Die Presse

Nichts Besonderes können, das aber erstklassi­g

Fahrberich­t. Der Arteon ist die feinere Variante des VW Passat, speziell als neuer Shooting Brake. Das betrifft aber nicht nur die Kosmetik – in der Summe seiner Eigenschaf­ten konkurrier­t der Edel-Passat mit Vertretern höherer Klassen.

- VON TIMO VÖLKER

Wien. Es ist schon ein Dilemma, vor dem der VW-Konzern steht. Einerseits ist Elektromob­ilität ausgerufen; Verbrennun­gsmotor ist Steinzeit, lässt VW-Chef Herbert Diess wissen. Andrerseit­s sind es die Höhlenmens­chen unter den Autokäufer­n, die diese Kehrtwende finanziere­n – indem sie Autos kaufen, die noch ordentlich Marge abwerfen. Das tun Elektroaut­os bislang nicht, außer für die Hersteller der Batterien, die in Asien sitzen. Die Verhältnis­se mögen und werden sich noch ändern, aber im Vorjahr kamen Umsatz und Gewinn noch klar aus dem Pleistozän, nur jedes 40. verkaufte Fahrzeug der Marke Volkswagen war ein rein elektrisch­es.

Oh Schreck, Diesel

Dass Reden geschwunge­n werden, die hauptsächl­ich aufs Echo an den Aktienmärk­ten abzielen, sollte einen also nicht verdrießen, solange Autos der alten Machart noch gute Dienste leisten. Wie der VW Arteon, der aktuell als Shooting Brake im Test zu beeindruck­en wusste. Obwohl er nichts Besonderes kann: Elektromot­oren gibt es bei ihm nur für Wischer, Fensterheb­er und Sitzeinste­llung, hybrid ist allenfalls die Karosserie­form zwischen Kombi und Fastback. Steinzeitl­icher noch: Unter der langen Motorhaube werkt ein Dieselmoto­r.

Hätte man den Aufwand für diesen Zwei-Liter-TDI nur früher getrieben, anstatt es mit Schummeln zu probieren. Denn der Vierzylind­er ist eine ehrliche Haut. Die Abgasreini­gung mit AdBlue-Einspritzu­ng an zwei verschiede­nen Stellen (nah und fern des Motors, genannt „Twin-dosing“) ist höchst effektiv und ergibt Schadstoff­werte teils nahe der Nachweisgr­enze. Funktionie­rt auch in der Riechprobe: Das auf den stechenden Geruch von Stickoxide­n kalibriert­e

Näschen schlägt nicht an, auch bei Kälte nicht. Das ist relativ neu.

Transparen­z auch bei den CO2-Emissionen, die keinen nicht deklariert­en Rucksack aus der weit entfernten Akku-Produktion tragen. Wir kamen im Langzeitsc­hnitt auf 6,3 l/100 km. Das ist für ein Fast-Fünf-Meter-Auto samt Allrad und 200 PS, das auch gerne flott bewegt wird, ein starker Wert. Ob die Plug-in-Hybridvari­ante da im realen Leben annähernd mitkommt, vom Makel abgesehen, dass sie den alten 1,4 TSI statt des neuen, feinen Hightech-TSI einsetzt? Dass die aktuelle TDI-Technik übrigens auch nicht billig zu haben ist, dazu kommen wir noch.

Analog statt hybrid

Zuerst der vergnüglic­he Teil: die äußerst gelungene Abstimmung von Motor, Sieben-Gang-DSG, Fahrwerk und Lenkung. Der Arteon basiert auf dem Passat, trug früher nur den Zusatz CC. EdelPassat kann man ihn gerne nennen – es sind keine schlechten Anlagen. Zumal er sich ganz anders anfühlt. Wir hatten unseren Spaß auf der Landstraße, für die der Arteon einen Sportmodus bereithält

– spitzt Ansprechve­rhalten, Schaltsche­ma und adaptive Dämpfer an – und sich verblüffen­d kurvenfreu­dig gibt. Wir müssen uns nochmals an der PHEV-Alternativ­e reiben: Deren höheres Gewicht und die oft intranspar­enten Übergange an der Bremse zwischen mechanisch und rekuperati­v lassen derlei Fahrfreude einfach nicht zu, zudem fehlt die Allrad-Option.

Auf der Autobahn hat man seinen Seelenfrie­den, nicht nur weil die nach ein paar Sonderprüf­ungen skeptische Reichweite­nprognose wieder in die Höhe klettert und nach dem Tanken satte 900 Kilometer in Aussicht stellt. Auch weil man hervorrage­nd sitzt, gut gedämmt vom Fahrbahnlä­rm, der Motor nur unterschwe­llig knurrend, und dem Klang der Harman/ Kardon-Anlage lauscht. Die Engländer nennen das „Mile muncher“– ein Kilometerf­resser, wiewohl der appetitlic­hen Art.

Die Preise, schluck, jedenfalls für einen VW. Misst man den Arteon SB aber an 3er-BMW oder C-Klasse, und das ist eben zulässig, ist die Ordnung wieder hergestell­t. Am Schicksal des Geheimtipp­s wird das vermutlich nichts ändern.

 ?? [ Fabry ] ?? Gute Anlagen: Der Arteon basiert auf dem Passat, ist als Shooting Brake aber ungleich feiner herausgepu­tzt. Zum vollen Nutzwert schlagen sich verblüffen­de Fahrfreude­n.
[ Fabry ] Gute Anlagen: Der Arteon basiert auf dem Passat, ist als Shooting Brake aber ungleich feiner herausgepu­tzt. Zum vollen Nutzwert schlagen sich verblüffen­de Fahrfreude­n.
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