Frauenförderung neu: Es sind gerade die Männer gefragt
Gleichstellung muss zur Führungsaufgabe im gesamten Unternehmen werden.
Es sind in erster Linie Frauen, die in den sogenannten systemrelevanten Berufen der Pflege, der Betreuung und des Einzelhandels in der aktuellen Pandemie das Leben aufrechterhalten. Und es sind nach wie vor Frauen, die nicht im gleichen Maße wie Männer an den Entscheidungsprozessen in Politik und Wirtschaft beteiligt sind. Und dies, obwohl laut UN Women vielerorts deutlich wird: Saßen Frauen am Steuerrad, wurde besser durch die Krise navigiert.
Österreich hat mit der 2018 eingeführten Frauenquote für Aufsichtsräte einen wichtigen Schritt voran gemacht. Und die Quote zeigt offensichtlich Wirkung. Was es nun braucht, ist eine grundlegende Veränderung der Kultur: Gleichstellung muss zur Führungsaufgabe im gesamten Unternehmen werden, und dabei sind insbesondere die Männer gefragt. Unsere im Vorjahr in der Schweiz durchgeführte Umfrage unter rund 1200 männlichen und weiblichen Führungskräften zeigt: Männliche Führungskräfte sind bereit und wollen sich für Gleichstellung engagieren. Häufig sind sie aber noch unsicher, was genau sie tun sollten. Mit mehr Wissen über Gleichstellung sowie konkrete Handlungsmöglichkeiten kann hier ein wichtiger Beitrag geleistet werden.
Dass Handlungsbedarf besteht, wird deutlich, schaut man sich die gravierenden Unterschiede an. Zum einen fühlen sich Führungsfrauen weniger gut inkludiert. Das heißt, sie fühlen sich im eigenen Unternehmen nicht im gleichen Maße gehört, wertgeschätzt und gefördert, wie dies ihre männlichen Kollegen tun. Mangelnde Inklusion wirkt sich aus. Wer sich nicht zugehörig fühlt, wird sich auch weniger einbringen können – und dies dann vielleicht auch gar nicht (mehr) wollen. Das so häufig attestierte mangelnde Selbstbewusstsein muss daher vielmehr als Ausdruck einer nach wie vor männlich dominierten Unternehmenskultur gesehen werden.
Zum anderen stehen Frauen und Männer in Führungspositionen nach wie vor an ganz unterschiedlichen Orten. Während Männer in der überwiegenden Mehrheit Partnerinnen haben, die sie bei den sogenannten Care-Aufgaben entlasten, leben Frauen in Führungspositionen überwiegend in Partnerschaften, in der beide Vollzeit arbeiten. Auch leben sie häufiger ohne Partnerschaft und sind häufiger kinderlos. Wenig verwunderlich angesichts der aufgezeigten Normen in Unternehmen, oder? Dabei sind sie mehrheitlich sogar jünger und besser ausgebildet als ihre männlichen Kollegen. Doch dieses „Kapital“scheinen sie nicht so gut in harte Währung umsetzen zu können – oder: Die Unternehmens- und Führungskulturen verhindern, dieses Potenzial der Frauen zu nutzen.
Unsicher, was genau zu tun ist
Deutlich wird: Es sind nicht Frauen, die nicht wollen, sondern Unternehmen, die, wohlwollend interpretiert, noch nicht so recht wissen, wie sie Führung und Zusammenarbeit neu denken müssen, um den unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen und Männern auch gerecht werden zu können.
Es besteht Handlungsbedarf. Für die Unternehmen. Für die Führungskräfte. Und es wird Zeit, diese offensichtlichen Unterschiede endlich zur Kenntnis zu nehmen. Die Arbeitswelt der PostPandemie ist dafür wie geschaffen, lasst uns anfangen, sie inklusiv zu gestalten!
Prof. Dr. Julia Nentwich (* 1972) und Dr. Gabriele Schambach (* 1968) lehren an der Universität St. Gallen am Lehrstuhl für Organisationspsychologie. Sie leiten das Projekt „Leaders for Equality: Führungskräfte nutzen Chancen“. Auf der Projektwebseite leadersforequality.ch können Sie sich über die Ergebnisse informieren. Ab Sommer 2021 wird dort eine Toolbox mit innovativen Interventionen und Maßnahmen für Unternehmen, Führungskräfte und Gleichstellungsverantwortliche zur Verfügung stehen.