Leitartikel von Josef Urschitz
Die Affäre um chinesische Schutzmasken made in Austria zerstört Konsumentenvertrauen – und verlangt deshalb ernste Konsequenzen.
PR-technisch ist das Ganze ein Desaster der Sonderklasse: Ein Unternehmen baut eine „rein österreichische“Schutzmaskenproduktion auf, bewirbt diese Masken auf seiner Website mit „made in Austria“, beklagt sich wortreich, dass die öffentliche Hand solche Produkte in China einkauft, wird dabei erwischt, wie es selbst Masken aus China bezieht, diese im Weiterverkauf aber nicht als solche deklariert, streitet zuerst alles ab wie ein trotziges Kleinkind, muss dann aber doch kleinlaut zugeben, dass man ChinaMasken im Sortiment hatte.
Jeder, der auch nur peripher einmal an Unternehmenskommunikation angestreift ist, wird bestätigen: Dümmer geht es nicht. Die Folgen: Glaubwürdigkeit zertrümmert, Unternehmensimage beschädigt, das Produkt fliegt reihenweise aus Supermarktregalen. Bravo, gut gemacht! Kein Wunder, dass Mehrheitseigentümer Lenzing, ein börsenotiertes österreichisches Paradeunternehmen, recht flott nervös wird und schon in der Geschäftsführung des Masken-Joint-Ventures umzurühren beginnt.
Die Unschuldsvermutung muss man jetzt nicht unbedingt bemühen: Strafrechtlich wird – zumindest in diesem Punkt – wohl wenig hängen bleiben. Zumal die Hygiene Austria, um die es geht, ja auf ihrer Website unter dem Punkt „Über uns“selbst festhält, man wolle die Produktionskapazität bei Bedarf „im In- und Ausland“kurzfristig erhöhen. Und China geht ja wohl als „Ausland“durch.
Wo ist das Problem? Ach ja: Man hat irgendwie vergessen, das den Abnehmern auch klar zu kommunizieren. Blöde Geschichte! Konsumenten sind jetzt natürlich verunsichert und fragen sich: Was kommt als Nächstes? Echt Tiroler Speck aus polnischem Schweinefleisch? Original steirisches Kernöl aus chinesischen Kürbiskernen?
Wie? Hatten wir schon? Ja, dann sind wir beim Kernproblem: der Herkunftsbezeichnung in einer globalisierten Wirtschaft. Eine vernetzte Weltwirtschaft lebt nicht nur bei Endprodukten vom Austausch, sondern auch bei Vorprodukten und in der Produktion. Ein „deutsches“Auto, das aus Zulieferteilen aus zwei Dutzend Ländern besteht, die in der Türkei oder in Mexiko zusammengeschraubt werden, ist halt vieles, aber eher nicht „made in Germany“. So mancher Autobauer ist deshalb dazu übergegangen, von der Länder-Herkunftsbezeichnung wegzugehen. Und sein Produkt etwa als „made by Daimler“zu deklarieren. Mit der Botschaft: Egal, wer das wo hergestellt hat, die Qualität entspricht dem Markenimage.
Ein grundvernünftiger Ansatz, der aber von der sich rasant verbreitenden und politisch herzhaft geschürten Ideologie des neuen Regional-Biedermeiers konterkariert wird: Nur wir schaffen es, Produkte zu produzieren, die unseren Ansprüchen genügen. Aus China kommt immer wertloser Billigschrott, und Nahrungsmittel von jenseits der Grenze sind minderwertiges Junkfood, weiß doch jeder!
So etwas lädt natürlich dazu ein, mit Herkunftsbezeichnungen ein bisschen, sagen wir, kreativer umzugehen. Was angesichts der WTO-Herkunftsregeln nicht allzu schwer ist. Ein wenig wurde da zwar schon gebremst: Das bloße Einnähen eines neuen Etiketts reicht seit einiger Zeit nicht mehr, um aus einem fernöstlichen Billigleiberl ein Qualitätsshirt „made in France“zu machen. Im Grunde reicht es aber, wenn mehr als die Hälfte der Wertschöpfung im dann genannten „Ursprungsland“geschieht.
Das ändert freilich nichts daran, dass das, was das Lenzing-PalmersJoint-Venture mit seinen camouflierten China-Masken gemacht hat, arglistige Täuschung der Konsumenten ist. Ganz unabhängig davon, ob das jetzt strafrechtlich relevant ist oder nicht. Dem Konsumenten müssen für seine Kaufentscheidung ausreichend valide Informationen zur Verfügung stehen. Werden die mutwillig vorenthalten, dann müssen den Verantwortlichen harte Konsequenzen drohen.
Denn Marktwirtschaft lebt auch vom Verbrauchervertrauen. Das wurde in diesem Fall von Rosstäuschern schwerst missbraucht.