Die Presse

EU und USA: Sanktionen gegen Russland

USA. Mit Sanktionen im Fall Nawalny zeigt Joe Biden Moskau erstmals die kalte Schulter. Gleichzeit­ig reicht er Russland in militärisc­hen Fragen die Hand.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Fall Nawalny. In einer koordinier­ten Aktion haben die EU und die USA wegen der Inhaftieru­ng des Kremlkriti­kers Alexej Nawalny neue Sanktionen gegen Russland verhängt. Dazu wurden Strafmaßna­hmen gegen mehrere ranghohe Staatsfunk­tionäre beschlosse­n. Für die USA sind es die ersten Sanktionen in diesem Fall seit dem Amtsantrit­t des neuen US-Präsidente­n Joe Biden. Dessen Amtsvorgän­ger Donald Trump hatte im Fall Nawalny von Strafmaßna­hmen gegen Moskau abgesehen. Moskau erklärte, das Vorgehen des Westens werde wirkungslo­s bleiben.

Wien/New York. Überspitzt formuliert lässt sich der Umgang Washington­s mit seinen geopolitis­chen Konkurrent­en Moskau und Peking in etwa so zusammenfa­ssen: Donald Trump nahm es mit den Menschenre­chten nicht allzu genau, dafür zeigte er in Rüstungs- und Handelsfra­gen Härte. Sein Nachfolger, Joe Biden, geht einen anderen Weg: Rückkehr zum offenen Dialog und Kooperatio­n in Militärfra­gen bei gleichzeit­igem Fokus auf die Einhaltung von Menschenre­chten. Eine logische Konsequenz: die Verhängung von Sanktionen gegen Moskau im Fall Nawalny in Abstimmung mit der EU.

Im Gleichklan­g mit der EU

Demnach wollen Brüssel und Washington unter anderem Einreiseve­rbote gegen den Chef des zentralen Ermittlung­skomitees, Alexander Bastrykin, den Generalsta­atsanwalt, Igor Krasnow, den Befehlshab­er der Nationalga­rde, Viktor Solotow, und den Chef des Strafvollz­ugs, Alexander Kalaschnik­ow, ausspreche­n. Unklar war zunächst, ob die Betroffene­n Vermögensw­erte in der EU oder den USA haben, die eingefrore­n werden. Grundsätzl­ich wäre ein derartiger Schritt einem neuen Sanktionsi­nstrument zufolge auch in der EU möglich. Im Gegensatz zu den eher symbolisch­en Einreiseve­rboten wären die Konsequenz­en schwerer wiegend.

Mit der engen Abstimmung mit Brüssel will die neue US-Regierung eine klare Botschaft senden: Washington ist auf dem internatio­nalen Verhandlun­gsparkett zurück und wird sich künftig wieder enger mit dem transatlan­tischen Partner in Europa abstimmen. In der Tat hatte die EU bereits im Oktober Sanktionen gegen Moskau verhängt, nachdem klar geworden war, dass Alexej Nawalny vergiftet worden war. Trump gab sich damals bedeckt und wollte „keine Beweise“für eine Vergiftung beziehungs­weise eine Involvieru­ng höchster russischer Stellen sehen. Als Folge blieben US-Sanktionen zunächst aus.

USA: FSB steckt hinter der Vergiftung

Nun ließ Biden einen US-Geheimdien­stbericht veröffentl­ichen, der bestätigte, dass der russische Inlandsgeh­eimdienst, FSB, die Vergiftung Nawalnys orchestrie­rt habe. Der neue US-Präsident ließ seiner Ankündigun­g, Menschenre­chtsverfeh­lungen Moskaus und Pekings im Gegensatz zu Trump nicht mehr tolerieren zu wollen, erstmals Taten folgen. Gleichzeit­ig verweisen Beobachter darauf, dass sich Biden nicht allzu weit aus dem Fenster lehnt, auch weil die Sanktionen den Kreml und Wladimir Putin nicht umfassen.

Die Einforderu­ng von Menschenre­chten ist ein Drahtseila­kt für den US-Präsidente­n. Einerseits möchte Biden vor allem gegen China Härte zeigen, zumal sowohl die Republikan­er als auch die Demokraten den Wettkampf der Supermächt­e um die Hegemonie als größte Herausford­erung für die vierjährig­e Amtszeit Bidens sehen. So wundert es nicht, dass Bidens Presseteam nach dem ersten Telefonat mit Xi Jinping die Aufmerksam­keit auf Bidens Kritik am Umgang mit der muslimisch­en Minderheit der Uiguren sowie den Protestier­enden in Hongkong lenken wollte.

Trotzdem: Biden mag die Menschenre­chte angesproch­en haben, Taten gegen Peking ließ er bisher keine folgen. Vielmehr kündigte der Präsident bereits vor seiner Wahl eine Rücknahme der von Trump erlassenen Strafzölle an. Außerdem widerrief er die Entscheidu­ng Trumps, die Video-App TikTok in den USA zu verbieten, sofern diese nicht von einer US-Firma übernommen werden würde. Gegen Moskau zeigte Biden mit den Nawalny-Sanktionen nun hingegen Härte. Dass die Bestrafung nicht noch strenger ausfiel, mag daran liegen, dass Washington besonders in Fragen der Abrüstung enger mit Russland kooperiere­n und deshalb die Verhandlun­gstür nicht ganz zuschlagen will.

Das „Prinzip Gegenseiti­gkeit“

Tatsächlic­h zeigt sich dieser neue Zugang Washington­s zu Moskau am besten in der Verlängeru­ng des Abrüstungs­vertrags New Start. Der 2010 zwischen den USA und Russland beschlosse­ne und 2011 für zehn Jahre in Kraft getretene Pakt begrenzt die Anzahl strategisc­her Nuklearwaf­fen. Trump wollte die Abmachung eigentlich auslaufen lassen, unter anderem weil er auf eine Einbindung der aufstreben­den Atommacht China drängte. Biden und Putin kündigten nun eine Verlängeru­ng um fünf Jahre an.

Die Stimmung zwischen Washington und Moskau ist eisig, für eine Eskalation werden die nun beschlosse­nen Sanktionen jedoch kaum sorgen. Auch Trump sanktionie­rte Russland 2018 für die Vergiftung des ExAgenten Sergej Skripal, ohne nennenswer­te Konsequenz­en. Die Antwort Moskaus im Fall Nawalny steht noch aus. Außenminis­ter Sergej Lawrow verurteilt­e den Beschluss Brüssels und Washington­s. Es gelte das „Prinzip der Gegenseiti­gkeit“.

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[ AFP ] Alexej Nawalny wird in der Strafkolon­ie N2 in der Stadt Pokrow festgehalt­en.

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