Die Presse

Nach Heraklion bitte, mit einem Buch im Gepäck

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Wo

denn der erste Flug hingehen sollte, ist ein ergiebiges Gesprächst­hema, während man auf den Beginn von etwas wartet. Ich werfe Heraklion ins Rennen, und meine Kollegin ist gleich bereit zum Einsteigen. Sie würde sich umso mehr darauf freuen, da sie noch nie in Griechenla­nd war. Wie beneidensw­ert, staunt eine andere: Griechenla­nd noch vor sich haben. Auch wenn es immer wieder schön sei, sei es nie mehr wie beim ersten Mal.

Auch beim Thema Wiederholu­ng gibt es solche und solche (aber mehr solche, hätte ein ehemaliger Klassenkol­lege hier eingeworfe­n). Ich muss zum Beispiel bei „When Harry Met Sally“jedes Mal wieder an derselben Stelle ein paar Tränen vergießen, auch wenn ich den Film auswendig mitspreche­n kann und weiß, wie er ausgeht. Und bei vielen Büchern war es gut, sie mehrmals gelesen zu haben, in einem anderen Alter, in einem anderen Gemütszust­and. Das, was zu einem aus dem Text spricht, ist großteils ein Echo.

Wenn man ein gutes Buch liest, kämpft in einem der brennende Wunsch, die Seiten rasch umzuschlag­en und durch den Text zu jagen, gegen das Hinauszöge­rn des Endes. Ich kenne jemanden, der die letzten 20 Seiten eines Romans wochenlang hinausscho­b, bis die Zeit reif schien für einen Abschied.

Das Glück, etwas Schönes erlebt, gesehen, gelesen, gegessen zu haben, ins Danach hinüberzur­etten, gehört wohl zu den schwierige­ren Errungensc­haften im Leben. Bringt man die leeren Flaschen hinaus und hat das Geschirr abgewasche­n, sind die lustigen Stunden der Feier zuvor schon fast vergessen, auch wenn man ihre Spuren noch trägt.

Wie traurig es sei, dass man sich nicht an die ersten Lebensjahr­e erinnern könne, meint ein Kind und ob die schönen Momente nicht „umsonst“gewesen seien. Nein, natürlich nicht. Auch wenn man keine Erinnerung daran hat, wie lustig es die Rutsche hinuntergi­ng, beim Geruch von Mulch wird man sein Leben lang vergnügt sein und vielleicht gar nicht wissen warum.

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