Music aus dem Schafenster
Wien. Musiker Stefan Sterzinger lädt Musiker ein, hinter Glas für Passanten zu spielen – in einem „Liedermuseum en passant“. Adele Maria Knall ist mit dabei.
Das mit dem Museum, sagt Stefan Sterzinger, das meine er ernst. Nicht nur, weil Museumsbesuche derzeit erlaubt sind, Konzerte aber nicht. Aber die Pandemie, sie wirke auch beim Blick auf die Künstlerexistenz wie ein Brennglas. Und sich zur Schau zu stellen, das gehöre da dazu. Auch Amsterdam oder die Hamburger Reeperbahn mit ihren Schaufenstern in den Rotlichtvierteln „dürfen einem als Zuschauer gerne einfallen“.
Wobei Zuschauer wohl das falsche Wort ist – Passant wäre wohl passender. Für Passanten ist es gedacht, das „Museum en passant“in der Gro
ßen Neugasse in Wien Wieden, das sich Sterzinger ausgedacht hat. „Ich versuche, diese merkwürdige Zeit so zu überleben, dass ich mir Ziele set
ze“, sagt Sterzinger, der Wiener SingerSongwriter, Akkordeonspieler (und für manche „Apotheker der Anarchie“). „Was ist nächsten Monat – was mache ich da? Und da war auf einmal dieser Gedanke da.“Kollegin Anna Anderluh, mit der Sterzinger gern zusammenarbeitet, sei auch angetan gewesen, „also haben wir losgelegt.“
Wobei ihm die Kuratorenarbeit bei diesem kleinen (von Basis Kultur Wien geförderten, von der Bezirksvorsteherin unterstützten) Projekt schwergefallen sei: Geplant sind drei Termine mit je zwei Künstlern „und sechs Personen, das ist sehr wenig für das, was es an toller Kollegenschaft in Wien gibt. Aber wenn ich es mir jetzt anschaue, bin ich verliebt in das Line-up.“
Auslage des alten Papiergeschäfts
Mit dabei ist am 7. März auch Adele Maria Knall – unter ihrem Solo-Projektnamen Knall. Das ist wichtig, denn die Sängerin, Musikerin und bildende Künstlerin spielt nicht nur in elf verschiedenen Formationen, sondern solo auch unter dem Titel Krach. Das ist dann aber eher genau das: NoiseMusik. Ihr aktuelles Programm, erzählt sie, passe aber gut zu Sterzingers Format: „Die Nummern sind fast alle im Gehen entstanden“(siehe unten).
Spielen wird sie mit ihrer alten Wandergitarre in jenem ehemaligen Papiergeschäft, das Sterzinger Mitte der Achtziger übernommen und zu seinem Arbeits- und Probenraum gemacht hat. Mittlerweile, sagt er, „stellt sich die Romantik anders dar“, wes
halb er lieber oben in seiner Wohnung arbeitet, die im gleichen Haus liegt. Aber die Auslage des alten Geschäfts gibt es noch. Die Musiker spielen also hinter der Scheibe, der Klang dringt über Boxen durch die offenen Oberlichten auf die Straße. „Es muss“, scherzt Sterzinger, „ja keine Klangwolke bis Hietzing sein.“Er denkt da kleiner: „Ich will meiner Gasse ein Lächeln ins Gesicht zaubern“. Zumal ein Lächeln bei den flüchtigen Begegnungen im beliebten Kreativ-Grätzl zuletzt seltener zu sehen gewesen sei. „Wir grüßen uns immer alle, aber neuerdings sind die Leute ein bissl angefressen.“Er selbst sei bisher gut durchs Jahr gekommen. Spirituell habe er von seinem letzten Auftritt mit seinem Quintett im Konzerthaus zehren können, finanziell von einem Arbeitsstipendium der Stadt Wien, er lebe, sagt er, ja bewusst schon lange auf sehr kleinem Fuß. Inhaltlich habe er sich mit dem Thema Streaming beschäftigt, „das fasziniert mich sehr. Es hat sich für mich als lohnendes Ziel etabliert, dass man das kann.“
Nichtsdestotrotz sehnt auch er sich nach Live-Momenten. Riskieren will er mit dem Liedermuseum nichts; „wir sind keine Tiroler Seilbahnbetreiber.“Er selbst ist zwei- bis dreimal die Woche beim Testen „und eine Maske zu tragen, tut mir nicht weh.“Er hofft, dass auch die Passanten „auf sich aufpassen. Es geht nicht um Bahö, sondern um eine süße, kleine Freude, die wir uns alle verdient haben.“