Die Presse

HPV-Infektion: „Man könnte das auch als Pandemie bezeichnen“

Krebsvorso­rge. 80 Prozent der Österreich­er sind zumindest einmal im Leben mit HP-Viren infiziert. Die Impfung dagegen wird zu oft nicht genutzt.

- VON JULIA WENZEL

Wien. Von gesundheit­lichen Kollateral­schäden ist derzeit oft die Rede, wenn es um den gesundheit­spolitisch­en Fokus auf Corona geht. Denn dieser hat andere Erkrankung­en im Vorjahr weitgehend aus dem Blickfeld verdrängt. „Impfen ist in aller Munde“, sagt Frauen- und Jugendmini­sterin Susanne Raab (ÖVP). Bloß: Die einzig existente Impfung gegen Krebs, nämlich jene gegen Humane Papillomav­iren (HPV), ist es nicht.

Anlässlich des Welt-HPV-Tags am 4. März diskutiert­e Raab mit Elmar Joura, Leiter der Ambulanz für Cervix- und Vulvapatho­logie am AKH Wien, und Ina Herzer, Österreich-CEO des Pharmahers­tellers Merck Sharp & Dohme, über Strategien für mehr Bewusstsei­nsbildung. Denn viele Eltern haben Routine-Impfungen ihrer Kinder im vergangene­n Jahr nicht wahrgenomm­en.

Bekannt sind heute mehr als 120 HPV-Typen, von denen etwa 14 Varianten unterschie­dliche Krebsforme­n (an Gebärmutte­rhals, Vulva, Scheide, Anus, Penis, Rachen) verursache­n. Übertragen werden die Viren von Männern auf Frauen beim Geschlecht­sverkehr oder während einer Geburt von der Mutter auf das Kind. Kondome bieten keinen Schutz vor einer Ansteckung. So infizieren sich etwa 80 Prozent der Bevölkerun­g zumindest einmal im Leben mit HPV. „Man könnte das auch als Pandemie bezeichnen“, sagt Joura. Insbesonde­re die HPV-Typen 16 und 18 verursache­n mehr als 70 Prozent aller bösartigen Gebärmutte­rhalskarzi­nome.

Als „Frauenprob­lem“abgetan

Weil die Impfung noch vor dem ersten Sex am effektivst­en ist, begann Österreich 2007 als erstes Land der Welt, die HPV-Impfung für Kinder zu empfehlen. 2014 wurde die Impfung in das SchulImpfp­rogramm aufgenomme­n. Seither werden Kinder in der vierten Klasse Volksschul­e kostenfrei geimpft. Bis zum 15. Lebensjahr gibt es die zwei Teilimpfun­gen für etwa je 60 Euro. Später müssen drei Teilimpfun­gen zu je 200 Euro privat gezahlt werden.

Trotz des kostenfrei­en Angebots liegt die Impfquote in Österreich bei Kindern weit unter 50 Prozent, in manchen Bundesländ­ern unter 30. Nach wie vor wird HPV oft als „Frauenprob­lem“abgetan und ignoriert. Männer interessie­ren sich seltener dafür, sind aber selbst Viren-Überträger. Das beweist auch eine EU-weite Umfrage: Nicht einmal die Hälfte der Österreich­er gab darin an, schon von HPV gehört zu haben. Nur neun Prozent wissen, dass beide Geschlecht­er davon betroffen sind.

Da die WHO inzwischen fordert, 90 Prozent aller Mädchen unter 15 Jahren bis 2030 zu impfen, sei ein „Schultersc­hluss aus Politik und Medizin“notwendig, sagt Raab. Die Ministerin kann sich vorstellen, das Thema in den Mutter-Kind-Pass aufzunehme­n. Joura hingegen sieht im neuen elektronis­chen Impfpass die Chance, die „Dynamik“der Corona-Impfdebatt­en für HPV zu nutzen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria