EU und USA: Sanktionen gegen Russland
USA. Mit Sanktionen im Fall Nawalny zeigt Joe Biden Moskau erstmals die kalte Schulter. Gleichzeitig reicht er Russland in militärischen Fragen die Hand.
Fall Nawalny. In einer koordinierten Aktion haben die EU und die USA wegen der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny neue Sanktionen gegen Russland verhängt. Dazu wurden Strafmaßnahmen gegen mehrere ranghohe Staatsfunktionäre beschlossen. Für die USA sind es die ersten Sanktionen in diesem Fall seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Dessen Amtsvorgänger Donald Trump hatte im Fall Nawalny von Strafmaßnahmen gegen Moskau abgesehen. Moskau erklärte, das Vorgehen des Westens werde wirkungslos bleiben.
Wien/New York. Überspitzt formuliert lässt sich der Umgang Washingtons mit seinen geopolitischen Konkurrenten Moskau und Peking in etwa so zusammenfassen: Donald Trump nahm es mit den Menschenrechten nicht allzu genau, dafür zeigte er in Rüstungs- und Handelsfragen Härte. Sein Nachfolger, Joe Biden, geht einen anderen Weg: Rückkehr zum offenen Dialog und Kooperation in Militärfragen bei gleichzeitigem Fokus auf die Einhaltung von Menschenrechten. Eine logische Konsequenz: die Verhängung von Sanktionen gegen Moskau im Fall Nawalny in Abstimmung mit der EU.
Im Gleichklang mit der EU
Demnach wollen Brüssel und Washington unter anderem Einreiseverbote gegen den Chef des zentralen Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin, den Generalstaatsanwalt, Igor Krasnow, den Befehlshaber der Nationalgarde, Viktor Solotow, und den Chef des Strafvollzugs, Alexander Kalaschnikow, aussprechen. Unklar war zunächst, ob die Betroffenen Vermögenswerte in der EU oder den USA haben, die eingefroren werden. Grundsätzlich wäre ein derartiger Schritt einem neuen Sanktionsinstrument zufolge auch in der EU möglich. Im Gegensatz zu den eher symbolischen Einreiseverboten wären die Konsequenzen schwerer wiegend.
Mit der engen Abstimmung mit Brüssel will die neue US-Regierung eine klare Botschaft senden: Washington ist auf dem internationalen Verhandlungsparkett zurück und wird sich künftig wieder enger mit dem transatlantischen Partner in Europa abstimmen. In der Tat hatte die EU bereits im Oktober Sanktionen gegen Moskau verhängt, nachdem klar geworden war, dass Alexej Nawalny vergiftet worden war. Trump gab sich damals bedeckt und wollte „keine Beweise“für eine Vergiftung beziehungsweise eine Involvierung höchster russischer Stellen sehen. Als Folge blieben US-Sanktionen zunächst aus.
USA: FSB steckt hinter der Vergiftung
Nun ließ Biden einen US-Geheimdienstbericht veröffentlichen, der bestätigte, dass der russische Inlandsgeheimdienst, FSB, die Vergiftung Nawalnys orchestriert habe. Der neue US-Präsident ließ seiner Ankündigung, Menschenrechtsverfehlungen Moskaus und Pekings im Gegensatz zu Trump nicht mehr tolerieren zu wollen, erstmals Taten folgen. Gleichzeitig verweisen Beobachter darauf, dass sich Biden nicht allzu weit aus dem Fenster lehnt, auch weil die Sanktionen den Kreml und Wladimir Putin nicht umfassen.
Die Einforderung von Menschenrechten ist ein Drahtseilakt für den US-Präsidenten. Einerseits möchte Biden vor allem gegen China Härte zeigen, zumal sowohl die Republikaner als auch die Demokraten den Wettkampf der Supermächte um die Hegemonie als größte Herausforderung für die vierjährige Amtszeit Bidens sehen. So wundert es nicht, dass Bidens Presseteam nach dem ersten Telefonat mit Xi Jinping die Aufmerksamkeit auf Bidens Kritik am Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren sowie den Protestierenden in Hongkong lenken wollte.
Trotzdem: Biden mag die Menschenrechte angesprochen haben, Taten gegen Peking ließ er bisher keine folgen. Vielmehr kündigte der Präsident bereits vor seiner Wahl eine Rücknahme der von Trump erlassenen Strafzölle an. Außerdem widerrief er die Entscheidung Trumps, die Video-App TikTok in den USA zu verbieten, sofern diese nicht von einer US-Firma übernommen werden würde. Gegen Moskau zeigte Biden mit den Nawalny-Sanktionen nun hingegen Härte. Dass die Bestrafung nicht noch strenger ausfiel, mag daran liegen, dass Washington besonders in Fragen der Abrüstung enger mit Russland kooperieren und deshalb die Verhandlungstür nicht ganz zuschlagen will.
Das „Prinzip Gegenseitigkeit“
Tatsächlich zeigt sich dieser neue Zugang Washingtons zu Moskau am besten in der Verlängerung des Abrüstungsvertrags New Start. Der 2010 zwischen den USA und Russland beschlossene und 2011 für zehn Jahre in Kraft getretene Pakt begrenzt die Anzahl strategischer Nuklearwaffen. Trump wollte die Abmachung eigentlich auslaufen lassen, unter anderem weil er auf eine Einbindung der aufstrebenden Atommacht China drängte. Biden und Putin kündigten nun eine Verlängerung um fünf Jahre an.
Die Stimmung zwischen Washington und Moskau ist eisig, für eine Eskalation werden die nun beschlossenen Sanktionen jedoch kaum sorgen. Auch Trump sanktionierte Russland 2018 für die Vergiftung des ExAgenten Sergej Skripal, ohne nennenswerte Konsequenzen. Die Antwort Moskaus im Fall Nawalny steht noch aus. Außenminister Sergej Lawrow verurteilte den Beschluss Brüssels und Washingtons. Es gelte das „Prinzip der Gegenseitigkeit“.