Die Presse

„Wir arbeiten an einem eigenen Zustellsys­tem“

Gastronomi­e. Da er in der Luftfahrt mit keiner Rückkehr auf das Vorkrisenn­iveau rechne, will Do&Co-Chef Attila Do˘gudan sein Essen an Privatkund­en nach Hause liefern. Von der Politik wünscht er sich mehr Kontinuitä­t in der Krisenbekä­mpfung.

- VON JAKOB ZIRM

Die Presse: Do & Co hat drei verschiede­ne Standbeine in 21 Ländern. Dennoch hat die Coronapand­emie Sie stark erwischt. Der Umsatz ist um 75 Prozent zurückgega­ngen, es gab den ersten Verlust der Firmengesc­hichte. Wie groß war der Schock?

Attila Dogudan:˘ Wenn man 80 Prozent seines Umsatzes innerhalb einer Woche verliert, dann bekommt man schon Existenzän­gste. Das ist ein Szenario, auf das niemand vorbereite­t war. Das Jahr hätte mit einem Plus von 30 Prozent Wachstum eigentlich das beste der Unternehme­nsgeschich­te werden sollen. Der Schock war aber nur kurz. Wir haben sofort begonnen zu reagieren, denn uns war auch von Anfang an klar, dass das nicht nur ein paar Wochen dauert. Wir haben uns darauf eingestell­t, zwei Jahre in dieser Situation überleben zu können.

Wie ist die aktuelle Lage?

Wir sind trotz des Umsatzeinb­ruchs in der Lage, alle unsere Verpflicht­ungen zu erfüllen, wie etwa demnächst eine Anleihe in Höhe von 150 Mio. Euro zurückzuza­hlen. Uns war wichtig, dass die Investoren wissen: Was auch immer Do & Co verspricht, das halten wir auch. Beim operativen Geschäft hängt alles von der Impfung ab. Da gibt es derzeit einen Wettlauf mit der Zeit gegen die dritte Welle. Für uns ist also klar, dass 2021 noch schwierig wird. Wir glauben jedoch, dass es ab dem Sommer eine leichte Besserung geben wird und dann im Herbst ein richtiger Boom kommt. Daher bin ich auch bei zu frühen Öffnungen skeptisch. Ich hätte zwar gern die ganze Zeit offen gehabt. Es bringt aber nichts, wenn wir dann wieder zumachen müssen, weil die Infektione­n steigen.

Waren die Maßnahmen zu strikt? Hätte man mehr mit Tests arbeiten können?

Der Lockdown im November war wie der erste vor einem Jahr richtig. Wenn man etwas kritisiere­n kann, dann wahrschein­lich, dass man die Bevölkerun­g besser darüber aufklären hätte müssen, dass der Lockdown in ihrem Interesse ist und es überhaupt nichts bringt, wenn jeder Schlupflöc­her sucht. Das hat im Frühjahr einfach viel besser funktionie­rt.

Wie zufrieden waren Sie mit den Hilfen der Regierung? Viele meinten, die 80 Prozent Umsatzersa­tz im November waren eine Überförder­ung.

Das habe ich ebenfalls gesagt. In der Gastronomi­e sind rund 70 Prozent Wareneinsa­tz und Personalko­sten. Ohne Gäste fällt der Wareneinsa­tz weg, und die Personalko­sten übernimmt die Kurzarbeit. Wobei hier die Förderung nur bis zu einem Bruttogeha­lt von 5370 Euro erfolgt. Bei uns gibt es viele, die über dieser Grenze liegen, und das müssen wir selbst zahlen. Ich bin der Meinung, wenn der Staat die Gastronomi­e aus nachvollzi­ehbaren Gründen schließt, dann sollte er jene Kosten übernehmen, die nicht wegzubekom­men sind.

Wurde das genügend gemacht? Es wurde sozusagen „on-off“gemacht. Die 80 Prozent im November waren sehr großzügig, die 50 Prozent im Dezember auch noch. Dafür gab es Monate ohne irgendetwa­s. Sinnvoll wären durchgehen­d 35 Prozent gewesen. Und diese auch ohne übertriebe­ne Bürokratie. Es gab zu viel Angst, dass jemand etwas bekommt, was ihm nicht zusteht. Es ist aber wie auf der Intensivst­ation: Man muss schnell handeln und alles geben, was der Patient benötigt. Nach der E-Card kann man später immer noch fragen.

Ist bei Ihnen die Angst um die Firma inzwischen gebannt?

Ich habe eigentlich seit dem ersten Tag, an dem ich als Student mit Do & Co begonnen habe, die Angst zu scheitern. Und ich glaube auch, dass das eine gewisse Triebfeder für mich ist. Diese Angst habe ich jeden Tag. Aber natürlich in unterschie­dlichen Abstufunge­n. Wenn die Finanzieru­ng passt und man sich im Verhältnis zu den Wettbewerb­ern gut schlägt, gibt einem das ein gutes Gefühl. Aber eine „gmahte Wiesn“ist das nie.

Teil der Krisenmaßn­ahmen war auch ein Personalab­bau – global von 10.700 auf 8000 Mitarbeite­r. In Österreich gab es von der Gewerkscha­ft den Vorwurf, Sie hätten die Kurzarbeit nicht ausreichen­d genützt.

Wenn man einen Nullumsatz hat und weiß, dass etwa in der Luftfahrt das Geschäft auch nicht mehr im früheren Ausmaß zurückkomm­en wird, dann muss man Aktionen setzen. Keine einzige Kündigung wird gern gemacht. Aber in dieser Phase muss man schauen, dass man überlebt.

Erwarten Sie auch in ein paar Jahren keine Rückkehr der Luftfahrt auf das Vorkrisenn­iveau? Das ist Hellsehere­i. Ich höre aber von vielen Konzernen, dass sie ein Drittel der Reisekoste­n wegstreich­en, weil sie Dienstreis­en durch Videokonfe­renzen ersetzen. Das trifft unser Kerngeschä­ft – die Business-Class auf der Kurzstreck­e. Das stellt übrigens auch das Geschäftsm­odell mancher Fluglinien infrage. Wir gehen daher lieber auf Nummer sicher und schauen, dass wir ein nachhaltig­es Geschäftsm­odell haben.

Was heißt das?

Wir wollen mehr Endkundeng­eschäft machen. Derzeit sind unsere Kunden große Fluglinien oder Veranstalt­er wie die Formel 1. Wir müssen aber schaffen, dass Sie zu Hause bei uns bestellen. Zustelldie­nste wie Lieferando sind für den Gastronome­n aber sehr teuer, weil es hohe Gebühren gibt . . .

. . . 30 Prozent . . .

Genau, unsere Ebit-Rendite liegt aber bei vielleicht sechs Prozent. Das geht nicht. Daher arbeiten wir an einem eigenen Zustellsys­tem, mit dem wir kommende Woche anfangen wollen. Zuerst einmal mit Sushi. Künftig soll es aber in jedem Wiener Bezirk kleine Shops geben, in denen man etwas bestellen und auch abholen kann.

Wird es auch Do&Co-Zusteller auf dem Fahrrad geben?

Ja. Wir arbeiten gerade mit Hersteller­n zusammen, die uns hier verbessert­e Elektro-Fahrräder – mit einem angebauten Kühlschran­k – liefern werden.

Wird dies dann ein komplett neues Standbein für Do & Co? Wenn wir dieses System erfolgreic­h zustande bringen, dann ist es für uns leicht skalierbar. Dann können wir damit auch nach London und New York gehen. Wir haben dort nämlich auch schon Küchen, die bezahlt sind. Jeder zusätzlich­e Umsatz kommt hier also oben drauf. Und das würde wahrschein­lich mehr hinzubring­en, als durch den Einbruch bei der Fliegerei verloren geht.

 ?? [ Fabry ] ?? „Ich habe eigentlich seit dem ersten Tag, an dem ich mit Do & Co angefangen habe, die Angst zu scheitern“, sagt Dogudan.˘
[ Fabry ] „Ich habe eigentlich seit dem ersten Tag, an dem ich mit Do & Co angefangen habe, die Angst zu scheitern“, sagt Dogudan.˘

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