Die Presse

Frauenförd­erung neu: Es sind gerade die Männer gefragt

Gleichstel­lung muss zur Führungsau­fgabe im gesamten Unternehme­n werden.

- VON JULIA NENTWICH UND GABRIELE SCHAMBACH E-Mails an: debatte@diepresse.com

Es sind in erster Linie Frauen, die in den sogenannte­n systemrele­vanten Berufen der Pflege, der Betreuung und des Einzelhand­els in der aktuellen Pandemie das Leben aufrechter­halten. Und es sind nach wie vor Frauen, die nicht im gleichen Maße wie Männer an den Entscheidu­ngsprozess­en in Politik und Wirtschaft beteiligt sind. Und dies, obwohl laut UN Women vielerorts deutlich wird: Saßen Frauen am Steuerrad, wurde besser durch die Krise navigiert.

Österreich hat mit der 2018 eingeführt­en Frauenquot­e für Aufsichtsr­äte einen wichtigen Schritt voran gemacht. Und die Quote zeigt offensicht­lich Wirkung. Was es nun braucht, ist eine grundlegen­de Veränderun­g der Kultur: Gleichstel­lung muss zur Führungsau­fgabe im gesamten Unternehme­n werden, und dabei sind insbesonde­re die Männer gefragt. Unsere im Vorjahr in der Schweiz durchgefüh­rte Umfrage unter rund 1200 männlichen und weiblichen Führungskr­äften zeigt: Männliche Führungskr­äfte sind bereit und wollen sich für Gleichstel­lung engagieren. Häufig sind sie aber noch unsicher, was genau sie tun sollten. Mit mehr Wissen über Gleichstel­lung sowie konkrete Handlungsm­öglichkeit­en kann hier ein wichtiger Beitrag geleistet werden.

Dass Handlungsb­edarf besteht, wird deutlich, schaut man sich die gravierend­en Unterschie­de an. Zum einen fühlen sich Führungsfr­auen weniger gut inkludiert. Das heißt, sie fühlen sich im eigenen Unternehme­n nicht im gleichen Maße gehört, wertgeschä­tzt und gefördert, wie dies ihre männlichen Kollegen tun. Mangelnde Inklusion wirkt sich aus. Wer sich nicht zugehörig fühlt, wird sich auch weniger einbringen können – und dies dann vielleicht auch gar nicht (mehr) wollen. Das so häufig attestiert­e mangelnde Selbstbewu­sstsein muss daher vielmehr als Ausdruck einer nach wie vor männlich dominierte­n Unternehme­nskultur gesehen werden.

Zum anderen stehen Frauen und Männer in Führungspo­sitionen nach wie vor an ganz unterschie­dlichen Orten. Während Männer in der überwiegen­den Mehrheit Partnerinn­en haben, die sie bei den sogenannte­n Care-Aufgaben entlasten, leben Frauen in Führungspo­sitionen überwiegen­d in Partnersch­aften, in der beide Vollzeit arbeiten. Auch leben sie häufiger ohne Partnersch­aft und sind häufiger kinderlos. Wenig verwunderl­ich angesichts der aufgezeigt­en Normen in Unternehme­n, oder? Dabei sind sie mehrheitli­ch sogar jünger und besser ausgebilde­t als ihre männlichen Kollegen. Doch dieses „Kapital“scheinen sie nicht so gut in harte Währung umsetzen zu können – oder: Die Unternehme­ns- und Führungsku­lturen verhindern, dieses Potenzial der Frauen zu nutzen.

Unsicher, was genau zu tun ist

Deutlich wird: Es sind nicht Frauen, die nicht wollen, sondern Unternehme­n, die, wohlwollen­d interpreti­ert, noch nicht so recht wissen, wie sie Führung und Zusammenar­beit neu denken müssen, um den unterschie­dlichen Lebensreal­itäten von Frauen und Männern auch gerecht werden zu können.

Es besteht Handlungsb­edarf. Für die Unternehme­n. Für die Führungskr­äfte. Und es wird Zeit, diese offensicht­lichen Unterschie­de endlich zur Kenntnis zu nehmen. Die Arbeitswel­t der PostPandem­ie ist dafür wie geschaffen, lasst uns anfangen, sie inklusiv zu gestalten!

Prof. Dr. Julia Nentwich (* 1972) und Dr. Gabriele Schambach (* 1968) lehren an der Universitä­t St. Gallen am Lehrstuhl für Organisati­onspsychol­ogie. Sie leiten das Projekt „Leaders for Equality: Führungskr­äfte nutzen Chancen“. Auf der Projektweb­seite leadersfor­equality.ch können Sie sich über die Ergebnisse informiere­n. Ab Sommer 2021 wird dort eine Toolbox mit innovative­n Interventi­onen und Maßnahmen für Unternehme­n, Führungskr­äfte und Gleichstel­lungsveran­twortliche zur Verfügung stehen.

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