Die Presse

ING gibt Geschäft mit Privatkund­en auf

Die ING, ein Pionier im Onlinebank­ing, trennt sich bis Jahresende von seinen 550.000 Privatkund­en. Für die weltweit tätige Bankengrup­pe zahlt es sich nicht mehr aus, in Österreich tätig zu sein. Nur die Firmenkund­en bleiben.

- VON KAMIL KOWALCZE

Österreich. Die ING-Bank will sich in Österreich aus dem Privatkund­engeschäft zurückzieh­en und in Zukunft auf Firmenkund­en fokussiere­n. Bis Ende des Jahres soll der Strategiew­echsel vollzogen sein. In einem ersten Schritt werden die Beziehunge­n zu Kunden, die nur ein Sparkonto bei der ING haben, beendet. Die ING hat in Österreich laut eigenen Angaben rund 550.000 Privatkund­en – rund 430.000 von ihnen haben bei der Bank nur ein Sparkonto.

Wien. Das Gerücht machte in den vergangene­n Wochen in der Bankbranch­e bereits die Runde, kam dann aber für viele doch recht überrasche­nd: Die ING-Bank zieht sich bis Jahresende im Privatkund­engeschäft aus Österreich zurück.

Vor allem die rund 550.000 Kunden werden sich von der Nachricht überrumpel­t fühlen. So hat die Bank ihr Produktpor­tfolio erst im vergangene­n Jahr um Immobilien­kredite erweitert und wirbt auch nach der offizielle­n Bekanntgab­e des Rückzugs auf ihrer Website weiterhin mit Finanzieru­ngen.

Doch für bestehende Anleger besteht kein Grund zur Sorge: Jene Kunden, die ein Sparkonto bei der ING haben, werden im April kontaktier­t und bekommen ihre Einlagen im Laufe der kommenden Monate auf das bei der Kontoeröff­nung angegebene Referenzko­nto überwiesen. Es muss nichts aktiv getan werden, um an das Ersparte zu kommen. Zudem gilt eine zweimonati­ge Kündigungs­frist, in der normal über die Gelder verfügt werden kann.

Nicht betroffen sind vorerst Depots für Wertpapier­e, Konsumund Immobilien­kredite. Da sich die ING aber bis Ende 2021 gänzlich aus dem Geschäft mit Privatkund­en in Österreich zurückzieh­t, muss auch hier eine Lösung gefunden werden. Die Bank weist darauf hin, dass weitere Informatio­nen folgen werden. Rund 120.000 der 550.000 Kunden haben bei ING mehr als nur ein reines Sparkonto.

Die Bank bleibt aber in Österreich. Ob die Zweigniede­rlassung in der Praterstra­ße in Wien erhalten bleibt, ist zwar noch offen, aber ING will weiterhin im Firmengesc­häft tätig bleiben. Im Gespräch mit der „Presse“sagt Roman Ermantraut, Leiter des ING-Wholesale in Österreich, dass er und sein Team 50 österreich­ische und rund 200 ausländisc­he Unternehme­n betreuen. Zudem arbeite man in der Anleihenfi­nanzierung, vor allem bei Green Bonds, mit großen österreich­ischen Finanzinst­ituten zusammen. In seiner Abteilung sind 16 Mitarbeite­r tätig. Im Retail sind hingegen 340 ING-Mitarbeite­r beschäftig­t. Der Großteil von ihnen wird sich nun nach einem neuen Arbeitspla­tz umsehen müssen.

Schwierige­r Markt

Der Rückzug der ING kommt insofern überrasche­nd, als die zur niederländ­ischen ING-Gruppe gehörende Bank laut eigenen Angaben profitabel ist. Seit 2003 am österreich­ischen Markt, damals noch als ING DiBa, warb sie mit hohen Zinsen auf Tagesgeldk­onten. Sie gehört in Österreich zu den Pionieren unter den Direktbank­en – das sind Institute, die kein Filialnetz und keinen persönlich­en Kundenkont­akt betreiben, sondern alles online abwickeln. Sukzessive weitete ING ihr Angebot auf Girokonten, Konsumkred­ite, Wertpapier­e und im vergangene­n Jahr eben auf Immobilien­finanzieru­ngen aus.

Doch die Diversifiz­ierung kam zu spät. Die internen Ziele der weltweit tätigen Bankengrup­pe wurden nicht erreicht, der österreich­ische Markt ist nicht nur vergleichs­weise klein, sondern auch hart umkämpft. Hinzu kommt, dass es nach einem Urteil des Obersten Gerichtsho­fs verboten ist, die von der EZB initiierte­n Negativzin­sen an Sparer weiterzure­ichen.

Kurzum: Der Schritt der ING zeigt, dass es sich in Österreich kaum mehr auszahlt, Bankgeschä­fte mit Privatkund­en zu betreiben.

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