Vergewaltigungs-Prozess: Mann gesteht teilweise und geht frei
Gericht. Das für Sexualstrafverfahren klassische Aussage-gegen-Aussage-Dilemma zeigte sich exemplarisch bei einer Gerichtsverhandlung in Wien.
Wien. Der Fall birgt genau jene Komponenten, die es einem Gericht maximal schwer machen: Ein Medizin-Technologe soll eine Kollegin am Arbeitsplatz vergewaltigt haben. Die Szenen spielten sich vorigen August in einem Röntgenraum innerhalb eines Wiener Ordenskrankenhauses ab. Der Prozess endete mit Freispruch.
Dieser Ausgang mutet kurios an. Denn: Der 26-Jährige hatte ein Teilgeständnis abgelegt.
Laut Staatsanwältin habe dieser vor der Tat immer wieder „sexuelle Anspielungen getätigt“. Das Opfer habe „Unbehagen zu verstehen gegeben.“Dies auch am Tattag, als der Mann bei der jungen Frau eine „dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung“vorgenommen habe. Dabei soll er die Frau gegen die Wand gedrückt haben. Im Laufe des gesamten Geschehens hatte der Mann den Raum verlassen, die Frau blieb aber auch in dessen Abwesenheit dort. Ein Punkt, auf den nun Strafverteidiger Roland Friis hinwies.
„Sie wollte eine Beziehung mit dem Angeklagten. Sie fragte ihn immer, wie es mit seinen Gefühlen für sie stehe. Er hingegen wollte nur was Sexuelles. Das hat sie nicht gut verdaut.“So umriss Friis die Lage.
Demgegenüber arbeitete die Privatbeteiligten-Vertreterin, die auf Opferschutz spezialisierte Anwältin Sonja Aziz, heraus, dass die Frau bei einem später mit dem Arbeitskollegen geführten Telefonat, welches aufgezeichnet wurde und nun als Beweismittel dem Gericht vorlag, bezeichnende Worte gesprochen habe: So habe das Opfer den Mann zur Rede gestellt und diesen daran erinnert, dass sie sich „gewehrt“habe. Hinzu komme, dass bei der Frau mittlerweile eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei.
Der Zweifels-Grundsatz sticht
Der Mann hatte sich damals am Telefon mehrmals entschuldigt. Er sei zu weit gegangen.
Dies wiederholte er am Freitag vor Gericht: Ja, er habe die Frau im Intimbereich berührt. Dessen bekenne er sich schuldig. Vergewaltiger sei er aber keiner.
Vor der Aussage des Opfers wurde die Öffentlichkeit (wie zu erwarten war) auf Antrag der Frau ausgeschlossen. Deren Darstellung war für die Prozessöffentlichkeit somit unzugänglich. Ehe sich der Schöffensenat zur Urteilsberatung zurückzog, sagte noch eine seinerzeitige Arbeitskollegin des Mannes und der Frau aus. Demnach sei es im Krankenhaus mitunter zu freizügigen Gesprächen und zu Geplänkel gekommen. Das sei aber nichts Ernstes gewesen.
Was tat nun der Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richterin Elisabeth Reich? Er sprach den 26-Jährigen frei. Denn: „Ihnen kommt der Grundsatz ,Im Zweifel für den Angeklagten‘ zugute.“Alsdann gestand die Richterin zu: „Wir wissen beim besten Willen nicht, was da passiert ist.“Die Glaubwürdigkeit des Opfers habe jedenfalls im Verlauf des Verfahrens „gelitten“. Und: „Zwischen Ihnen beiden war eine gewisse Anziehung.“Dass es zu einer Vergewaltigung gekommen sei – „das glauben wir nicht“. Dass etwas passiert sei, was die Frau nicht wollte – „das glauben wir schon“.
Aber warum dann keine Verurteilung wegen sexueller Belästigung? Dies gab der Mann ja auch zu. Hier kommt eine rechtliche Komponente ins Spiel. Noch im Ermittlungsverfahren hätte das Opfer die Ermächtigung geben müssen, damit auch in diese Richtung ermittelt wird. Diese Ermächtigung lag aber nicht vor. Daher stand „nur“das Delikt Vergewaltigung zur Debatte. Die Staatsanwältin erklärte, sie werde den Freispruch nicht bekämpfen. Die Opfer-Vertreterin gab keine Erklärung ab, weshalb das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Nach Prozessende wurde die Sache von Beobachtern intensiv diskutiert.