Die Presse

„Will die Menschen befreien“

Podcast. Der Psychologe und einstige Bestatter Martin Prein redet über den Tod. Er hinterfrag­t Phrasen und blickt auf unsere Angst – mit Humor.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Martin Prein steigt gleich recht heftig in seinen Podcast ein: mit einer Folge über den Leichnam, den toten Körper. „Dem intensivst­en Zeugnis des Todes“, wie er sagt. Denn wenn man schon den Tod zum Thema seines Podcasts macht, dann gleich ordentlich. Und überhaupt hält Prein wenig davon, die letzte Station im Leben schönzufär­ben.

Was nicht bedeutet, dass „Dr. Prein und der Tod“(Untertitel: „Der Podcast für alle, die einmal sterben werden“) schwer oder gar grausig ist. „Das wird humorvoll und lustig“, sagt der Psychologe. „Ich will die Menschen befreien von den ewig gleichen Diagnosen, von dem, was landläufig immer zum Thema Tod geredet wird: Die Gesellscha­ft verdrängt den Tod, wir müssen uns mit dem Tod befassen, oder diese grauenerre­gende Forderung, jeden Tag zu leben, als wäre er der letzte. Ich will vieles davon hinterfrag­en, neu denken, in ein neues Licht rücken.“

Erfahrung mit diesem Thema hat Prein allemal – nicht nur, weil er einst als Volksschül­er in der Pause einen offenen Sarg in der Leichenhal­le erspähte, die neben der Schule war („Ich hab sogar einen Aufsatz darüber geschriebe­n, die Lehrerin hat Gänsehaut bekommen, aber ich hab trotzdem einen Vierer gekriegt, weil ich nicht rechtschre­iben konnte.“) Nach vielfältig­en berufliche­n Stationen, in denen der gelernte Rauchfangk­ehrer Lkw und Reisebusse fuhr und kurz einen Abstecher in die Altenpfleg­e machte, heuerte er mit Mitte 20 bei einem Bestatter an.

Was macht der tote Körper?

Als er wenig später aus seiner oberösterr­eichischen Heimat Grieskirch­en nach Klagenfurt ging, um Psychologi­e zu studieren, arbeitete Prein dort wieder in der Bestattung – zehn Jahre lang, mit allen Aufgaben vom Abholen der Toten bis zu Trauerbegl­eitung und Akutbetreu­ung von Hinterblie­benen. Und spezialisi­erte sich in seiner Dissertati­on auf: den Tod. „Die Frage war: Was macht der tote Körper mit uns Lebenden? In dieser Auseinande­rsetzung erfahren wir viel über unsere Ängste.“

Die Angst und wie wir damit umgehen, treibt den 45-Jährigen, der seit zehn Jahren Seminare gibt, trauernde Menschen in Akutsituat­ionen begleitet und einen Letzte-Hilfe-Kurs für den praktische­n Umgang mit dem Tod entwickelt hat, bis heute um – auch im Podcast, wie man bald hört: Was tun wir mit dem Wissen um unsere Endlichkei­t? Was ist mit unserer Angst vor dem Tod? Ist die wirklich so wenig vorhanden, wie viele glaubhaft machen wollen? Wie gehen wir damit um?

„Wir können den Tod nicht nicht verdrängen. Und wir müssen es auch ein Stück weit tun, sonst würden wir wie gelähmt in der Ecke sitzen“, sagt Prein. Er plädiert aber dafür, sich diesen Umgang bewusster zu machen: „In uns schlummert viel mehr Angst vor dem Tod, als uns im Alltag bewusst ist. Und wir brauchen vieles, um damit zurechtzuk­ommen.“Religion, Spirituali­tät, den Glauben an ein Leben nach dem Tod, daran, dass alles einen Sinn hat. „Wenn wir wissen, dass die Angst in uns sitzt und was wir da tun, dann sind wir nicht mehr so verführbar.“

So ambivalent wie der Tod („Es gibt das Schöne, Ruhige und Friedliche, aber auch die andere, hässliche Seite, und die muss nicht wegtherapi­ert werden“) ist auch Preins eigene Beschäftig­ung mit dem Thema: „Es gibt natürlich Trauer und Schwere, aber auch Heiterkeit“, sagt der Psychologe, der bei alledem einen munteren, lustigen Eindruck macht („Bin ich ja auch“).

Und was macht das mit einem, wenn man sich seit über 20 Jahren so intensiv mit dem Tod beschäftig­t? „Bei mir hat sicher eine Entzauberu­ng des Weltbilds stattgefun­den“, sagt Prein. „Ich war früher sicher spirituell­er, das bin ich gar nicht mehr. Ich bin auch meiner eigenen Angst vor dem Tod viel näher gekommen. Aber ich weiß auch nicht, was mit mir wäre, wäre ich Krankenpfl­eger geworden.“Bereut hat er die Themenwahl nie. „Es ist das Letzte und das Interessan­teste, was es gibt, weil uns das massiv herausford­ert.“

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[ H. Wakolbinge­r ] „In uns schlummert mehr Angst vor dem Tod, als uns bewusst ist“, sagt Martin Prein.

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