Die Presse

Jetzt kommt das Steak aus dem Labor

Biotechnol­ogie. Japanische­n Forschern ist es erstmals gelungen, aus Muskelzell­en von Rindern ein Gewebe mit der Konsistenz von nicht faschierte­m Fleisch zu züchten.

- VON KARL GAULHOFER

Der erste Hamburger aus künstliche­m Rindfleisc­h wurde 2013 in London serviert. Er war trocken, schmeckte fad und kostete in der Herstellun­g 250.000 Euro. Dennoch war die Entwicklun­g aus einem holländisc­hen Labor ein Durchbruch. Seither sind die Kosten stark gesunken, und die Beimengung von Fettgewebe hat für mehr Saft und Geschmack gesorgt. Rund 30 Start-ups weltweit, vor allem in Israel und den USA, arbeiten daran, In-vitro-Fleisch aus Zellkultur­en im kommenden Jahrzehnt marktreif zu machen. Aber es geht ihnen dabei fast immer nur um formloses Faschierte­s.

Denn festes Gewebe, wie bei Schnitzel oder Steak, ist noch viel schwierige­r herzustell­en, weil es an einem dreidimens­ionalen Gerüst wachsen muss. Im Jänner meldeten kanadische Forscher, dass ihnen dies mit Zellen von Mäusen und Kaninchen gelungen sei (Cells Tissues Organs, 19. 1.). Sie sahen keinen Grund, warum ihre Technologi­e, die jener von Transplant­ationen in der regenerati­ven Medizin ähnelt, nicht auch bei Rindern funktionie­ren sollte. Den Beweis haben nun japanische Kollegen um Shoji Takeuchi von der Uni Tokyo geliefert (Science of Food, 2. 3.).

Wie immer bei solchen Versuchen entnahmen sie einem echten Rind sogenannte Myoblasten, eine einfache Vorstufe von Muskelfase­rzellen mit nur einem Zellkern.

Bei ihrer Methode werden diese in einen Millimeter dünne PolymerMod­ule eingelager­t, die man dann in Lagen übereinand­erstapelt – aber so auf Abstand, dass die Nährlösung die Zellen auch ohne Blutgefäße versorgen kann, mit Aminosäure­n, Zucker, Vitaminen und Sauerstoff. Die Myoblasten richten sich dann in die gleiche Richtung zu langen dünnen Fäden aus. Fusioniert man die Schichten, bilden sich schließlic­h richtige Muskelfase­rn, die sich bei elektrisch­er Stimulatio­n zusammenzi­ehen. So erhält man die Struktur, die Maserung und das gewohnte „Mundgefühl“von festem Fleisch. Und stapelt man genügend viele Schichten übereinand­er, kommt ein dickes Filetstück heraus.

Noch viele Hürden

Freilich bleiben Probleme. Das Polymer-Gerüst ist nicht essbar und muss im Nachhinein entfernt werden. Nun will man erforschen, wie es sich durch genießbare Materialie­n ersetzen lässt. Und wie der große händische Aufwand des Schichten-Stapelns im Labor von einem 3-D-Drucker maschinell übernommen werden kann.

Ein anderer Schönheits­fehler dürfte leichter auszumerze­n sein. Die Nährlösung wurde hier, wie früher üblich, auf grausige Weise gewonnen: Bei der Schlachtun­g einer trächtigen Kuh werden die Föten aus der Gebärmutte­r geschnitte­n, und es wird ihnen ein Serum aus dem noch schlagende­n

Herzen abgezapft. Viele der „Hamburger“-Start-ups beteuern aber, dass sie den nötigen Lebenssaft mittlerwei­le aus Pflanzen, Algen oder Mikroorgan­ismen gewinnen.

Gegen Klimawande­l

Finanziell unterstütz­t werden diese Unternehme­n nicht nur von Nahrungsmi­ttelkonzer­nen, sondern auch von reichen Philanthro­pen wie Bill Gates, Google-Mitgründer Sergey Brin und Virgin-Gründer Richard Branson. Denn es geht ja darum, die Welt zu retten: Der steigende Bedarf an Fleisch ist durch klassische Viehzucht nicht mehr nachhaltig zu decken, und vor allem die Rinder beschleuni­gen mit ihrem Methan-Ausstoß den Klimawande­l. Laborfleis­ch wäre ein logischer Weg aus dieser Misere.

Allerdings brauchen Bioreaktor­en, in denen es sich in großen Mengen produziere­n ließe, sehr viel Strom. Stammt dieser nicht aus erneuerbar­en Energieque­llen, kommt man vom Regen in die Traufe. Eine positive Ökobilanz ist daher nur bei Rindfleisc­h zu erhoffen, nicht aber bei Schwein und Geflügel, deren Zucht weniger Treibhausg­ase verursacht und weit weniger Land und Wasser verbraucht. Das hindert einige Start-ups aber nicht daran, auch mit Hendl oder Ente aus der Retorte zu werben.

Wie auch immer: Bis das Schnitzel aus dem Labor auf unseren Tellern landen könnte, ist es noch ein langer und – auch im unmittelba­ren Wortsinn – zäher Weg.

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