reformvors­chläge wie das Öffentlich-Rechtliche Programme zählt. Allein unter dem Dach der ARD tummeln sich neun Landesrund­funkanstal­ten, vom Winzling Radio Bremen bis zum mächtigen NDR (Heimat der „Tagesschau“) und WDR. Die ARD zählt elf großteils regionale Fernsehpro­gramme, 55 Radiosende­r, 16 Orchester und acht Chöre. Sie ist ein Riese mit 23.000 Angestellt­en. Aber ein behäbiger. Wenn Notre Dame brennt oder das Kapitol gestürmt wird: Immer muss der TV–Zuseher auf private Nachrichte­nkanäle ausweichen, weil der Riese noch döst.

Die Mittelstan­dsvereinig­ung rät zur Radikalkur: Verschmelz­ung von ARD und ZDF, Schwerpunk­te auf Auslandsbe­richtersta­ttung und Dokus sowie „Liveübertr­agungen von relevanten Ereignisse­n“. Ein „signifikan­ter Teil“der 74 (teils hochkaräti­gen) Radiosende­r soll entfallen, die TV-Vollprogra­mme sollen auf wenige Kanäle konzentrie­rt werden.

Vor zwei Jahren wurde ein Gutachten publik, das die ARD in Auftrag gegeben hatte und helfen sollte, die Gebührende­batte zu „framen“. Dem Sender wurde darin die Beschwörun­g quasirelig­iöser Sätze angeraten. Beispiel: „Die ARD ist von uns, mit uns und für uns geschaffen.“Mit solchen Formeln ist es diesmal nicht getan.

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[ Imago Stock & People ] Der ZDF-Komiker Jan Böhmermann polarisier­t. Auch auf Twitter.

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