Unterwegs mit der Wiener Wandergitarre
Adele Maria Knall wandelt zwischen Pop und Punk, baut Synthesizer und Skulpturen, engagiert sich u. a. beim „Blöden Dritten Mittwoch“– und lädt einmal im Monat ins Kaffee Adele. Kunst.
Wien. Wenn mitten in der Nacht jemand am Wiener Gürtel den Autos hinterher brüllt, dann muss es kein Ausdruck von Grant sein. Also, vielleicht schon – aber gleichzeitig handelt es sich womöglich auch um Komposition: Sie liebe es, spätnachts am Gürtel entlang zu marschieren und zu komponieren, erzählt Adele Maria Knall „dann warte ich, bis ein Schwall Autos kommt, und schreie in die Stadt.“
Sind sie vorbei, singe sie wieder nur für sich. Mittlerweile, lacht sie, kennt man sie in manchen Gegenden schon. Umgeschnallt hat Knall dabei auch immer eine alte Wiener Wandergitarre, die sie in einem Keller gefunden hat. Das Instrument hat mehrere Risse, ist so kaputt, dass man es nicht mehr nachstimmen kann. „Ein Charakterinstrument, das den Rahmen vorgibt.“Erzählt werden in ihrem Programm „You may have dropped it“ viele persönliche Geschichten; Knall erlaubt sich darin so viel Fragilität und Verletzlichkeit, dass es ihr schwerfällt, sich mit dem Programm musikalisch zu positionieren. Zumal sie eigentlich nur alte Skizzen durchgehen wollte, „aber dann sind neue Songs entstanden.“Singer-Songwriter oder Pop allein treffe es jedenfalls nicht, auch, weil punkige Elemente mit dabei sind. „Ich schrei auch mal rein oder mache verrückte Sounds und versuche abzuwägen zwischen schön gesungen und brachial rausgehauen.“
Ganz Letzterem widmet sie sich mit ihrem anderen Soloprojekt, Krach: Hier produziert sie Noise mit selbst gebauten Modularsynthesizern. „Improvisiert und gut laut, das ist die Hauptsache.“Das Wissen, wie das technisch geht, versucht Knall auch bei „Sounds Queer?“zu teilen: Der queer-feministische Verein vermittelt elektronische
Musikproduktion. Daneben ist sie auch bei den Echoräumen aktiv, einer im Vorjahr entstandenen virtuellen Plattform, die sich mit dem Thema Streamen beschäftigt. Auch bei der Kunstvermittlungsreihe „Der Blöde Dritte Mittwoch“ist sie Teil des Teams – und einmal im Monat lädt sie zum Kaffee Adele, das sie von zu Hause aus, in wechselnden Charakteren und vor immer neuem Setting moderiert und wo sie Kunstschaffenden verschiedener Richtungen die Möglichkeit gibt, sich mit Videos zu präsentieren.
Apropos Kunstrichtung: Knall selbst ist in Summe in elf verschiedenen musikalischen Formationen aktiv – und studiert nach u. a. abgeschlossenem Jazzstudium heute an der Kunstakademie Bildhauerei und digitale Medien. Weshalb es auch wenig Sinn hat, sie nach einem Hauptprojekt zu fragen: „Das wechselt minütlich.“(tes)