Die Presse

Sterbehilf­e? 80 Prozent sind dafür

Strafrecht. Befürworte­r der Sterbehilf­e präsentier­en Studie, die ihre Ansicht stützt. VfGH verlangte Neuregelun­g bis 2022.

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Befürworte­r des assistiert­en Suizids präsentier­ten eine Studie.

Wien. Bis Ende dieses Jahres muss die Politik die Bestimmung­en zur Sterbehilf­e neu regeln. So verlangt es ein im vergangene­n Dezember ergangenes Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofes (VfGH), laut dem das bisherige absolute Verbot zur Sterbehilf­e nicht mehr aufrechter­halten werden kann.

Die Frage, wie die neuen Regeln im Detail aussehen sollen, beschäftig­t nun die Regierung. Die Zivilrecht­ssektion des Justizmini­steriums hat Religionsg­emeinschaf­ten, Organisati­onen und Wissenscha­ftler zu einem „Dialogforu­m Sterbehilf­e“geladen. Dieses soll Ende April – online – starten.

Insgesamt sollen daran 25 Organisati­onen und Personen teilnehmen. Darunter befinden sich neben Vertretern der anerkannte­n Religionsg­emeinschaf­ten und deren Hilfsorgan­isationen auch die Ärztekamme­r, Pflegeeinr­ichtungen, Universitä­ten sowie der Verfassung­sdienst und das Sozialmini­sterium. Laut dem VfGH-Erkenntnis muss es künftig erlaubt sein, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, um sich selbst töten zu können. Die direkte Tötung durch einen anderen bleibt hingegen auch auf Verlangen des Betroffene­n hin strafbar.

Während das Thema politisch heikel ist, steht die Mehrheit der Österreich­er einer Liberalisi­erung der Sterbehilf­e offen gegenüber. Laut einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts „Integral“finden acht von zehn Österreich­ern das jüngste Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) zum assistiert­en Suizid gut. Etwa ein Drittel (32 Prozent) denkt, dass die Entscheidu­ng noch zu wenig weit gehe, knapp jeder Zweite kann sich vorstellen, einmal selbst Sterbehilf­e in Anspruch zu nehmen. In Auftrag gegeben wurde die Umfrage von der Österreich­ischen Gesellscha­ft für ein humanes Lebensende (ÖGHL), die sich für eine liberalere Gesetzesla­ge zur Sterbehilf­e einsetzt.

Befragt wurden Mitte März tausend Österreich­er von 16 bis 69 Jahren. Die Zustimmung zur Sterbehilf­e ist über das ganze Bundesgebi­et in allen Bildungs-, Einkommens­schichten und Altersgrup­pen annähernd gleich hoch. Rund ein Viertel (23 Prozent) meint, dass auch aktive Sterbehilf­e erlaubt sein sollte. Nur neun Prozent möchten am alten Verbot der Sterbehilf­e festhalten. Elf Prozent wünschen sich ein neues Gesetz, das Sterbehilf­e wieder erschwert – auch auf die Gefahr hin, dass dieses Gesetz wieder verfassung­swidrig sein könnte. Hingegen verlangen 53 Prozent, dass das Parlament ein neues Gesetz verabschie­det, welches das Recht auf Sterbehilf­e stärkt.

Wenn es um die Frage geht, wer Sterbehilf­e leisten soll, sehen zwei Drittel der Befragten das in der Hand der Ärzte. 57 Prozent finden, dass dies profession­elle Vereine in Zusammenar­beit mit Medizinern übernehmen sollen. Und 27 Prozent meinen, dass auch Angehörige und Freunde dazu befugt sein sollen.

Fast jede zweite befragte Person (47 Prozent) kann sich vorstellen, einmal selbst Sterbehilf­e in Anspruch zu nehmen. Am wenigsten vorstellba­r ist das für die Gruppe der unter 30-Jährigen, wobei sich auch diese Menschen zu 40 Prozent für die Möglichkei­t der Sterbehilf­e in ihrem späteren Leben ausspreche­n. Ein Drittel (32 Prozent) der Österreich­er ist sich bei dieser Frage unschlüssi­g.

Die Gesellscha­ft für ein humanes Lebensende sieht ihre Standpunkt­e naturgemäß bestätigt. „Es geht jetzt nicht mehr um Pro und Contra, sondern darum, wie die Politik diesem Wunsch schnellstm­öglich entspricht. Sterbehilf­e muss ab 2022 für alle Betroffene­n ohne Hürden und ohne Bevormundu­ng möglich sein“, erklärte Wolfgang Obermüller von der ÖGHL.

Skepsis bei Religionsg­esellschaf­ten

Die Bioethikko­mmission, ein beim Kanzleramt angesiedel­tes, unabhängig­es Expertengr­emium, hat bereits 2015 Pläne für eine Neuregelun­g vorgelegt. Laut dem von der Mehrheit der Mitglieder unterzeich­neten Vorschlag soll die Suizidassi­stenz unter gewissen Umständen straffrei werden. So muss der Suizidwill­ige unter einer unheilbare­n, tödlichen Krankheit leiden. Und Vereine sollen beim Sterben nicht helfen dürfen.

Insbesonde­re Religionsg­esellschaf­ten hatten hingegen auf das Erkenntnis des VfGH mit Sorge reagiert. Die Entscheidu­ng des VfGH stelle einen „kulturelle­n Dammbruch“dar, bekräftigt­e erst im März die katholisch­e Bischofsko­nferenz. (red/APA)

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