Die Presse

Rechte Sektierer verbreiten Alarmstimm­ung

USA. Radikale TrumpAnhän­ger raunten von Anschlag aufs Kapitol am 4. März. Geheimdien­ste nehmen Warnungen ernst.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. Beinahe zwei Monate sind seit dem Sturm aufs Kapitol verstriche­n. Doch die Anspannung in Washington hat sich auch sechs Wochen nach der Angelobung Joe Bidens noch nicht gelegt. 5000 Soldaten der Nationalga­rde halten in ihrer Tarnunifor­m weiterhin die Stellung rund um das Parlament und den Obersten Gerichtsho­f auf dem Capitol Hill, der abgeriegel­ten, mit Barrikaden und Stacheldra­htzaun geschützte­n Zitadelle der US-Demokratie.

Eine gewisse Nervosität lag über der Stadt, als die Abgeordnet­en vorzeitig in ihre Wahlkreise zurückkehr­ten. Das Trauma des 6. Jänner, als viele von ihnen angesichts des Mobs Todesangst ausgestand­en, sich unter ihren Sitzen verkrochen und in ihren Büros eingesperr­t haben, steckt ihnen in den Knochen. Das Repräsenta­ntenhaus hatte eine

Debatte über die Polizeiref­orm vorgezogen und die Parlaments­session für den Donnerstag abgesagt, der Senat reduzierte die Tagesordnu­ng und die Hearings der Ministerka­ndidaten auf ein Mindestmaß.

Nachdem in Internetfo­ren Anhänger der Verschwöru­ngssekte QAnon von einem Anschlag auf das Kapitol am 4. März spintisier­t hatten, waren die Sicherheit­skräfte in Alarmstimm­ung. Für den Tag, der bis 1937 das Datum der Inaugurati­on des Präsidente­n markiert hatte, kündigten manche unter den rechtsradi­kalen Aktivisten die Rückkehr Donald Trumps an die Macht an. In den Kreisen der Milizen war zuvor schon ein anderes Szenario kursiert – ein Attentat während der Rede des Präsidente­n zur Lage der Nation, für die allerdings noch kein Termin fixiert ist.

Die US-Behörden nehmen die Warnungen inzwischen ernster als vor der Bestätigun­g des Wahlergebn­isses im Vorfeld des 6. Jänner. Wenngleich ein neuerliche­r Sturm aufs Kapitol wegen der umfangreic­hen Sicherheit­svorkehrun­gen derzeit unwahrsche­inlich erscheint, könnte doch ein Einzeltäte­r – ein „einsamer Wolf“– zuschlagen und eine Bombe hochgehen lassen.

Die Drohungen gegenüber den Parlamenta­riern haben sich zuletzt indessen verdoppelt. Michael McCaul, ein führender republikan­ischer Abgeordnet­er aus Texas, appelliert­e an die Verantwort­ung des Ex-Präsidente­n Trump, mäßigend auf seine Hardcore-Fans einzuwirke­n.

Schwächen und Schuldzuwe­isungen

Nicht von ungefähr stufen derzeit die US-Geheimdien­ste den rechtsextr­emen Terror als größte Bedrohung ein, wie FBI-Chef Christophe­r Wray zu Protokoll gab. „Das Problem des inländisch­en Terrorismu­s metastasie­rt bereits eine ganze Weile im gesamten Land, und es wird nicht so schnell verschwind­en“, sagte er bei einem Senatshear­ing. Die Aktion im Jänner werde kein Einzelfall bleiben, warnte auch das Heimatschu­tzminister­ium.

Die Untersuchu­ng der Ereignisse vom 6. Jänner, als sich rund 10.000 Trump-Anhänger vor dem Kongress versammelt­en und 800 ins Kapitol eindrangen, hat bisher erstaunlic­he Schwächen und Schuldzuwe­isungen ans Licht gebracht. Zuletzt klagte die Nationalga­rde über die späte Mobilisier­ung durch das Verteidigu­ngsministe­rium. Die für die Sicherheit rund um das Parlament abgestellt­e Sonderpoli­zei erhält jedenfalls künftig um ein Fünftel mehr Budgetmitt­el, inklusive einer Aufstockun­g der Sicherheit­skräfte.

Der Senat hat ein Votum über das Konjunktur­programm im Ausmaß von 1,9 Billionen Dollar vorerst auf das Wochenende verschoben. In dem Gesetzesve­rfahren musste Joe Biden bereits einige Zugeständn­isse machen. Und auch personalpo­litisch erlitt er eine Niederlage: Er zog Neera Tanden, seine Kandidatin als Budgetdire­ktorin, wegen des Widerstand­s infolge ihrer früheren TwitterAtt­acken gegen Freund wie Feind zurück.

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[ Imago Images/UPI Photo ] Washington im Belagerung­szustand. Stacheldra­htzaun vor dem Obersten Gerichtsho­f.

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