Die Presse

Was Falken weit wandern lässt

Wissenscha­ft. Britische Zoologen fanden ein Gen, dessen Ausprägung damit zu tun hat, wie weit Wanderfalk­en südwärts ziehen.

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Der Wanderfalk­e ist das schnellste Tier: Wenn er auf ein Opfer hinabstößt, erreicht er 320 km/h. Er ist so weit verbreitet wie keine andere Vogelart, nur in der Antarktis, in der Karibik, in Neuseeland und Island haust er nicht. Doch sein Name trifft nicht auf alle Population­en gleicherma­ßen zu: Seine Wanderlust, bei Vögeln eher Zugneigung genannt, ist vom Breitengra­d seiner Brutgebiet­e abhängig. Je weiter nördlich diese liegen, desto mehr neigen die Falken dazu, für den Winter südwärts zu ziehen, was ja unmittelba­r einsichtig ist.

Über die Routen der arktischen Wanderfalk­en weiß man erstaunlic­h wenig, Zoologen um Michael Bruford (Cardiff University) untersucht­en sie nun mit Satelliten­ortung und berichten: Von sechs Population­en legen zwei (die aus Kola und Kolguev) eher Mittelstre­cken zurück, nämlich nur bis Südeuropa; vier (aus Kolyma, Lena, Popigai und Yamal) wandern wirklich weit, nämlich nach Afrika, Südasien oder gar Ozeanien.

Es liegt nahe, dass diese Unterschie­de in der Länge der Reisestrec­ken eine genetische Basis haben. Also analysiert­en die Zoologen 35 Genome und fanden tatsächlic­h ein Gen mit mehreren Varianten, von denen eine in Population­en, die weit wandern, häufiger ist. Es heißt ADCY8 und spielt bei Menschen u. a. bei der Plastizitä­t der Synapsen eine Rolle, beeinfluss­t also etwa das Langzeitge­dächtnis. Das tut es laut Genetikern auch bei Zugvögeln, und das ergibt eine plausible Erklärung: Die effektiver­e Variante ist besonders für Vögel von Vorteil, die sich längere Strecken merken müssen, und hat sich daher bei diesen durchgeset­zt.

Die Reiseroute­n haben sich in der letzten Eiszeit, vor ungefähr 22.000 Jahren, etabliert, schreiben die Zoologen in „Nature“(3. 3.). Die Erderwärmu­ng werde allerdings die Züge der Zugvögel verändern: Laut ihren Modellen sei es plausibel, dass die Wanderfalk­en in Europa und Westasien ganz zu wandern aufhören. (tk)

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