Rechte Sektierer verbreiten Alarmstimmung
USA. Radikale TrumpAnhänger raunten von Anschlag aufs Kapitol am 4. März. Geheimdienste nehmen Warnungen ernst.
Wien/Washington. Beinahe zwei Monate sind seit dem Sturm aufs Kapitol verstrichen. Doch die Anspannung in Washington hat sich auch sechs Wochen nach der Angelobung Joe Bidens noch nicht gelegt. 5000 Soldaten der Nationalgarde halten in ihrer Tarnuniform weiterhin die Stellung rund um das Parlament und den Obersten Gerichtshof auf dem Capitol Hill, der abgeriegelten, mit Barrikaden und Stacheldrahtzaun geschützten Zitadelle der US-Demokratie.
Eine gewisse Nervosität lag über der Stadt, als die Abgeordneten vorzeitig in ihre Wahlkreise zurückkehrten. Das Trauma des 6. Jänner, als viele von ihnen angesichts des Mobs Todesangst ausgestanden, sich unter ihren Sitzen verkrochen und in ihren Büros eingesperrt haben, steckt ihnen in den Knochen. Das Repräsentantenhaus hatte eine
Debatte über die Polizeireform vorgezogen und die Parlamentssession für den Donnerstag abgesagt, der Senat reduzierte die Tagesordnung und die Hearings der Ministerkandidaten auf ein Mindestmaß.
Nachdem in Internetforen Anhänger der Verschwörungssekte QAnon von einem Anschlag auf das Kapitol am 4. März spintisiert hatten, waren die Sicherheitskräfte in Alarmstimmung. Für den Tag, der bis 1937 das Datum der Inauguration des Präsidenten markiert hatte, kündigten manche unter den rechtsradikalen Aktivisten die Rückkehr Donald Trumps an die Macht an. In den Kreisen der Milizen war zuvor schon ein anderes Szenario kursiert – ein Attentat während der Rede des Präsidenten zur Lage der Nation, für die allerdings noch kein Termin fixiert ist.
Die US-Behörden nehmen die Warnungen inzwischen ernster als vor der Bestätigung des Wahlergebnisses im Vorfeld des 6. Jänner. Wenngleich ein neuerlicher Sturm aufs Kapitol wegen der umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen derzeit unwahrscheinlich erscheint, könnte doch ein Einzeltäter – ein „einsamer Wolf“– zuschlagen und eine Bombe hochgehen lassen.
Die Drohungen gegenüber den Parlamentariern haben sich zuletzt indessen verdoppelt. Michael McCaul, ein führender republikanischer Abgeordneter aus Texas, appellierte an die Verantwortung des Ex-Präsidenten Trump, mäßigend auf seine Hardcore-Fans einzuwirken.
Schwächen und Schuldzuweisungen
Nicht von ungefähr stufen derzeit die US-Geheimdienste den rechtsextremen Terror als größte Bedrohung ein, wie FBI-Chef Christopher Wray zu Protokoll gab. „Das Problem des inländischen Terrorismus metastasiert bereits eine ganze Weile im gesamten Land, und es wird nicht so schnell verschwinden“, sagte er bei einem Senatshearing. Die Aktion im Jänner werde kein Einzelfall bleiben, warnte auch das Heimatschutzministerium.
Die Untersuchung der Ereignisse vom 6. Jänner, als sich rund 10.000 Trump-Anhänger vor dem Kongress versammelten und 800 ins Kapitol eindrangen, hat bisher erstaunliche Schwächen und Schuldzuweisungen ans Licht gebracht. Zuletzt klagte die Nationalgarde über die späte Mobilisierung durch das Verteidigungsministerium. Die für die Sicherheit rund um das Parlament abgestellte Sonderpolizei erhält jedenfalls künftig um ein Fünftel mehr Budgetmittel, inklusive einer Aufstockung der Sicherheitskräfte.
Der Senat hat ein Votum über das Konjunkturprogramm im Ausmaß von 1,9 Billionen Dollar vorerst auf das Wochenende verschoben. In dem Gesetzesverfahren musste Joe Biden bereits einige Zugeständnisse machen. Und auch personalpolitisch erlitt er eine Niederlage: Er zog Neera Tanden, seine Kandidatin als Budgetdirektorin, wegen des Widerstands infolge ihrer früheren TwitterAttacken gegen Freund wie Feind zurück.