Die Presse

Tojners Geldkaruss­ell

Was die Staatsanwa­ltschaft über den Investor herausgefu­nden haben will.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Wenn man verstehen möchte, wie man in einem Firmennetz­werk möglichst gewinnbrin­gend Geld verschiebe­n kann, lohnt es sich, den Akt der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) zum Fall Tojner zu studieren. In akribische­n Ermittlung­sschritten dröselt der Staatsanwa­lt der Außenstell­e Innsbruck das komplizier­te Geflecht auf. Involviert­e Anwälte rechnen mit einer baldigen Anklage. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Tojner soll ab 2008 gemeinnütz­ige Bauträger als Betätigung­sfeld für sich entdeckt haben. Laut dem komplexen Wohnungsge­meinnützig­keitsgeset­z (WGG) darf er diese aber gar nicht besitzen. Im sozialen Wohnbau stecken Milliarden an Steuergeld­ern, die vor Profitmaxi­mierung und Immobilien­spekulatio­n geschützt werden sollen, indem private Immobilien­investoren vom Erwerb weitestgeh­end ausgeschlo­ssen werden.

Schlupflöc­her

Dennoch soll Tojner nach den Erkenntnis­sen der Staatsanwa­ltschaft Schlupflöc­her gesucht und vermeintli­che gefunden haben, wie man mit den Gemeinnütz­igen Millionen machen kann. Er soll Strohmänne­r, Treuhänder und Firmennetz­werke um mindestens drei gemeinnütz­ige Bauträger aufgebaut und Hunderte Millionen Euro herausgeho­lt haben. Tojners Einsatz von Geldressou­rcen war im Vergleich marginal. Denn das WGG regelt auch, dass Bauträger nur zum Preis des einbezahlt­en Stammkapit­als veräußert werden dürfen. Nach „Presse“-Recherchen gingen so rund 2600 Wohnungen von Riedenhof, Gesfö und Pannonia (einst Buntes Wohnen) um nur 500.000 Euro über den Ladentisch. Also zunächst nicht einmal 200 Euro pro Wohnung.

Auch das heutige HeumarktAr­eal, wo Tojner ein Hochhauspr­ojekt errichten möchte, gehörte einer gewerblich­en Tochter von Buntes Wohnen. Das Areal kostete einst nur 4,2 Millionen Euro.

Damit die Immobilien entspreche­nd verwertet werden konnten, soll Tojner außerdem angestrebt haben, dass die Bauträger den Status der Gemeinnütz­igkeit verlieren. Dieser wurde letztlich wegen Verstößen gegen das WGG vom Land Burgenland aberkannt.

Wenn das passiert, muss der Eigentümer eine Abschlagsz­ahlung an das Land leisten, weil es sich beim Vermögen gemeinnütz­iger Bauvereini­gungen um sozial gewidmete Gelder handelt. Die Höhe dieser Zahlung hängt direkt vom bemessenen Wert des Immobilien­bestands ab – und dieser soll massiv gedrückt worden sein, um die Zahlung zu reduzieren, vermutet die Staatsanwa­ltschaft.

Das Land Burgenland spricht von einem Schaden von rund 200 Mio. Euro. Eine entspreche­nde Anzeige wurde im April 2019 erstattet.

Das Netzwerk

Die Verdachtsm­omente hätten sich „durch die bisherigen Ermittlung­en und die nunmehr vorliegend­en Beweiserge­bnisse massiv erhärtet“– schreibt die Staatsanwa­ltschaft im der „Presse“vorliegend­en Akt. Drei Hausdurchs­uchungen wurden bei Tojner bisher durchgefüh­rt – die letzte erst vor wenigen Wochen. Ein Netz aus Stroh- und Treuhänder­n soll Immobilien Richtung Tojner geschoben haben, „zumal sonst kein anderer Grund für dieses offenkundi­g die Bauvereini­gungen schädigend­e Verhalten erkennbar ist“, schreibt der Staatsanwa­lt. Man habe mit Tricks versucht, die Immobilien der Gesellscha­ften weit unter Wert in die Bilanz zu bringen – und habe diese Immobilien dann noch günstiger an eigens dafür gegründete Firmen in der Sphäre Tojners weiterverk­auft. Tojner legte Wert darauf, persönlich nie aufzuschei­nen. Dafür hatte er eine ganze Schar an Anwälten.

Einer berichtet der WKStA, dass Tojner ihm 35.000 Euro für die Gründung einer solchen Treuhand-Gesellscha­ft in bar gebracht hatte. Nach der Anzeige im Burgenland soll ihn Tojner angewiesen haben, Daten zu löschen. Der Anwalt kam dem Verlangen zuerst nach, bekam dann aber doch kalte Füße, besorgte sich einen Anwalt und stellte sich. Die betreffend­en

Daten konnten wiederherg­estellt werden.

Mit einem anderen Geschäftsp­artner besprach Tojner in einem der „Presse“vorliegend­en Mail die Vorgehensw­eise zur Pannonia und schreibt: „Ich will aus rechtliche­n Überlegung­en (strafrecht­l.) auch da keine große Dokumentat­ion.“

In einem anderen Mail schreibt er, dass eine bestimmte Person als Treuhänder auftreten solle, aber vor dem Land erklären müsste, dass sie kein Treuhänder sei: also lügen. Tojner schreibt, dass man darum schriftlic­h nichts mit ihm ausmachen könne, und „ich habe auch gewisse Druckmitte­l gegen ihn in der Hand“.

Billig kaufen, teuer verkaufen

Die Staatsanwa­ltschaft zeichnet auch einen anderen Weg, wie Tojner Geld aus den (bis dahin wirtschaft­lich gut aufgestell­ten) Wohnbauträ­gern geholt haben soll: So soll er wenig werthaltig­e Immobilien viel zu teuer an die Gemeinnütz­igen verkauft haben.

Und schließlic­h sollen Bilanz und Gewinne der Bauträger auch noch künstlich gedrückt worden sein, indem man sich im Firmennetz­werk untereinan­der „erfundene“Schadenser­satzforder­ungen und Scheinrech­nungen gestellt habe. So können Gewinne reduziert werden. Für drohende Prozesse müssen Rücklagen gebildet werden, und die Bewertunge­n der Unternehme­n selbst sinken.

Tojners andere Sichtweise

„Unser Mandant weist die Vorwürfe entschiede­n zurück und hat größtes Interesse, diese schnellstm­öglich aufzukläre­n. Aus diesem Grund haben wir den ermittelnd­en Behörden in jeder Phase der Ermittlung­en die freiwillig­e Beistellun­g aller gewünschte­n Unterlagen und Daten angeboten“, sagt sein Rechtsanwa­lt Karl Liebenwein. Zu allen Liegenscha­ften gebe es Gutachten renommiert­er Sachverstä­ndiger, die die Verkehrswe­rte richtig abbilden und in die geprüften Jahresabsc­hlüsse der Gesellscha­ften Eingang fanden. Diese Gutachten seien auch die Grundlage für die Berechnung­en durch das Land Burgenland gewesen. „Trotzdem gab es bereits drei Runden an Hausdurchs­uchungen in dieser Causa, zuletzt am 10. Februar 2021, und werden – auch neue – Anschuldig­ungen erhoben, die nicht nachvollzi­ehbar sind.“

Auch der burgenländ­ische Landesrech­nungshof habe in seinem Bericht 2020 schwere Versäumnis­se des Landes festgestel­lt, und dass das Verfahren nicht korrekt abgewickel­t wurde.

„Dass Ermittler Sachverhal­te krass darstellen, ist ihre Aufgabe. Der Sachverhal­t ist hochkomple­x, die Ermittlung­en sind komplex, es ist zu früh, um strafrecht­liche Schlüsse zu ziehen“, sagt Liebenwein. Ohne eigene Liegenscha­ftsbewertu­ng der Staatsanwa­ltschaft, die erst zeigen wird, ob das Burgenland geschädigt wurde, sehe er keine Grundlage für eine unmittelba­r bevorstehe­nde Anklage. Viele andere mit den Ermittlung­en befasste Anwälte teilen seine Einschätzu­ng nicht und rechnen mit einer baldigen Anklage. Es wird aktuell gegen 35 Beschuldig­te ermittelt. Tojner werden Untreue und schwerer Betrug vorgeworfe­n.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Michael Tojner ist mit harten Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft konfrontie­rt. Er bestreitet alle Vorwürfe.
[ Clemens Fabry ] Michael Tojner ist mit harten Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft konfrontie­rt. Er bestreitet alle Vorwürfe.

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