Die Presse

Anschober will strenger durchgreif­en

Ausgangsbe­schränkung­en sollen bereits ohne drohende Überlastun­g der Spitäler möglich sein. Das Treffen von Gruppen will man auch in Privaträum­en unterbinde­n können.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Nach wie vor gibt es Ausgangsbe­schränkung­en, wenn auch nur nachts. Die Verordnung dazu ist umstritten, schließlic­h sind Ausgehrege­ln laut Gesetz nur erlaubt, wenn sonst die Versorgung der Spitäler zusammenbr­echen könnte. Ein neuer Gesetzespl­an aus dem Gesundheit­sministeri­um sieht nun aber weitere Ermächtigu­ngen für Ressortche­f Rudolf Anschober vor. So soll er Ausgehbesc­hränkungen leichter verordnen und auch kleinere Zusammenkü­nfte in Privatwohn­ungen verbieten können. Aber was steht dahinter, und inwieweit sind die geplanten Gesetze verfassung­skonform?

1 Ausgehrege­ln bereits dann, wenn das Contact Tracing nicht greift.

Dieser Teil des nun in Begutachtu­ng geschickte­n Gesetzespl­ans ist der juristisch heikelste. Bisher durfte es Ausgehbesc­hränkungen laut dem Covid-19-Maßnahmeng­esetz nur geben, „um einen drohenden Zusammenbr­uch der medizinisc­hen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituati­onen zu verhindern“. Künftig soll es reichen, wenn es sonst zu einer „nicht mehr kontrollie­rbaren Verbreitun­g“des Virus käme. Das liegt laut den Gesetzesma­terialien vor, „wenn Maßnahmen des Contact Tracing nicht mehr greifen“. Für das Gesundheit­sministeri­um ist diese Maßnahme nötig, um künftig „rascher und zielgerich­teter vorgehen zu können“.

Die Opposition (SPÖ, FPÖ Neos) lehnt die Idee ab. Dieser Plan sei nicht mehr verhältnis­mäßig, meint Neos-Mandatar Gerald Loacker. Man denke nur an ein Szenario, in dem fast alle über 65-Jähren geimpft seien, aber das Virus unter Studenten unkontroll­ierbar grassiere. In so einem Fall könnte Anschober nach der Gesetzesän­derung schon Ausgangsbe­schränkung­en anordnen, kritisiert Loacker. „Wenn der Minister mit seiner Aufgabe des Contact Tracing scheitert, bestraft er dafür die Menschen mit Ausgangssp­erren“, rügt der Abgeordnet­e.

Ganz so einfach sei die Sache nicht, entgegnet Verfassung­sjurist Karl Stöger von der Universitä­t Wien. So stehe in den Erläuternd­en Bemerkunge­n zum Gesetzespl­an, dass es wegen „organisato­rischer Versäumnis­se“keine Ausgangsbe­schränkung­en geben dürfe (sondern nur z. B. wegen exponentie­llen Wachstums der Fälle). Ob die Ausweitung der Regeln vor dem Verfassung­sgerichtsh­of halte, könne man aber trotzdem noch nicht prognostiz­ieren, sagt Stöger.

Die Frage sei auch, was das Ministeriu­m beabsichti­ge. Denn gebe es bundesweit Probleme beim Contact Tracing, sei dies ohnedies ein Fall, in dem die jetzige Regel reichen würde. Dann drohe eine Überlastun­g der Spitalsbet­ten. Wenn die neue Regel Sinn ergebe, dann, um in Gegenden mit starker lokaler Virusverbr­eitung Ausgangsre­geln aufzustell­en, meint Stöger. Denn bei Problemen in einem kleinen Ort würde die bisherige Spitalskla­usel (ein Ort allein überlastet ja noch kein Spital) nicht greifen.

2 Vier Personen sind eine Versammlun­g – auch schon zu Hause.

Bisher konnte man gestützt auf das Epidemiege­setz Maßnahmen für Veranstalt­ungen setzen, bei denen es zum „Zusammenst­römen größerer Menschenme­ngen“kommt. Künftig sollen bereits „Zusammenkü­nfte von zumindest vier Personen aus zumindest zwei Haushalten“als Veranstalt­ung gelten. Damit wolle man die Rechtslage konkretisi­eren, sagt das Ministeriu­m. Tatsächlic­h findet sich bereits in Anschobers aktueller Covid-Verordnung ein Passus, laut dem nur noch Zusammenkü­nfte von nicht mehr als vier Personen aus maximal zwei Haushalten keine Veranstalt­ung darstellen. Das gilt aber nur für Treffen im Freien. Wohnungen sind laut der Verordnung zumindest tagsüber ganz unreglemen­tiert (nachts soll man in seinem eigenen Zuhause sein).

Jurist Stöger begrüßt die „höchst überfällig­e“Klarstellu­ng im Gesetz. Dadurch könne man nun per Verordnung auch für Privaträum­e leichter Vorgaben machen. Das Ministeriu­m bestätigt diesen Plan. Kontrollen in Privatwohn­ungen will die Regierung nicht einführen. „Wenn aber dann plötzlich zehn Leute aus einer Wohnung herauskomm­en, könnte ein Polizist künftig eine Anzeige machen“, erklärt Stöger. Privatpart­ys zu unterbinde­n sei während einer Pandemie sinnvoll, meint der Medizinrec­htsexperte. Und im Gegenzug könnte man dafür die Ausgehbesc­hränkungen fallen lassen.

FPÖ-Chef Norbert Hofer hat gegen die Regel hingegen Bedenken, die Neos fürchten eine Reglementi­erung von Familientr­effen.

3 Eine Absicherun­g für Anschober – und ein Warnruf des Ministers.

Die neuen Versammlun­gs- und Ausgangsge­setze hätten für Anschober eine großen Vorteil: Sollte der VfGH gegen die bisher strittigen Verordnung­en des Ministers Bedenken haben, könnte er unter Berufung auf die neuen Gesetze diese wieder rechtferti­gen. So, wie eine weitere Neuerung im Epidemiege­setz nun klarstelle­n soll, dass die Abriegelun­g größerer Gebiete (zuletzt fast ganz Tirol) erlaubt ist.

Anschober selbst warnte am Donnerstag vor einer „alarmieren­den Situation“. Man sei bezüglich der Coronazahl­en in einer ähnlichen Situation wie im Oktober. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gab den „verfrühten Öffnungen der Bundesregi­erung“eine Mitschuld. Spannend wird, wie die Opposition sich bei Anschobers Novelle verhält: Man könnte sie im Bundesrat wochenlang blockieren.

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[ Imago Images/Michael Kristen ] Ding-dong, wer steht dort vor der Tür? Kontrollen zu Hause bleiben tabu. Aber wenn zu viele Leute aus einer Wohnung kommen, könnte die Polizei sie anzeigen.

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