Ägyptens Muslime dürfen jetzt beim Kirchenbau helfen
Hunde halten ja, Homosexuelle diskriminieren nein: Der Großmufti Shawki Allam vertritt im arabischen Kontext bemerkenswerte Positionen. Bis 2017 war es für Kopten fast unmöglich, Lizenzen für den Bau von Kirchen zu bekommen.
Es sind 44 Kirchen, die in Ägypten derzeit gebaut werden. 16 alte koptische Kirchen werden restauriert. Diese Arbeiten werden künftig auch von Menschen verrichtet, die man auf solchen Baustellen bisher nicht gewohnt war: Muslimen.
Gegen „Entgelt“und „in jeder Hinsicht“dürfen sie das, hat der Großmufti – also die oberste islamische Autorität, wenn es um Rechtsgutachten geht – Shawki Allam schon im Jänner in einer Fatwa, einem islamischen Rechtsgutachten also, erklärt (zum großen Ärger Konservativer). Die ägyptische Regierung unter Abdel Fatah al-Sisi ist dem moderaten Mufti nun gefolgt – und bricht mit einem langen Tabu.
Sie folgt wohl auch pragmatischen wirtschaftlichen Überlegungen. Es gibt viel mehr zugelassene „christliche“Baustellen, seit 2017 ein staatliches Komitee für die Legalisierung nicht lizenzierter Kirchen eingerichtet wurde. Davor war es für Kopten fast unmöglich, eine offizielle Erlaubnis für den Bau oder die Renovierung einer Kirche zu bekommen. Was dennoch passierte, war de facto illegal.
Die Positionen des heute 59-jährigen Shawki Allam sind im arabischen Kontext immer wieder bemerkenswert. Seit 2013 ist er Ägyptens Großmufti – der erste von Al-Azhar-Gelehrten gewählte und nicht vom Präsidenten ernannte. Neben dem Scheich der Al-Azhar-Universität ist er damit die wichtigste religiöse Autorität Ägyptens, für die Regierung die wichtigste überhaupt, und international eine bedeutende islamische Autorität.
2016 sagte Allam in einem Interview anlässlich des Anschlags auf einen LGBT-Nachtclub in Florida, trotz des islamischen Verbots der Homosexualität habe „niemand das Recht, Homosexuellen Schaden zuzufügen oder sie zu diskriminieren“. Auch nur Annäherndes hatte man von den höchsten religiösen Autoritäten des Landes noch nie gehört. Im Grunde entspricht dies der Position der koptischen Kirche, die den freundlichen Umgang mit Homosexuellen befürwortet, Homosexualität aber grundsätzlich verurteilt.
2020 erklärte Allam, dass seines Erachtens Muslime Hunde als Haustiere halten dürfen und kein Tier unrein sei. Außer bei den Malikiten, einer der vier sunnitischen Rechtsschulen, gilt das traditionell als verpönt. Konservative protestierten mit einschlägigen Hadithen: Engel betreten demnach kein Haus, in dem ein Hund ist. Und ein Muslim mit Hund verliere Belohnungen für gute Taten.
Diesen Sommer scheidet Allam altersbedingt aus dem Amt. Gut möglich, dass ein Jüngerer nachkommt, der älter denkt.